Caritas feiert mit Bischof 70 Jahre Suchtfachambulanz in Augsburg
Augsburg, 30.11.2024 (pca). Vor 70 Jahren schuf der Caritasverband für die Diözese Augsburg die erste Stelle für Suchtkrankenhilfe als eigenständiges Aufgabengebiet. So gilt 1954 als Beginn der professionellen Suchtberatung in Augsburg, auch wenn es mit dem katholischen Kreuzbund als Selbsthilfegruppe seit 1910 und der Trinkerfürsorgestelle ab 1928 Vorläufer gab. Bischof Dr. Bertram Meier, der bei der Jubiläumsfeier am Mittwoch im Caritas-Haus in Augsburg den Festvortrag hielt, erinnerte in einfühlsamen Worten an die vielen Verletzungen, Traumata und so viel Unausgesprochenen in der Nachkriegszeit. "Es war höchste Zeit das Gespräch anzubieten, nicht zu verurteilen, sondern zuzuhören, miteinander zu sprechen und neue Horizonte aufzuzeigen." Das sei dringend notwendig gewesen, denn damals wie auch heute habe jede Suchterkrankung ihre eigene sehr persönliche Geschichte. Allen in der Suchtarbeit wünschte er "den langen Atem der Leidenschaft. Der tut uns allen gut!"
Zahlreiche Netzwerkpartner nahmen an der Jubiläumsfeier teil. Der Bezirk Schwaben war als Partner und Unterstützer der Suchtarbeit der Caritas durch die Bezirksrätin und Pflegebeauftragte des Bezirks Melanie Melitta Hippke, die Stadt Augsburg durch Reiner Erben, bei der Stadt u.a. zuständig für Gesundheit, die Deutsche Rentenversicherung Schwaben durch Anja Neupert-Schreiner,Leiterin der Abteilung Rehabilitation, das Bezirkskrankenhaus Augsburg durch Oberarzt Dr. Marcus Gertzen vertreten. Auch Betroffene waren eingeladen. Darunter Stefan Krause, Leiter der Band John Garner, die die Feier musikalisch begleitete, und der Künstler Rolando Vázquez Hernández, der in seinen Bildern seine Suchtgeschichte verarbeitete. Dieses Miteinander in der Jubiläumsfeier unterstreiche, so Diözesan-Caritasdirektor Diakon Markus Müller in seinen Begrüßungsworten, "wie wichtig das Miteinander und die fachliche, aber auch politische Unterstützung für die Arbeit in der Caritas in der Suchtberatung ist.
Bischof Bertram griff diesen Gedanken in seiner Festansprache auf und unterstrich nachdrücklich die Unterstützung der Kirche und der Caritas für die Suchtarbeit. "Ich kann und darf allen zusichern, dass wir gemeinsam mit unserem Gott als Kirche und Caritas an der Seite der suchterkrankten Menschen wie auch mit allen im Netzwerk der Suchtarbeit stehen. Wir werden es auch künftig tun, solange es nötig ist, weil es um Menschen geht, die unsere Hilfe benötigen." Der Augsburger Diözesanbischof will sich dabei selbst nicht aus der Pflicht entlassen, weil die Kirche dafür die Caritas habe und die Aufgabe der Suchtarbeit bei den Fachleuten in guten Händen liege. "Ich bin doch selbst eingeladen, ja aufgefordert als Bischof und als Bertram Meier eine Antwort zu geben, selbst als Christ so zu handeln, damit ein suchtkrankwerdender oder suchtkranker Mensch erfährt, dass da jemand da ist, der ihn ernst nimmt, nicht verurteilt, sondern zuhört und ihn dadurch ermutigt, weitere Schritte zugehen und sich auch fachliche Hilfe zu holen." Nur so könne der Suchtkranke aus seinem Leben am Rand der Gesellschaft in die Mitte zur Teilhabe hineingeholt werden.
Bezirksrätin Hüppke betonte in ihrem Grußwort, dass Sucht keine individuelle Randerscheinung sei. Es gelte, Betroffene aus der Stigmatisierung herauszuholen. Dafür habe die Caritas-Suchtfachambulanz in den vergangenen 70 Jahren sehr viel getan. Für Betroffene habe das Angebot der Caritas einen "unschätzbaren Wert", weil sie sie nicht im Stich lasse und an ihrer Seite stehe, um ihnen eine lebenswerte Zukunft ohne Sucht zu ermöglichen. Rainer Erben bekräftige seinerseits die unerlässliche Bedeutung der Caritas-Suchtfachambulanz für das Gesundheitssystem der Stadt auch im Hinblick auf die von der Stadt forcierte Präventionsarbeit.
Neupert-Schreiner, Leiterin der Abteilung Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung Schwaben - einer der Kostenträger der Suchtfachambulanz neben dem Bezirk Schwaben - bedankte sich für sehr vertrauensvolle, zuverlässige und konstruktive Zusammenarbeit für das gemeinsame Ziel einer individuellen Teilhabe von suchterkrankten Menschen am Leben der Gesellschaft. In den Augen von Dr. Gertzen zeige die Geschichte der Caritas-Suchtfachambulanz, wie wichtig "professionelle und einfühlsame Arbeit ist". Dabei habe sie sich ständig weiterentwickelt, um neuen Herausforderungen gerecht werden zu können. So hätten Bezirkskrankenhaus und die Caritas-Suchtfachambulanz ein umfassendes und ganzheitliches Angebot und gleichzeitig innovative Ansätze in der Suchtarbeit möglich gemacht.
Die Arbeit der Suchtfachambulanz der Caritas dient Betroffenen der verschiedenen Suchterkrankungen. So hatte Girstenbrei-Wittling als Leiterin auch Klienten gebeten zu sagen, was ihnen an dem Beratungsdienst so wichtig ist. Zwei Sätze stachen dabei hervor: "Ich bin mit meinem Problem nicht mehr so allein." Und: "Ich empfinde keine Angst und kein Schamgefühl, ich bin da ohne bewertet zu werden." Dass der Weg in eine Suchterkrankung auch vom Umfeld abhängt, hat der Musiker und Bandleader der John Garner Band unterstrichen. Er gestand öffentlich ein, suchtkrank zu sein. Die Anfänge hätte seine Alkoholerkrankung schon in seiner Kindheit genommen. "Man hat es mir auf dem Dorf so einfach gemacht, Bier zu trinken." Später als selbständiger Musiker war der Alkohol der ständige Begleiter, "mit dem ich meine Gefühle gut abschirmen konnte." Erst eine Panikattacke führte in zu einer ambulanten Rehabilitation Sucht bei der Suchtfachambulanz der Caritas Augsburg. "Heute habe ich - auch dank vieler guter Freunde - keinen Gedanken mehr, trinken zu wollen."
Geschichte der Suchtfachambulanz der Caritas in Augsburg:
• 1910 Gründung der ersten Selbsthilfegruppe des Katholischen Kreuzbundes
• 1928 Errichtung der "Trinkerfürsorgestelle" der Caritas mit ehrenamtlichen Mitarbeitern.
• 1949 nach dem zweiten Weltkrieg nahm der Caritasverband die Arbeit unter dem Namen Suchtkrankenfürsorge wieder auf.
• 1954 Gründung der Suchtberatung als eigenständiges Aufgabengebiet und damit Beginn der professionellen Suchthilfe. Es wurde die erste hauptamtliche Kraft eingestellt.
• 1968 Sozialrechtliche Anerkennung der Alkoholabhängigkeit als eigenständige Krankheit
• Seit 1993 ist die Suchtfachambulanz Augsburg als Rehabilitationseinrichtung für die ambulante Entwöhnungsbehandlung von der Rentenversicherung anerkannt.
• 2002 wurde die externe Suchtberatung in den Augsburger Justizvollzugsanstalten als weiteres Aufgabengebiet übernommen.
• 2005 Einstieg in die Online-Beratung
• 2009 Gründung der Fachstelle Glücksspielsucht und Medien- und Computersucht
• 2023 Beginn der Online-Streetwork
Info:
Die Suchtfachambulanz Augsburg-Stadt ist die älteste Beratungs- und Behandlungsstelle. Inzwischen sind es in der Trägerschaft des Diözesan-Caritasverbandes im Regierungsbezirk Schwaben 11 Suchtberatungsstellen. Diese haben in der Fläche angegliederte Außenstellen und weitere Außensprechtage.
Mitarbeiter im Fachbereich Sucht: 120
Klienten in 2023 insgesamt: über 6.000
Davon nahmen allein in der Suchtfachambulanz Augsburg-Stadt 1.549 Menschen das Beratungsangebot in Anspruch und 92 Personen nahmen an den Behandlungsangeboten in Form der Ambulanten Rehabilitation oder der Reha-Nachsorge teil.