Der Autor Robert Lucas Sanatanas Caritas / Christoph Grätz
"Habt doch nich so ´nen Schiss voreinander" sagt Robert Lucas Sanatanas und er meint die "drinnen" und die "draußen" sind, Menschen in vermeintlich geordneten Verhältnissen und Obdachlose. Er wirbt damit um einen ungezwungeneren Umgang miteinander. Der Autor, der selbst 16 Jahre auf der Straße gelebt hat, hat Menschen wie Yelly oder Friedrich in seinem Buch "Obdachlos" portraitiert. In seinem Buch geht es um Menschen, die Gegengeschichten zum Lebensentwurf der Mehrheit lebten. Notizen, die er während seiner Zeit als Wohnungsloser aufgezeichnet hatte, dienten ihm für seine nun literarische Aufarbeitung dieser Begegnungen.
Einfühlsam und witzig
Und die Lektüre lohnt. Wie einfühlsam und witzig beschreibt er die Menschen, die ihm wohl auch ans Herz gewachsen sind. Berührend die Geschichte von Yelly, die im Alter von 9 Jahren ihr Bein verloren hatte, dann in einem lieblosen Elternhaus aufwuchs, schließlich auf der Straße landete und als 35-jährige Obdachlose in einer Phantasiewelt lebt. Eine Frau deren Freunde und Begleiter weggeworfene Plüschfigürchen sind, mit denen sie Zwiesprache hält. Eine Gestrandete, die so der Realität entflieht und deren Gutmütigkeit schon fast schmerzt. Aber auch eine Frau, die mit glasklarem Blick heuchlerische Anteilnahme von "Sozialprofis" entlarvt. Oder die Geschichte von Rita, einer "Discountnutte", die letztendlich an der Piefigkeit der Gesellschaft und Härte der DDR-Staatsorgane gescheitert ist. Eine Frau, die das Herz am rechten Fleck hat und jeden Mittwoch zur verabredeten Zeit Obdachlosen ihre Dienste, und gegen zwei Euro extra, Handtuch und Dusche, anbietet. Anrührend und traurig ist die Geschichte vom verbitterten Friedrich, dem ehemaligen Bohemien, der mit seiner geliebten Eleonora ein kulturbeflissenes Leben führte, bis diese ihn schließlich ohne Abschiedsgruß verließ und mit einem anderen Mann durchbrannte. Der Anfang vom Ende.
Menschen nicht bevormunden und belehren
Sanatanas hat gestern im Medienforum des Bistums Essen aus seinem Buch gelesen. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es unter den Menschen auf der Straße alles gibt: Faszinierende Charaktere aber eben auch Niedertracht und die wirklich Gebrochenen, "Maschinen aus Fleisch". Sanatanas vermeidet Wertungen und hat keine Patentrezepte für den Umgang mit den Menschen, die nach seiner Ansicht zum Teil bewusst der Kultur - vielleicht besser dem Konsum und der Wegwerfgesellschaft - entfliehen. Aber er warnt vor Bevormundung und Belehrung. Begegnung hingegen sei möglich. "Es lässt sich immer ein kleinster gemeinsamer Nenner finden". Selbstversuche von wohlmeinenden Menschen, die sich für kurze Zeit in die Obdachlosigkeit light begäben, entlarvt er als PR-Gags. Sanatanas macht eine Überforderung durch nutzlose Informationen, "mentale Völlerei" mit dafür verantwortlich, dass viele Menschen auf der Straße landeten und aus diesem Teufelskreis auch nicht ausbrechen könnten. Er spricht bewundernd von der mentalen Disziplin, die Menschen auf der Straße aufbringen müssten, für ihn auch eine spirituelle Stärke. (ChG)
Das Buch "Obdachlos" ist im Herder Verlag erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 24,99 Euro.