Für sie war es deshalb eine besondere Gelegenheit, als sie mit Dr. Anne-Sophie Beckedorf, Erste Sekretärin für Politikangelegenheiten mit Syrien an der Deutschen Botschaft in Beirut/Libanon, auf Einladung des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes über die Lage in diesem Land im Nahen Osten sprechen konnten. Dr. Beckedorf stammt aus Hochzoll und hatte ohnehin auf ihrem Heimaturlaub ein paar Tage in ihrer früheren Heimat verbracht.
Dr. Beckedorf ist derzeit die einzige Syrien-Referentin des deutschen diplomatischen Dienstes, die aus dem Libanon selbst direkt ihre Analysen nach Berlin schickt. Die Botschaft in Damaskus wurde nämlich aufgrund des Bürgerkrieges in 2012 geschlossen. Die Referentin tauschte mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Referates Migration Informationen und Meinungen zu den Hintergründen des syrischen Bürgerkriegs, den Kriegsverlauf und mögliche Lösungsansätze aus. Der Caritasverband für die Diözese Augsburg ist seit Jahren in der Region durch seine Flüchtlingshilfe aktiv. Früher bestanden auch Kontakte mit christlichen Gemeinschaften in Syrien.
So bot sich allen Teilnehmern des Austausches mit der deutschen Diplomatin ein spannender und äußerst differenzierter Spannungsbogen von den Anfängen des sogenannten "Arabischen Frühlings" in 2010 über Entscheidungen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in 2011 zur Absicherung der Machtposition seines Familien-Clans, die mit zur Ursache des Bürgerkriegs wurden, über den Chemiewaffeneinsatz im August 2013 durch syrische Truppen bis hin zu der aktuellen nahezu unübersichtlichen Lage in Syrien. Heute kämpfen syrische Truppen, die sogenannte Rebellenarmee der FSA (Freie Syrische Armee), die Al-Nusra-Front, eine dschihadistisch-salafistische Organisation mit AlQuaida-Wurzeln, kurdische Armeeeinheiten sowie der IS gegeneinander. Hinzu kommt die militärische, nicht einheitliche Unterstützung durch das US-amerikanische Militär wie auch durch die russische Armee.
Neben dem allgemeinen Überblick verwies Dr. Beckedorf auf Zahlen des UNHCR, das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen. Demnach sei in Syrien etwa die Hälfte der Bevölkerung zur Flucht gezwungen. Fast sieben Millionen Syrer sind im eigenen Land vertrieben. Über 4,8 Millionen syrische Flüchtlinge hat UNHCR bisher in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Irak, Türkei und Nordafrika registriert.
Ein Aspekt war Dr. Beckedorf besonders wichtig. Nur zwei Prozent beteiligen sich aktiv an den Kämpfen und greifen zu den Waffen. 98 Prozent halten sich also raus und kämpfen nicht, sind aber Opfer des doch allgegenwärtigen Krieges. Besonders Kinder leiden unter der Kriegssituation. Auf Jahre hinaus können sie nicht zur Schule gehen. Experten weisen darauf schon seit Jahren hin und warnen vor den langfristigen Folgen dieser ausbleibenden Bildung.
Trotz der katastrophalen ausweglosen Situation in Syrien bemüht sich die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland um Friedensinitiativen und Unterstützung vor Ort. Dazu gehören, wie Frau Beckedorf berichtet, Einzelinitiativen vor Ort, die wie Keimzellen für eine nationale Waffenruhe, das große Ziel der UNO, wirken sollen. Trotz der Kämpfe würden es die Menschen vor Ort immer wieder schaffen, Handel über die Frontlinien hinweg zu betreiben. So würden immer wieder lokale Vereinbarungen über die Verteilung von Strom und Wasser oder für lokale Waffenstillstandsabkommen getroffen werden.
Dabei entstehen neue Projekte im Bereich des zivilen Friedensschutzes. Auch Schulen werden neu aufgebaut. Einige Initiativen setzen sich auch mit Fragen einer neuen Verfassung auseinander. Die Zuhörerinnen und Zuhörer, die durch Wolfgang Friedel, dem Leiter des Referates Migration und Auslandshilfe des Caritasverbandes, schon von entsprechenden Initiativen in Homs gehört hatten, waren doch überrascht, als sie dies hörten. Es gebe also Zeichen der Hoffnung für eine bessere Zukunft, so Friedel.