Interview: Wie eine Pflegedienstleitung die Pandemie erlebte
Hannelore Klement ist seit November 2019 stellvertretende Pflegedienstleitung im Seniorenzentrum Haus Tobit in Elchingen. Davor arbeitete die 61-jährige dort 20 Jahre lang als Nachtwache. Dass es erst eine Pandemie braucht, damit ihr Berufsstand mehr Anerkennung erhält, hätte sie sich damals wohl nicht gedacht. Ein Gespräch mit einer Frau, die seit Mitte März als systemrelevant gilt.
Frau Klement, wie haben Sie die vergangenen Wochen - die Corona-Zeit - erlebt?
Hannelore Klement: Zu allererst möchte ich sagen, dass es im Haus Tobit Gott sei Dank keinen Corona-Fall gab. Deshalb hat sich an meiner Arbeit an und für sich eigentlich nichts geändert. Desinfizieren, Händewaschen, Mundschutz - all das haben wir davor auch schon gemacht. Was neu war, das war der Psychostress, diese permanente Angst im Hintergrund. Es war keine Angst vor dem Virus selbst, sondern davor, dass jemand von uns das Virus einschleppt. Privat haben sich auch alle Mitarbeiter strikt an die Maßnahmen zur Eindämmung gehalten, weil wir solche Angst hatten, das Virus ins Haus zu bringen. Für unsere Bewohner war es auch sehr schlimm, deshalb lag immer eine gewisse Spannung in der Luft. Inzwischen ist die Angst immer noch da, aber sie ist nicht mehr so groß.
Was nehmen Sie Positives aus der Corona-Zeit mit?
Hannelore Klement: Wir haben als Team super zusammengearbeitet. Alle haben am selben Strang
gezogen. Das war ein schönes Gefühl. Privat habe ich mich auch wieder mehr auf das Wesentliche besonnen. Das finde ich positiv.
Und was bleibt Ihnen als besonders schlimm oder einprägsam im Kopf?
Hannelore Klement: Ich werde diese besondere Stimmung im Haus nicht vergessen. Unsere Bewohner haben ihre Angehörigen und Enkel sehr stark vermisst. Das konnte man permanent spüren. Auch Bewohnern, die ihre Gefühle verbal nicht mehr äußern konnten, merkte man an, wie sehr sie Nähe und Kontakte zu ihren Angehörigen vermissen.
Wie ist die Situation jetzt? Gab es sofort einen großen Besucheransturm seit den Lockerungen? Haben Sie beispielsweise einen Pavillon aufgestellt, damit ein Wiedersehen draußen vor dem Haus oder im Garten stattfinden kann?
Hannelore Klement: Nein, es gab nicht sofort einen großen Ansturm. Einen Pavillon haben wir nicht aufgestellt, sondern haben ein Konzept entwickelt, wie wir die Besucher koordinieren. Nun vergeben wir Termine an die Besucher und es dürfen nie mehr als zwei Besucher gleichzeitig im Haus sein.
Was wünschen Sie sich als Mitarbeiterin für die Zeit nach Corona?
Hannelore Klement: Ich wünsche mir, dass der Beifall der Gesellschaft sich tatsächlich niederschlägt in bessere Arbeitsbedingungen und dass es zukünftig mehr Pflegekräfte gibt. Ich wünsche mir auch, dass wir nicht nur mehr Geld bekommen, sondern dass die tatsächliche Anerkennung und Wertschätzung aufrecht erhalten wird. Und dies soll nicht nur für die Pflegekräfte gelten, sondern für alle Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen. Also für Hauswirtschafter*innen, Raumpflegepersonal, Verwaltungsangestellte, oder Praktikant*innen.
Frau Klement, zum Schluss noch eine persönliche Frage. Wie haben Sie als Pflegekraft das Klatschen und den Beifall für die Pflegerinnen und Pfleger empfunden?
Hannelore Klement: Ganz ehrlich? Ich fand es schrecklich. All die Jahre hat niemand von uns Notiz genommen. "Was soll das auf einmal?" oder "Jetzt klatschen sie - und nach Corona?", habe ich mir dabei gedacht. Ich wünsche mir keinen Beifall, sondern ich wünsche mir, dass die Leute sich auch nach Corona noch darüber bewusst sind, was wir täglich leisten. Ich freue mich auch über den Bonus, aber es ändert nichts an den Arbeitsbedingungen in der Pflege.
(Das Interview führte Karin Pill, Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V. / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)