Augsburg, 02.07.2009 (
pca
). Menschen mit Autismus – viele stellen sich dabei den
hochintelligenten, aber äußerst sonderbaren „
Rain-Man
“
aus dem gleichnamigen Film mit Dustin Hoffmann und Tom Cruise vor. Richtig ist,
dass diese Menschen meist in ihrer ganz eigenen Welt leben. Für
nichtbehinderte
Menschen ist dies – wie umgekehrt auch –
eine fremde, unverständliche Welt. Das gegenseitige Verstehen, das Begreifen
von Gefühlen und Reaktionen misslingt. Man weiß nicht, warum der Andere etwas
tut. Für die Menschen mit Autismus, und oft für deren Angehörige auch, bedeutet
dies, dass sie nicht an „unserer“ Welt teilhaben können und deshalb
ausgeschlossen sind.
Dabei zu helfen, diese Ausgrenzung
aufzuheben, ist das Ziel eines neuen Angebots des Augsburger
Diözesan-Caritasverbands. Gefördert durch den Bezirk Schwaben und den Freistaat
Bayern hat der Verband das „Kompetenzzentrum Autismus Schwaben-Nord“ mit Sitz
in Augsburg ins Leben gerufen. Es ist zuständig für die Landkreise
Augsburg-Land, Aichach-Friedberg, Günzburg, Dillingen, Donau-Ries und die Stadt
Augsburg. Träger dieses Kompetenzzentrums ist der Caritasverband für die
Diözese Augsburg e.V.
Beratungen werden
in Augsburg sowie in den Außenstellen Günzburg und Nördlingen angeboten.
„Uns freut es, dass wir in unserem
Haus das Kompetenzzentrum ansiedeln konnten und das Caritas-Zentrum einmal mehr
zu einem Ort der Hilfe wird“, sagte Diözesan-Caritasdirektor Prälat Peter C.
Manz bei der Vorstellung des neuen Dienstes am Donnerstag in Augsburg. „Der
Bedarf ist groß“, so Peter Hell, Leiter des Referates Alten-, Behinderten- und
Gesundheitshilfe des Diözesan-Caritasverbandes. Nach heutigen
wissenschaftlichen Erkenntnissen geht man in Deutschland von 62,2 Menschen aus
dem autistischen Spektrum auf 10.000 Personen aus. Demzufolge rechnet man mit
11.000 Menschen mit einem autistischen Störungsbild im Regierungsbezirk Schwaben.
Für die südlichen Landkreise ist das Kompetenzzentrum in Kempten zuständig.
Dessen Träger ist das Autismus Zentrum Schwaben.
Autisten leiden an Kommunikations-
und Beziehungsstörungen. Verhaltensauffälligkeiten sind eine logische Folge.
„Das liegt an komplexen Störungen des Zentralnervensystems. Die Sinnesreize
durch Hören, Sehen oder Fühlen können wegen der genetisch bedingten Veränderung
im Gehirn von Geburt an nicht richtig verarbeitet werden“, erläutert Irene
Schick, die als Heilpädagogin bereits lange Jahre mit autistischen Kindern
gearbeitet hatte und jetzt zum Team der neuen Caritas-Beratungsstelle gehört.
„Da die einzelnen Reize gar nicht, wenig oder zu stark ankommen, können
Autisten die Welt um sich herum nicht erfassen wie ein nicht an Autismus
leidender Mensch.“ Ein differenziertes Einfühlungsvermögen für andere Menschen
kann sich nicht entwickeln. „Die Kommunikation mit dem sozialen Umfeld ist
gestört“, sagte die Diplom-Pädagogin Elena Rupp, Schicks Kollegin. Das könne
sich in vielfältiger Weise äußern. So genannte „Ticks“ oder stereotypisches
Verhalten wie z.B. ununterbrochenes
Ein-und-Ausschalten
des Lichts – also Verhaltensweisen, die sie nicht kontrollieren können – können
Hinweise auf eine autistische Störung sein.
Hinzu komme, so Schick, dass
Autisten sich schwer beim Lernen tun. Das liegt daran, dass sie z.B. vom
wortwörtlich Gesprochenen nicht abstrahieren können. Die Vorstellungskraft, die
Einzelaspekte von Dingen und Vorgängen zu einem Gesamtbild verknüpfen, fehlt
ihnen. So ergeben sich oftmals Schwierigkeiten in der Handlungsplanung, sowohl
in der Reihenfolge, wie die Dinge zu tun sind, als auch im Hinblick darauf,
sich den Impuls für den Beginn der Handlung zu geben. Die Kommunikation und
Sozialisation werden dadurch deutlich erschwert. Das führt mit dazu, dass
Betroffene häufig in Einrichtungen der Behindertenhilfe unterkommen.
Rupp und Schick weisen darauf hin,
dass kein Autist dem anderen gleicht. „Der
Rain-Man
aus dem berühmten Hollywood-Film mit Dustin Hoffmann und Tom Cruise ist so ganz
sicher nicht repräsentativ“, sagen sie. Unter Autisten findet man sowohl
Mathematikgenies, als auch schwerste Behinderungsarten. „Das Spektrum reicht
vom so genannten
High-Functioning-Syndrom
bis hin zu
einer schweren geistigen Behinderung. Epilepsien, Depressionen,
Aufmerksamkeitsdefizite und andere
komorbide
Störungen können begleitend auftreten.
Wegen der unterschiedlichsten
Ausprägungen autistischer Störungen ist es sehr schwer, das richtige Hilfepaket
von ärztlicher, psychologischer Hilfe und sozialpädagogischer Beratung bzw.
Betreuung zu schnüren. „Die Wege konnten bisweilen sehr lang und sehr
zeitintensiv sein“, so Rupp. „Auch für Eltern war und isst das oft eine
unnötige Zusatzbelastung.“
Das neue Kompetenzzentrum Autismus
– Standort Nord leistet keine Diagnose. „Dafür gibt es sehr gute Spezialisten.“
Aber die beiden Beraterinnen bilden eine erste Anlauf- und Kontaktstelle zur
Beratung und Vermittlung von Hilfen. „Unser Ziel ist es, dass die richtige
Hilfe so schnell wie möglich den Betroffenen zu gute kommt“, so beide
Beraterinnen des Kompetenzzentrums.
Zusätzliche Infos:
Definition Autismus:
Autismus ist keine einzelne
Erkrankung, sondern ein Symptomkomplex mit unterschiedlichen Krankheitsmechanismen.
Die Ursachen liegen in komplexen Störungen des zentralen Nervensystems. Die
Weltgesundheitsorganisation klassifiziert Autismus als
tiefgreifende
Entwicklungsstörung, die oft zu einer Mehrfachbehinderung mit sehr
individueller Ausprägung führt, von der sprachliche, motorische, emotionale und
interaktionale
Funktionen betroffen sein können.
Viele Menschen mit autistischen Störungen benötigen lebenslang Unterstützung
und Förderung in verschiedenen Lebensbereichen. Die letztlich bis heute
ungeklärte Genese von Autismus erschwert die Entwicklung geeigneter
therapeutischer und pädagogischer Ansätze zur Förderung der Selbstbestimmung
und Selbständigkeit der Betroffenen. Berücksichtigt man den gesamten
autistischen Formenkreis so liegt die Häufigkeit dieser Behinderung bei 4 – 6
Personen pro 1.000.
Aufgabenstellungen des Kompetenzzentrums:
Ü
Beratung und Information von
Betroffenen, Angehörigen und Experten
Ü
Förderung und Initiierung von
Selbsthilfe bzw. –
gruppen
und Freizeitgruppen
Ü
Förderung von ehrenamtlichen
MitarbeiterInnen
Ü
Information und
Öffentlichkeitsarbeit
Ü
Zusammenarbeit und Vernetzung mit
anderen Stellen
Ü
Koordination von
Fortbildungsveranstaltungen
Ü
Bedarfsgerechte Weiterentwicklung
der Hilfen für Menschen mit Autismus
Partner des Netzwerks des Kompetenzzentrums:
Ü
Selbsthilfe- und
Angehörigenorganisationen
Ü
Autismus Kompetenzzentrum Schwaben
Süd
Ü
Autismus-Kompetenzentren
in Bayern
Ü
Staatliche, kommunale und freie
Beratungs- und Unterstützungsangebote
Ü
Praxen und Kliniken aus dem
medizinisch-therapeutischen Bereich
Ü
Anbieter von Dienstleistungen aus
dem medizinisch-therapeutischen Bereich
Ü
Anbieter von Dienstleistungen für
Menschen mit Autismus
Ü
Netzwerke und Beiräte für Menschen
mit Autismus
Kontakt:
Kompetenzzentrum Autismus Schwaben – Nord
Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V.
Auf dem Kreuz 41
86152 Augsburg
Beratung:
Elena Rupp
Tel.: 0821 3156-490
E-Mail:
E.Rupp@caritas-augsburg.de
Irene
Schick
Tel.:0821
3156-489
E-Mail:
I.Schick@caritas-augsburg.de