Meine Tochter wechselt im Sommer auf die weiterführende Schule. Seit Ostern hat sie ein Handy. Wie schaut es bei euch aus?
Holger Brauer Mein Sohn steht vor der Einschulung. Da ist ein eigenes Handy noch kein Thema.
Elke Kotthoff Meine Tochter kommt ebenfalls ins 5. Schuljahr. Sie bekommt allerdings erst am Freitag, also am letzten Tag ihrer Grundschulzeit, ihr erstes eigenes Handy. Sie ist damit das letzte Einhorn in ihrer Klasse. Das hat, das kannst du dir sicher vorstellen, schon zu einigen Diskussionen geführt.
Das glaube ich gern. Holger, welche Erfahrungen hast du in der Beratungsstelle zu diesem Thema gesammelt?
Holger Brauer Aus der Arbeit in der Beratungsstelle weiß ich, dass das Thema Handynutzung eine immer größer werdende Rolle in den Familien einnimmt und auch immer früher zum Thema wird. Während vor einigen Jahren die meisten Kinder ihr erstes eigenes Handy mit dem Wechsel zur weiterführenden Schule bekommen haben, erleben wir nun schon länger einen neuen Trend: Die meisten Kindern bekommen schon im dritten Schuljahr - oft zur Kommunion - ein Smartphone geschenkt. Es gibt dazu auch - wie ich finde - alarmierende Zahlen aus einer aktuellen Studie[1]. Demnach besaßen 2018 zehn Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen ein eigenes Handy oder Smartphone. 2023 waren es wieder zehn Prozent - nun allerdings bei den Zwei- bis Fünfjährigen!
Zwei- bis Fünfjährige mit einem eigenen Handy - da frage ich mich ernsthaft, ab wann ist ein Kind überhaupt reif genug für ein Smartphone?
Holger Brauer Das ist eine berechtigte Frage, auf die es aber keine eindeutige Antwort gibt. Sinnvoller ist es - das sagen auch Experten - auf den Entwicklungsstand des Kindes zu schauen. Klicksafe, eine EU-Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Online-Kompetenz der Menschen zu fördern, hat dazu im Ratgeber "Smart mobil?!" eine interessante Checkliste veröffentlicht. Weiß mein Kind, worauf man beim Umgang mit persönlichen Daten achten sollte? Kann es abschätzen, wann persönliche Informationen wie Telefonnummern, Adressen ohne Bedenken weitergegeben werden können und wann Vorsicht geboten ist? Wie schaut es mit dem Teilen von Fotos aus? Kann es Werbung erkennen? All das sind Fragen, die man mit dem Kind vor dem Kauf des Smartphones besprechen sollte.
Für Mütter und Väter wie du und ich: Julia Lörcks, Holger Brauer und Elke Kotthoff sprechen in regelmäßigen Abständen über die Probleme des Alltages mit Kindern und Jugendlichen.Julia Lörcks/Caritasverband Kleve e.V.
Viele Mütter und Väter - und da gehöre ich auch zu - erstellen sogenannte Handyregeln. Zudem gibt es Kinderschutzeinstellungen. Und doch muss ich immer wieder feststellen, dass es Dinge gibt, die ich vorher so noch nicht bedacht habe.
Elke Kotthoff Machen wir uns nichts vor. Jetzt können wir unseren Kindern noch das nötige Rüstzeug mit auf den Weg geben. Ein paar Jahre später, wenn sie in der Pubertät sind und alle möglichen Tricks und Tipps kennen, um gewisse Einstellungen zu umgehen, können wir nur darauf vertrauen, dass sie verantwortungsvoll handeln. Auch das ist wichtig: Eltern müssen wissen, dass Kinder und Jugendliche mit dem Smartphone nicht nur mehr Verantwortung erlernen, sondern auch übernehmen müssen. Deshalb halte ich auch fest vereinbarte Spielregeln - vor allem für Kinder, die ihr erstes Smartphone erhalten - für unabdingbar.
Welche Spielregeln könnten das sein?
Elke Kotthoff Zuerst einmal: Ein Handy sollte keine Beschäftigung sein. Kinder erhalten ein Smartphone, weil sie einen weiteren Schritt in ihrem Leben gehen. Sie werden selbstständiger, sie gehen mit der Zeit, sie wollen mit ihren Freunden kommunizieren. Neben all diesen smarten und spannenden Dingen kommen aber auch eine Reihe von Gefahren und Risiken hinzu. Denn mit dem Smartphone, das wissen wir alle, haben Kinder uneingeschränkten Zugang zum Internet. Und da sind nicht nur schöne Dinge drin. Einen kompletten Schutz gibt es zwar nicht, aber gerade am Anfang ist es ratsam, die technischen Kinder- und Jugendschutzmaßnahmen einzurichten. Und weil Kinder sich bei der Mediennutzung in der Regel nicht regulieren können, sollten auch feste Handyzeiten vereinbart werden. Wie viel Medienzeit gestatte ich meinem Kind pro Tag? Wann muss das Handy beiseitegelegt werden? Beim Thema "smartphonefreie Zeit" können Eltern auch Vorbild sein - zum Beispiel beim gemeinsamen Abendessen. Wichtig ist auch zu wissen, welche Inhalte auf dem Smartphone gespeichert werden dürfen und welche besser nicht. Eltern sind gut beraten, darüber immer und immer wieder mit ihren Kindern zu sprechen und sie dabei zu begleiten. Dazu gehört für mich auch ein gemeinsamer Blick ins Handy der Kinder.
Holger Brauer Wichtig ist, dass es dabei nicht ausschließlich um die Kontrolle, sondern vielmehr um das Interesse an der Mediennutzung der Kinder geht. Eltern und Kinder können sich in diesem Zusammenhang auch gegenseitig fit machen und zu "Experten" werden. Denn neben all den Gefahren bietet ein Smartphone natürlich auch viele Möglichkeiten und Chancen. Es ist mehr als nur ein Telefon mit Internet. Viele Kinder nutzen ihr Smartphone für kreative Dinge wie Fotobearbeitung, Filmproduktion, Geocaching, für die Vorbereitung von Referaten usw.
Ich möchte dennoch noch einmal auf die Gefahren zu sprechen kommen. Denn der Tag wird kommen, an dem mein Kind eine blöde Nachricht bekommt, es in der Klassengruppe so richtig rund geht oder sogar von Unbekannten angeschrieben wird. Was kann ich dann tun?
Elke Kotthoff Im Gespräch bleiben. Unsere Kinder müssen wissen, dass sie auch mit Problemen zu uns kommen können. Deshalb ist gerade die intensive Begleitung in der Anfangsphase sehr wichtig. Sie müssen wissen, dass sehr persönliche Fotos und Kommentare im Internet nichts verloren haben. Sie müssen wissen, dass hinter den meisten Nachrichten - auch wenn sie anonym versendet wurden - echte Menschen stehen. Ich habe die Wahl, das auszuhalten oder auch einmal eine Gruppe zu verlassen. Ich muss mir keine 200 Nachrichten anhören, die darauf abzielen einen bestimmten Jungen oder ein bestimmtes Mädchen fertig zu machen. Das würde ich im realen Leben auch nicht tun.
Julia Lörcks von der Stabsstelle Kommunikation & Medien der Caritas Kleve führte das Gespräch.
Wir für euch - die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien
Fragen zur Erziehung, zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, Beratung bei familiären Problemen oder Hilfe bei der Bewältigung von Trennung und Scheidung - die Caritas-Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien in Emmerich am Rhein, Goch und Kleve stehen allen Bürgern und Bürgerinnen des Kreises Kleve offen. Die Beratung ist kostenlos, Inhalt und Art der Gespräche sind vertraulich. Weitere Infos und Terminabsprachen unter Telefon 02821 7209-300 oder E-Mail eb-info@caritas-kleve.de.
[1] miniKIM-Studie 2023 Kleinkinder und Medien