Tanja Blum, Beauftragte für Inklusionsprojekte beim Ulrichsheim der Caritas in Augsburg und Mitarbeiterin im Fachzentrum Leichte Sprache, unterhielt sich mit vielen Bewohnerinnen und Bewohnern der Caritas-Wohneinrichtung. „Das Thema Flüchtlinge hat sie beschäftigt und sehr bewegt“, sagte sie. „Es ist ein wichtiges Thema für sie. Aber es gibt keine Informationen in Leichter Sprache.“
Blum und Carola Nagel, Blums Kollegin im Fachzentrum Leichte Sprache der CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH in Augsburg, beschlossen deshalb, dies zu ändern. Dank einer Förderung des Projektes „Demokratie leben“ der Bundesregierung, der Unterstützung von Margot Laun von Tür an Tür und Robert Vogl von der Stadt Augsburg, der die Förderung vermittelte, entstand über Monate die Broschüre „Wir mittendrin! Informationen zu Flucht und Asyl in Leichter Sprache“. Menschen mit Lernschwierigkeiten wie auch Flüchtlinge haben sich dafür zusammengesetzt. Fragen der Menschen mit Behinderungen wurden dafür gesammelt, bearbeitet und beantwortet. Die Broschüre wurde nun am Mittwoch in Augsburg vorgestellt.
Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg lobte die Broschüre. „Sie geben uns etwas
ganz Wichtiges in die Hand. Die Broschüre hilft, Vorurteile zu überwinden und die Angst zu nehmen, die nur deshalb da ist, weil mir der Andere fremd ist.“ Deshalb, so Ronald Miller, Leiter der Caritas-Wohneinrichtungen, sei die Broschüre auch ein wichtiger Beitrag für die Inklusion. Die Broschüre unterstreiche einen wichtigen Aspekt der Inklusion. Menschen mit Behinderungen seien nicht nur Empfänger von Informationen, sie können und sollen sich selbst informieren und ihre eigene Meinung bilden können.
Auf insgesamt 44 Seiten erläutert die Broschüre in Leichter Sprache, was ein Flüchtling ist, warum Menschen aus ihrer Heimat fliehen, warum sie verfolgt werden, wie sie nach Deutschland gekommen sind und wie es Flüchtlingen in Deutschland geht. Nach diesem ersten Informationsteil mit 22 Seiten geht die Broschüre auf die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen ein. Sie werden auf 12 Seiten deutlich angesprochen. „Flüchtlinge wollen nicht arbeiten.“, „Alle Flüchtlinge sind kriminell“. „Flüchtlinge bekommen Handys und teure Kleidung vom Staat“. „Flüchtlinge nehmen Deutschen die Wohnungen weg“. „Alle Flüchtlinge sind junge Männer“. „Männliche Flüchtlinge behandeln Frauen schlecht“. Zur Kriminalität heißt es dann zum Beispiel in der Broschüre in Leichter Sprache: „Die meisten Flüchtlinge sind sehr dankbar für die Hilfe von Deutschland. Sie halten sich an die Gesetze in Deutschland.“ Und weiter: „Kriminalität ist schlecht. Ganz egal, wer die kriminellen Sachen macht.“ Der junge Syrer Farouk, der für die Broschüre befragt wurde, sagt dazu: „Es gibt immer gute Leute und schlechte Leute.“
Das beste Mittel gegen Vorurteile, so der Caritasdirektor, sei, sich eine gesunde Neugier zu bewahren und sich selbst zu informieren. Weil aber nicht alle Menschen mit Behinderungen auch gut lesen können, sind zusätzlich zur Broschüre zwei Filme entstanden. Tanja Greisl, Prüferin für Leichte Sprache, fragt im ersten Film Dr. Thomas Goebel, Forscher für Migration, über alles, was sie über Flüchtlinge wissen will. Im zweiten Film greifen die Prüferinnen Maria Hütter und Sabrina Scholl die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen auf, stellen dabei auch ganz persönliche Fragen nach den Hobbies, ihren Lieblingsspeisen, aber auch nach den Schwierigkeiten, die sie in Deutschland haben. Sie befragen dazu Esther Völk aus Nigeria (inzwischen mit einem Deutschen verheiratet), Ibrahim aus Ghambia und Qudratullah Mamozai aus Afghanistan. Der farbige Ibrahim gesteht seine Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, löst aber ein Lachen aus, als er davon erzählt, dass man in Hannover ihn sofort als Bayern bezeichnete, weil er „Servus“ gesagt hätte.
„Für mich war es schön, diese Menschen kennenzulernen, auch eine Bereicherung“, erzählt die Prüferin Hütter bei der Vorstellung der Broschüre. „Das Beste ist nun einmal, mit den Menschen selbst zu sprechen, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen“, ergänzt Nagel. „Die Begegnung befreite die Bewohner aus dem Augsburger Ulrichsheim von ihren Ängsten“, berichtet Miller, der sein Büro dort hat. Er konnte beobachten, wie Bewohnerinnen und Bewohner anfingen, Kuchen zu backen und selbst zu der Flüchtlingsunterkunft zu bringen. Was er dabei erlebt hatte, fasste Miller in einem Zitat des deutschen Schriftstellers Peter Härtling (1933 – 2017) zusammen: „Sucht nach einem, der euch zuhört, dem ihr erzählen könnt, von euch, und ihr staunt, wer ihr seid.“ Und er ergänzte persönlich: „Hört zu, was einer Euch erzählt, und ihr staunt, wer euer Gegenüber ist.“
Alle Beteiligten, Blum, Nagel wie auch die Prüferinnen und die befragten Flüchtlinge, ließen während der Vorstellung der Broschüre spüren, wie sehr ihnen das Projekt am Herzen liegt. „Das spürt man deutlich. Sie haben sich intensiv mit all diesen Fragen, Ängsten und Vorurteilen auseinandergesetzt. So helfen die Broschüre und der Film vieles besser zu verstehen“, lobt Diözesan-Caritasdirektor Dr. Magg. Er unterstrich den Wunsch von Herbert G. Kratzer, dem Verwaltungsleiter der CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH – Ressort Behindertenhilfe, zu der das Fachzentrum Leichte Sprache gehört: „Diese Broschüre muss bekannt werden und eine weite Verbreitung finden.“
Definition der Leichten Sprache:
Leichte Sprache ist eine speziell geregelte sprachliche Ausdrucksweise des Deutschen, die auf besonders leichte Verständlichkeit abzielt. Das Regelwerk wird von dem seit 2006 bestehenden Netzwerk Leichte Sprache (Verein seit 2013) herausgegeben. Zu den Regeln gehört zum Beispiel, kurze Sätze zu schreiben, die Lesbarkeit dadurch zu erleichtern, indem in jeder Zeile nur ein Satz stehen darf. Des Weiteren ist auf die Schriftgröße von mindestens 14 Punkt zu achten.
Bestellung der Broschüre:
Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation
Fach-Zentrum für Leichte Sprache
Memminger Straße 6
86159 Augsburg
Tel. 0821 5606 410
E-Mail: leichte-sprache@cab-b.de
Die Filme werden im Youtube-Kanal der „Caritas Augsburg“ bereitgestellt.