Auf neue Fälle für die Psychsoziale Prozessbegleitung aus der im Hintergrund sichtbaren Schwanenburg hofft Regina Hußmann-Walter beim Sozialdienst katholischer Frauen in Kleve. Harald Westbeld
Selbst wer nur Opfer ist und als Zeuge dort den Richtern gegenüber sitzt, kann es schon mit der Angst zu tun bekommen. Zumal wenn es Kinder oder Jugendliche sind. Die SkF-Mitarbeiterin an der Seite zu haben und vorher den juristischen Alltag dort erklärt bekommen zu haben, wäre dann schon beruhigend. Aber das gelingt bislang nur sehr selten. Seit zwei Jahren ist die psychosoziale Prozessbegleitung, kurz PSPB, zum Schutz von Opferzeugen gesetzlich verankert, aber ganze vier Fälle sind Hußmann-Walter bisher zugewiesen worden. Kein Verfahren ist abgeschlossen.
"Ein Beschuldigter hat gleich im Ermittlungsverfahren einen Rechtsanwalt zur Seite", sagt Hußmann-Walter. Das Opfer dagegen blieb bislang allein mit seinen Erinnerungen, Ängsten und Zweifeln. Als Zeugen vor Gericht sind sie jedoch gefordert und ihre Aussage für den Ausgang des Verfahrens ganz wichtig. Die Opfer besser zu schützen war deshalb das Anliegen auf europäischer Ebene. Das Land NRW finanziert die psychosoziale Prozessbegleitung.Seit 2017 gibt es den gesetzlichen Anspruch.
Die Regeln sind genau festgelegt, wer Anspruch darauf hat und was Regina Hußmann-Walter in dieser Funktion darf - oder auch nicht. Kinder und Jugendliche haben immer ein Recht auf Begleitung, bei Erwachsenen muss eine besondere Schutzbedürftigkeit hinzukommen, zum Beispiel durch eine Behinderung oder Erkrankung. Oder es kann wie im vierten Fall, in dem Hußmann-Walter aktuell beigeordnet ist, eine mutmaßliche Vergewaltigung in einer Beziehung sein. Zudem muss es eine schwere Tat sein, ein einfacher Diebstahl reicht nicht.
Im Idealfall hat Hußmann-Walter die Chance, die Opferzeugen schon auf den Prozess vorzubereiten: "Meine Aufgabe ist es, die Abläufe und die Unschuldsvermutung zu erklären", nennt sie eine wesentliche Aufgabe. Über die Tat an sich darf nicht gesprochen worden. Da sind die Opfer sehr erleichtert, hat sie erfahren. Sie wollen gar nicht, dass die Erinnerungen wieder hoch kommen. Für die SkF-Mitarbeiterin ist es wichtig, weil sie vor Gericht kein Zeugnisverweigerungsrecht hat:
Bei Kindern ist häufig sexueller Missbrauch der Anlass des Verfahrens. Regina Hußmann-Walter freut sich, dass es dafür zunehmend kindgerechte Materialien gibt. Aus dem Buch "Anna und Jan gehen vor Gericht" kann sie die Skizze eines Gerichtssaals nutzen, um zu zeigen, wer wo sitzen wird. Im Verfahren kann sie Sicherheit geben, wenn sie mit im Zeugenstand sitzen kann. Im Gegensatz zu den Besuchern kann sie nicht aus dem Gerichtssaal gewiesen werden.
Für ihre Aufgabe bringt die SkF-Mitarbeiterin viel Erfahrung mit. Voraussetzung ist ein Studium der Sozialarbeit oder Sozialpädagogik. Sie hat damit im Allgemeinen Sozialdienst, in der Straffälligenhilfe und im Bereich Vormundschaft gearbeitet. Ihre eigentliche Aufgabe beim SkF im Kreis Kleve ist aktuell der Adoptions- und Pflegekinderdienst. Wie ihre vier Kolleginnen der Caritasverbände Geldern-Kevelaer, Kleve und Moers sowie einer Mitarbeiterin im Ambulanten Dienst der Justiz NRW am Landgericht Kleve hat sie sich für die neue Aufgabe umfangreich schulen lassen.
Warum diese Kompetenzen bislang sowenig genutzt werden, könne vor allem an mangelnder Information liegen. Aber auch an Vorbehalten der Juristen, die eine Beeinflussung der Zeugen vermuteten. Tatsächlich könne die Begleitung der Zeugen hilfreich für das Verfahren sein, weil sie angstfreier besser aussagen könnten. Dass das durchaus funktionieren könne, zeigten die Erfahrungen einer Kollegin in Aachen, der schon etliche Verfahren übertragen worden seien. Zuweisen muss die Fälle das Gericht. Dann werden auch die Kosten übernommen.
Wichtig werde sein, dass die Gerichte selbst erfahren, wie hilfreich die Begleitung auch für das Ergebnis sein könne, sagt Regina Hußmann-Walter. Diese Chancen müssen dann wohl noch durch die dicken Mauern der Schwanenburg dringen - und nicht nur dort. Bislang gab es nur knapp 40 zugeordnete Begleitungen in Nordrhein-Westfalen und davon ein großer Teil in Aachen.
001-2019 (hgw) 10. Januar 2019