Wöchentliche Hebammensprechstunde im Caritaszentrum auch in Pandemiezeiten: Hebamme Katrin Stellmacher-Prölß (links) im Gespräch mit einer jungen Mutter. Gleich wird die kleine Tochter gewogen.© Caritasverband Worms e. V., Georg Bruckmeir
Worms im April 2021. Ein Kind bekommen: Neben aller Freude bringt das für jede Frau und jedes Paar gewaltige Herausforderungen mit sich. Was aber, wenn die neue Lebenssituation zudem noch finanzielle Not auslöst oder verschärft? Wenn Alleinerziehenden ein familiäres Netzwerk und berufliche Sicherheit fehlen? Und was bedeutet es, wenn sich über all das noch der Schatten der Pandemie legt - mit geschlossenen Kitas, schwer erreichbaren Behörden und fehlenden persönlichen Kontakten, mit Kurzarbeit oder gar Kündigung?
Den Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftsberatung des Wormser Caritasverbandes war von Beginn der Coronakrise an klar: Gerade in dieser Situation wollten sie weiterhin persönlich für die Frauen und Familien da sein, die bei ihnen Rat und Hilfe suchen.
Eine junge Frau hat einen befristeten Arbeitsvertrag. Als sie schwanger wird, wird er nicht verlängert. Familie hat sie in Worms nicht. Mit dem Arbeitslosengeld kann sie sich und ihr Kind nach der Geburt kaum über Wasser halten. Zudem fühlt sie sich alleine und in manchen Situationen überfordert von ihrer neuen Rolle: Ihre kleine Tochter weint sehr viel und ist häufig krank. Dann wird ihr auch noch eine Mieterhöhung angekündigt und ihre Nerven liegen zunehmend blank...
Existenzängste und Einsamkeit - die Pandemie verschärft alle Probleme.
Die Fakten sind leicht verändert, doch mit solchen und ähnlichen Schicksalen haben die vier Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftsberatung des Caritasverbandes Worms es seit Jahren tagtäglich zu tun. Petra Steinbrede: "Bei den meisten geht es zunächst um Existenzsicherung. Fast die Hälfte unserer Ratsuchenden, sehr viele von ihnen alleinerziehend, sind auf Arbeitslosengeld II angewiesen; dazu kommen noch diejenigen, die zwar erwerbstätig sind, aber aufgrund ihres geringen Verdienstes Anspruch auf ergänzende Leistungen haben." Ihre Kollegin Margarete Köhler ergänzt: "Das war schon vor der Coronakrise so. Aber durch sie - das wissen wir alle - hat sich die wirtschaftliche Lage vieler Menschen sehr verschlechtert: Arbeitslosigkeit, Verlust des Minijobs, Kurzarbeit... das alles hat zugenommen und löst bei vielen akute Existenzängste aus."
Jeder, der es selbst erlebt hat, weiß, wie sehr solche Ängste an den Kräften zehren. Durch Corona sind viele Behörden für den Publikumsverkehr geschlossen oder schwerer erreichbar. Fragen zu Eltern- oder Arbeitslosengeld lassen sich - so die Erfahrung der Beraterinnen - kaum noch direkt mit Sachbearbeitern klären. Mit der Umstellung auf Digitalisierung oder telefonischen Service sind viele Ratsuchende überfordert. Tanja Sperling: "Das kann dazu führen, dass Familien monatelang auf Beträge warten müssen, die sie eigentlich dringend brauchen."
Zu existenziellen Ängsten und Fragen kommen häufig Einsamkeit und Isolation. Gerade Alleinerziehenden fehlt oft ein familiäres oder freundschaftliches Netzwerk. Hinzu kommt für viele die Schließung der Kitas und das Ausfallen von Deutschkursen. Und auch der Caritasverband musste natürlich seine von der Initiative des Bistums "Netzwerk Leben" unterstützten Gruppenangebote aussetzen. Margarete Köhler: "Vor Corona konnten Frauen und Paare bei unserem Familienfrühstück, dem Elternkurs oder in der Krabbelgruppe auftanken und leicht neue Kontakte knüpfen oder auch einfach mal hier im Infocafé der Kriemhildenstraße vorbeischauen; im Moment fehlt das alles."
Das persönliche Gespräch ist unentbehrlich.
All das, da ist sich das Team einig, mache es umso wichtiger, für die Menschen mit ihren dringlichen Fragen und Problemen möglichst schnell da zu sein - wenn irgend möglich im direkten persönlichen Gespräch. Im letzten Jahr suchten 298 Frauen die Beratungsstelle auf, etwas mehr als im Vorjahr mit 283. "Dass wir dies immer zügig ermöglicht haben und den Menschen das Gefühl geben, willkommen zu sein, hat das Vertrauen in uns gestärkt." Immer durchgeführt habe man auch die ambulante Hebammensprechstunde mit der Hebamme Kathrin Stellmacher - Prölß. Tanja Sperling: "Diese Hilfe ist so wichtig für alle Mütter, die vor und während der Geburt ihres Kindes keine Betreuung durch eine Hebamme hatten!"
Enger Wohnraum
Existenzängste und Einsamkeit verzahnen sich mit weiteren Problemen: Bei vielen liegen aufgrund ihres engen Wohnraums und der Schließung der Schulen und Kitas die Nerven blank. Verena Straßmeier: "Eine alleinerziehende Mutter, die mit ihrem kleinen Sohn zeitweise noch nicht einmal mehr auf den Spielplatz kann, wird dann schon mal ungeduldiger und lauter, als sie eigentlich will und hat dann deswegen womöglich auch noch heftige Schuldgefühle und Selbstzweifel." Aber wie können Caritas-Beraterinnen - ob telefonisch oder persönlich - einer Mutter in solch einer Situation überhaupt helfen? "Erstmal", so Verena Straßmeier, "hilft es den meisten sehr, wenn ihnen überhaupt mal jemand zuhört, sie ernst nimmt und ihnen sagt, dass es gerade vielen genauso geht. Das sagen uns Frauen immer wieder. Und wir können Tipps zur Strukturierung des Tages geben; auch dazu, was man mit Kindern draußen tun und wie man sie einfach mal eine Viertelstunde beschäftigen kann - was der Mutter zumindest eine kurze Verschnaufpause gibt."
Zu wenige Betreuungsplätze in Kitas
Die öffentliche Diskussion um Kitaschließungen in der Pandemie verdeckt, so Verena Straßmeier, im Übrigen ein anderes Problem: Es gibt ohnehin bei uns immer noch zu wenige Betreuungsplätze in Kitas. "Das erschwert die berufliche und finanzielle Situation vieler Frauen massiv: Eine junge alleinerziehende Mutter hatte zum Beispiel mit ihrem Arbeitgeber ausgemacht, nach zwei Jahren Elternzeit wieder bei ihm anzufangen - und dann bekam ihr Kind keinen Betreuungsplatz und sie konnte die Absprache nicht einhalten." Und selbst, wenn das Kind in die Kita kann - was, wenn die Mutter bis 22 Uhr im Supermarkt Dienst hat?
Entbinden und verschulden - wenn Frauen nicht krankenversichert sind
Ein weiteres Thema brennt dem Team unter den Nägeln: Zunehmend kommen Frauen in die Schwangerschaftsberatung, die nicht krankenversichert sind. Auch das ist ein langfristiger Trend, den die Pandemie verstärkt, weil durch sie Jobs wegfallen, die sonst Krankenversicherung ermöglichen. Tanja Sperling: "Die Folgen können bei Schwangerschaft und Entbindung dramatisch sein. Da kommen - je nach Verlauf der Geburt - schnell Rechnungen über mehrere Tausend Euro auf die Frauen zu, die ja ohnehin meist in einer finanziell schwierigen Lage sind." Immer bedeute ein solcher Schuldenbetrag auch eine immense psychische Belastung.
Enge Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen des Caritasverbandes
Bei der Klärung von Versicherungsansprüchen hilft zukünftig eine neue Clearingstelle im Gesundheitsladen des Caritasverbandes. Tanja Sperling: "Beim Thema Krankenversicherung sind wir - wie bei anderen Themen auch - sehr froh um die enge Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen. Sie hilft uns ungemein beim Finden von Lösungen für all die verschiedenen Anliegen, mit denen Frauen zu uns kommen."
Weitere Informationen
Die Katholische Beratungsstelle für Frauen in Schwangerschaft und Notsituationen ist erreichbar im CaritasCentrumSt.Vinzenz, Kriemhildenstr. 6, Worms, telefonisch 06241 2681-23, E-Mail schwangerschaftsberatung@caritas-worms.de. Bundesweit gibt es ein Online-Beratungsangebot der Caritasverbände: www.caritas.de