Irgendwann zwischen 1960 und 1970: Irmtraud und ihre Freundin sind Schülerinnen, warten auf ihren Zug am Hauptbahnhof Hildesheim, der sie nach einem anstrengenden Schultag nach Hause bringen soll. Ihnen ist langweilig, sie haben Durst - und die Bahnhofsmission Hildesheim, damals noch auf Gleis 1, ist nicht weit. Dort werden sie freundlich empfangen, alle sind sympathisch. Für die Mädchen wird es zum Ritual in der Bahnhofsmission ihre Zeit zu überbrücken, bis ihr Zug kommt.
"Der schönen Erinnerungen halber"
Zeitsprung ins Jahr 2018: Irmtraud blickt auf ihr Berufsleben als Krankenhausapothekerin zurück und musste kürzlich ihren Vater beerdigen, um den sie sich zuvor lange gekümmert hatte. Sie braucht eine neue Aufgabe und wird auf eine Zeitungsannonce aufmerksam: Die Hildesheimer Bahnhofsmission sucht ehrenamtliche Helfer:innen. "Und hier bin ich. Der schönen Erinnerungen halber", sagt die 72-Jährige heute.
"Hier” ist zwischen Gleis 2 und 3 am Hildesheimer Hauptbahnhof. Die dortige Bahnhofsmission wird von einer Hauptamtlichen geleitet, sonst helfen nur Ehrenamtliche den Menschen vor Ort. Zur Bahnhofsmission kommen obdach- oder mittellose Menschen, die etwas zu trinken, zu essen oder einfach nur Gesellschaft brauchen. Manche von ihnen haben sich lange Zeit nicht waschen können, andere sind geistig beeinträchtigt. Doch das alles macht Renate nichts aus. Seit 2017 arbeitet sie ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission Hildesheim. Vor ihrem Ehrenamt hat sie beim Landessozialamt gearbeitet und sich um geistig behinderte Menschen gekümmert. Der Umgang mit den unterschiedlichsten Leuten liegt Renate nicht fern. "Wir behandeln alle gleich, egal, wer zu uns kommt", beteuert sie. Und die Dankbarkeit, die sie im Gegenzug zurückbekomme, sei das Schönste dabei. "Diejenigen, die nichts haben, bedanken sich mit Blümchen oder Pralinen. Weil sie froh sind, dass wir sie mit Namen ansprechen und nicht ignorieren", sagt Renate. Sie sei mit Herzblut dabei, sonst könne man dieses Amt auch nicht ausführen: "Das klingt jetzt total abgedroschen, aber wir können den Leuten hier ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wir geben den Ausgegrenzten der Gesellschaft die Wertschätzung, die sie draußen nicht empfangen."
"Es ist ein gutes Gefühl, jemandem zu helfen"
Wenn Andreas am Nachmittag die Bahnhofsmission Hildesheim betritt, strahlt er Ruhe aus. Er nimmt sich Zeit für die Gäste, begrüßt jede:n, unterhält sich und hört zu. Schwer vorstellbar, dass der 63-Jährige bis zu seinem Vorruhestand im Mai 2021 als Bilanzbuchhalter tätig war und nicht mit Menschen gearbeitet hat. Seit August 2021 ist Andreas Ehrenamtlicher bei der Hildesheimer Bahnhofsmission. "Ich wollte weg von den Zahlen, hin zu den Menschen. Interaktion, soziale Kontakte - es ist ein gutes Gefühl, jemandem zu helfen", erzählt Andreas. Zwei Mal die Woche für jeweils vier Stunden trägt er die blaue Weste mit dem roten Kreuz auf weiß-gelbem Grund. Nebenbei ist er noch in einem Hospizverein aktiv und bildet sich zum Trauerberater weiter.
Weitere Informationen:
Wer seine Zeit mit anderen teilen oder sie nutzen möchte, um Menschen zu helfen, kann das ehrenamtlich tun. Gegenwärtig werden in sieben Bistümern von 970 Organisationen insgesamt 2075 ehrenamtliche Projekte angeboten (Stand November 2021). Mit Hilfe des Online‑Ehrenamtsportals sind Ehrenamtsmöglichkeiten in der Nähe zu finden: www.caritas-ehrenamtsportal.de/
Aber auch Martin Weimann, Referent für Ehrenamt in der Armutsprävention, hilft gerne weiter. Er ist unter 05121/938‑214, 0151 62325172 oder per Mail an martin.weimann@caritas‑dicvhildesheim.de erreichbar.