"Ich bin Afghane", sagte er bei der Erstaufnahme, beim Amt für Migration, bei der Ausländerbehörde, auch wenn die Polizei ihn kontrollierte. Auch alle Asylberater, zuletzt in der Gemeinschaftsunterkunft in der Proviantbachstraße Augsburg, wissen seit dem ersten Tag ihrer Begegnung, dass Gholami Afghane ist. Nun soll er abgeschoben werden. Begründung: "Identitätsverweigerung."
Mohammadali Gholami war aus seinem Heimatland geflohen. Der Grund ist bekannt: Der Bürgerkrieg mit den Taliban. Das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, erkennt in Afghanistan auch heute noch nicht ein sicheres Herkunftsland. Eine regionale Differenzierung der Situation in Afghanistan in "sichere" und "unsichere Gebiete" ebenso wie das Ausweisen einer internen Schutzalternative für alle Afghan(inn)en sei vor dem Hintergrund der aktuellen fragmentierten Situation in Afghanistan nicht möglich. 2017 hat der Krieg gegen die Taliban knapp 350.000 Afghanen in die Flucht getrieben. Die USA hatten Ende des vergangenen Jahres USA bekanntgegeben, dass sie wegen der verschärften Sicherheitslage 3.000 Soldaten zusätzlich dorthin entsenden wollen. Auch die Soldaten der Bundeswehr sollen nicht abgezogen werden.
Die Bundesrepublik Deutschland hat aber ein Abkommen mit der Regierung Afghanistans abgeschlossen, damit diese Flüchtlinge zurück nimmt. Der Bombenanschlag auf die Deutsche Botschaft in Kabul Ende Juni 2017 machte der Bundesregierung aber einen Strich durch ihre Rechnung. Es wird nicht mehr jeder Flüchtling abgeschoben. Nur noch Straftäter und die sogenannten Identitätsverweigerer werden in den Flieger nach Kabul gesetzt. Trotz auch jüngster Berichte über Bombenanschläge in Kabul selbst.
Der Asylantrag von Mohammadali Gholami wurde im September 2016 abgelehnt. Von dem Zeitpunkt an verlangte die Ausländerbehörde von ihm, einen Pass oder andere Identitätspapiere zu beantragen, damit er Dokumente vorweisen kann, dass er, Mohammadali Gholami, Afghane ist. In Afghanistan heißt der Personalausweis Tazkira. Eine Tazkira kann man über die Botschaft Afghanistans in Deutschland beim afghanischen Innenministerium in Kabul beantragen. Da Herr Gholami keinen Kontakt zu seiner Familie oder zu Verwandten in Afghanistan hat, konnte er die dafür nötigen Unterlagen nicht besorgen. Für die Abholung und Beglaubigung der Tazkira hätte er in einem zweiten Schritt einen Vertrauensanwalt in Kabul (Kosten 1500,- - 3000,- € Vorschuss) beauftragen müssen. Da hat Gholami nicht mitgemacht. Er hat das Geld nicht.
Und damit machte Gholami nach Auffassung des deutschen Rechts einen Fehler. Indem er sich um entsprechende Papiere nicht bemühte, ist er in den Augen der Behörden ein Identitätsverweigerer. Dass er nach einer Abschiebung nach Kabul durch Taliban-Gebiet durchkommen muss, um in seine Heimatregion in Afghanistan gelangen zu können, interessiert niemand bei den Behörden. "Dort sterben aber täglich Menschen", sagt Gholami.
Im Dezember 2017 sollte er bereits abgeschoben werden. Wegen eines Bruchs an der Schulter und am Arm war das aber nicht möglich. Nun sitzt er in Abschiebehaft in Eichstätt. Die Begründung: "Identitätsverweigerung". Und das obwohl er immer an seinem Bekenntnis zu seiner afghanischen Herkunft festhielt, stets denselben Namen bei allen Behördenstellen angab. Werner Neumann von der Caritas: "Gholami würde ich, wenn ich ein Unternehmen hätte, sofort bei mir einstellen. Er packt an, er bringt sich ein, hat in vorbildlichster Weise die Fahrradwerkstatt in der Gemeinschaftsunterkunft geleitet und sehr ausgleichend auf die anderen Mitbewohner eingewirkt. Gholami ist kein Straftäter."
Der Caritasverband für die Diözese Augsburg plädiert schon seit langem, die Einzelfälle genauer anzuschauen und sich um mehr Einzelfallgerechtigkeit zu kümmern. "In diesem Fall muss man sich wirklich fragen, ob das Ziel, innenpolitisch Flagge zeigen zu wollen, nicht der Gerechtigkeit widerspricht. Zumal auch das UNHCR davon spricht, dass Afghanistan nicht sicher ist. Wir bräuchten Menschen wie Gholami als Vorbilder, als Integrationshilfen und Integrationsbeispiele für andere Flüchtlinge", so Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg. "Gholamis Abschiebung ergibt einfach keinen Sinn. Sie ist derzeit nicht zu verantworten."