Augsburg, 11.10.2007 ( pca ) . 2.600 Menschen in Augsburg Stadt und Land sowie im Landkreis Aichach-Friedberg sind chronisch mehrfach beeinträchtigte Alkoholiker. Sie durchlaufen mehrfach verschiedene Therapien und scheitern dennoch immer wieder. Am Ende steht allzu oft die Hoffnungs- und Ausweglosigkeit. Das Bistum Augsburg, der Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V. und für die Stadt sowie die Frauenorden der Barmherzigen Schwestern und der Maria-Stern-Schwestern wollten diese Menschen nicht allein lassen. In gemeinsamer Anstrengung schufen sie das Abbé-Pierre-Zentrum in der Augsburger Hofrath-Röhrer-Straße , das 13 chronofizierten suchtkranken Klienten einen Platz bietet, um durch Arbeit, Gruppenerlebnisse sowie fachliche und seelische Begleitung die Fähigkeit zu erlangen, ihr Suchtproblem wieder in den Griff zu bekommen.
Die Diözese Augsburg stellte 200.000 Euro an Zuschüssen bereit. Die beiden Frauenorden engagierten sich mit je 100.000 Euro. Für das Caritas-Projekt „Tagesstrukturierende Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahme für alkoholkranke Menschen“, das der Bezirk Schwaben als Pilotprojekt drei Jahre lang mit jeweils 100.000 € fördert, bedeutet der Einzug in das Gebäude an der Hofrath-Röhrer-Straße als neue und feste Heimstatt einen großen Sprung nach vorne. Ziel der Einrichtung ist es laut dem Augsburger Caritas-Pfarrer und Dekan Karl Mair , „dass die Alkoholkranken hier wieder selber ihre Würde, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten entdecken“.
Für Prälat Peter C. Manz , der als Domkapitular Mitglied in der Bistumsleitung und Diözesan-Caritasdirektor das Abbé-Pierre-Zentrum am Mittwoch der Presse vorstellte, ist das Haus ein „Ort der Hoffnung“. Chronofizierte Alkoholkranke müssten nicht mehr abgewiesen werden, weil man kein Angebot mehr für sie habe. „Hier geschieht menschliche Begegnung, die ihnen signalisiert, du bist mir nicht gleichgültig.“ Für die Diözese Augsburg, die sich hier auch dank inzwischen besserer Kirchensteuereinnahmen beteiligen konnte, gehe es dabei nicht nur um eine einmalige finanzielle Transaktion. Das Bistum wolle, so der Domkapitular, damit ein bewusstes Zeichen für ihr eigenes soziales Engagement setzen. Sie wolle damit auch den vorwiegend mittelständisch geprägten Pfarrgemeinden im Bistum einen Hinweis geben, „nicht blind für soziale Anliegen zu sein“.
Für die beiden Ordensfrauen, Schwester M. Ludovica Lenz, Provinzialoberin der Maria-Stern-Schwestern, und Schwester M. Carissima Fendt , Generalökonomin der Barmherzigen Schwestern, erfüllt sich ihrer Überzeugung nach in dem Abbé-Pierre-Zentrum der Auftrag ihrer Ordensgründer. Sowohl der heilige Franz von Assisi als auch der heilige Vinzenz von Paul haben den Auftrag erteilt, sich als Christen für die Menschen am Rande der Gesellschaft zu engagieren.
Der Geschäftsführer des Stadt-Caritasverbandes, Dr. Walter Semsch, warb bei dem Pressegespräch dafür, das Vorurteil vom obdachlosen, schlecht ausgebildeten und willensschwachen Alkoholkranken zu überwinden. So befinde sich unter den Klienten auch ein ehemaliger Manager. Zudem seien 80 Prozent der der Umbauleistungen von den Klienten, die zum Teil seit Anfang des Jahres an dem Projekt teilnehmen, selbst geleistet worden. Der Leiter des Hauses, der Sozialpädagoge Rainer Koelle , bekräftigte, „dass es keinen einzigen unter den Klienten gab, der nicht bereit war, mitzuarbeiten“.
Semsch wies darauf hin, dass Alkoholkrankheit eine lebenslange Krankheit sei, die man nie mehr loswerde. Demnach gehe es auch im Abbé-Pierre-Zentrum darum, die seelischen und moralischen Kräfte zu stärken. „Diese sind veränderbar.“ Dieses Ziel werde dadurch erreicht, dass die Klienten in dem Zentrum ihre persönlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Talente (wieder) entdecken. Die gemeinsame und auch erfolgreiche Arbeit in der Gruppe öffne den Blick wieder dafür, „dass das Leben doch nicht nur schlecht ist, wie so mancher Betroffene denkt“. Entscheidende Richtschnur für die gemeinsame Arbeit und das gemeinsame Leben ist eine klare Tagesstruktur.
Erste Untersuchungen belegten laut Semsch den Erfolg dieser Einrichtung: Bei den Klienten, die bislang an dem Projekt teilgenommen haben und teilnehmen, sind die Aufenthalte um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen. Für den Caritas-Geschäftsführer ist dieses Untersuchungsergebnis ein wichtiger Hoffnungsschimmer. Er setzt darauf, dass nach der auf drei Jahre befristeten Förderung durch den Bezirk ein fester Pflegesatz steht. „Der bisherige Erfolg gibt uns Recht, auf diesem Weg weiterzugehen“, sagte er.
Die Augsburger ARGE sowie das Bezirkskrankenhaus, mit denen das Zentrum eng zusammenarbeitet, vermitteln die Patienten. Alle zwei Wochen kommt ein Arzt der Institutsambulanz des Bezirkskrankenhauses vorbei und berät die Pädagogen sowie die Klienten.
Um die gesetzten Ziele erreichen zu können, bietet das Zentrum selbst viele Arbeitsmöglichkeiten. Schreiner-, Maler-, Lackier- und Metallarbeiten werden geleistet. Aufträge werden auch von der Augsburger Caritas-Arbeitsförderungsgesellschaft ALF vermittelt. Wie wichtig es der Caritas auch ist, die Menschen auch seelisch zu begleiten, zeigt sich darin, dass der Orden der Barmherzigen Schwestern die Krankenpflegerin Schwester M. Dorothee Maier ( OSVvP ) für die Mitarbeit im Zentrum freistellt. In der Tat hat sich inzwischen ein reges Leben und Arbeiten entwickelt. Küchen- und Kochdienste werden selbst übernommen und Freizeitaktivitäten wahrgenommen
„
Abbé-Pierre-Zentrum
“
Abbé Pierre
(bürgerlicher Name
Henri
Antoine
Grouès
; *
5. August
1912
in
Lyon
; †
22. Januar
2007
in
Paris
) war ein
französischer
Priester, der die Wohltätigkeitsorganisation
Emmaus
(franz.
Emmaüs
) gegründet hat. Sein
Pseudonym
Abbé Pierre stammt aus der Zeit des
Zweiten Weltkrieges
,
in der er der französischen
Résistance
und jüdischen Flüchtlingen half. Als Armenpriester setzte er sich auch für
Obdachlose ein. Die
Emmaus-Organisation
ist heute in
43 Ländern der Welt vertreten. Er galt als streitbarer Priester, der sich
niemals scheute, deutliche Worte auch gegenüber höchsten französischen
Politikern
auszusprechen.
Die Idee, das
neue Zentrum an der
Hofrath-Röhrer-Straße
, nach ihm
zu
bennen
, geht auf den Diözesan-Caritasdirektor
Prälat Peter C.
Manz
zurück. Er freute sich, dass der
Augsburger Stadt-Caritasverband diese Idee aufgegriffen hat. So ist für ihn das
Abbé-Pierre-Zentrum
ein sichtbares Vermächtnis des
weltbekannte
französischen Armenpriesters.