Augsburg, 18.07.2018 (pca). Vor 50 Jahren verließen handgemachte Bürsten, Kerzen und kleinere Basteleien für Basare die erste Werkstatt der Caritas für Menschen mit Behinderungen am Caritasweg in Augsburg. Damals hieß sie noch „Beschützende Werkstatt“. „Heute sind wir ein moderner Dienstleister und verlängerte Werkbank der Industrie und konkurrieren mit anderen Unternehmen auf dem Markt“, sagt Thomas Hampp und beschreibt damit den tiefgreifenden Wandel der Arbeit in den „Werkstätten für Menschen mit Behinderungen“.
Hampp leitet die Hauptwerkstätte der Ulrichswerkstätten Augsburg (UWA) der Caritas am Hanreiweg 9. Galt es vor über 50 Jahren noch die Eltern zu überzeugen, dass auch Menschen mit Behinderung Anteil an einer geregelten Arbeit haben können, ist es heute eine Selbstverständlichkeit. Und es gibt inzwischen Außenarbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt sowie Projekte, die Menschen mit Behinderung dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt bringen. „Früher hatten wir die Rolle des Betreuers, der wusste, was gut für den Menschen mit Behinderung ist, heute sind wir Kollegen und Assistenten, damit unsere Beschäftigten verstärkt selbstbestimmt ihr Arbeitsleben gestalten können. Damals bestimmte der Versorgungsgedanke unsere Arbeit, heute prägt die Chance der Inklusion und Selbstbestimmung unsere alltägliche Arbeit“, so Hampp weiter. Die Arbeitsplätze wurden immer mehr den individuellen Bedürfnissen angepasst.
In den 1970er Jahren wurde die Werkstätte am Hanreiweg aufgebaut. 1979 kam die UWA in Aichach dazu, 1985 die in Schwabmünchen, 2002 die UWA in Augsburg-Hochfeld. Derzeit zählen die Ulrichswerkstätten Augsburg und die Albertus-Magnus Werkstätten in Günzburg insgesamt 2.670 Beschäftigte mit Behinderungen und 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon allein am Hanreiweg 9 in Augsburg fast 640 Beschäftigte und 169 MitarbeiterInnen.
Am Freitag, 20. Juli 2018, feiert die Ulrichswerkstätte Augsburg ihr Jubiläum mit einem Festgottesdienst mit Augsburgs Diözesanbischof Dr. Konrad Zdarsa. Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg wird an seiner Seite stehen. Die Ulrichswerkstätten Augsburg, heute sind es mit Hochfeld, Schwabmünchen und Aichach ingesamt vier - gehören zur Caritas. Vor 20 Jahren hatte der Diözesan-Caritasverband entschieden, die Behinderten- und Altenhilfe in einer eigenständigen gemeinnützigen GmbH mit zwei Geschäftsführungen – je eine für die Behindertenhilfe bzw. die Altenhilfe - zusammenzufassen. Es entstand die CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH. Die Eigenständigkeit gab beiden Bereichen Flügel zur Weiterentwicklung. Waren es vor 20 Jahren acht Altenheime, so sind es heute 14 an der Zahl. Wer die modern ausgestatteten Ulrichswerkstätten besucht, merkt auch hier sofort, wie gut es für sie war, eine eigenständige Geschäftsführung zu haben.
Am Samstag, 21. Juli 2018, lädt die Ulrichswerkstätte Augsburg am Hanreiweg 9 zum Tag der offenen Tür ein. Werkstattführungen werden angeboten. Vier CNC-Maschinen zur Metallbearbeitung, ein Bearbeitungszentrum und Drehmaschinen, Fräs-, Dreh- und Bohrmaschinen, der Montagebereich, eine große Wäscherei und Reinigung, die für mehrere Seniorenzentren und Hotels arbeitet wie auch für Privatpersonen, die große Abteilung für Garten- und Landschaftspflege, die Gärtnerei, die ihre Produkte unter dem Namen „Carotte“ in einem großen Geschäftsraum zum Verkauf anbieten und der Förderstättenbereich für Mensch mit schweren Behinderungen – darunter auch Menschen, die durch einen Unfall ein Schädelhirntrauma erlitten - all das kann der Besucher kennenlernen. Und gleichzeitig werden sich die verschiedenen Berufe vorstellen, die heute eine Werkstatt für behinderte Menschen benötigt, um ihre Herausforderungen heute unter den gesetzlichen Vorgaben sowie als Unternehmen meistern zu können. Darunter finden sich nicht nur Heilerziehungspfleger, Arbeitserzieher und Erzieher, sondern auch die verschiedenen handwerklichen Berufe wie Metaller, Elektriker, Textilreiniger, Hauswirtschafter und Gärtner.
Die Arbeitswelt bei der UWA
Einen Arbeitsplatz zu haben, das ist für jeden Menschen wichtig. So auch für den Augsburger Rolf Keller,
der heute 56 Jahre alt ist. Sein Vater und seine Oma, so erinnert er sich, haben ihn von Anfang unterstützt und seine Eigenständigkeit gefördert. Seit 1979 arbeitet er für die Ulrichswerkstätte Augsburg. „Ich war immer in der Montageabteilung“, sagt er und bereut keine Minute. „Es ist ein schönes Arbeiten hier, man hat, was man braucht.“ Und er kenne hier viele Leute. Nicht zur Arbeit zu gehen, das kommt – bei allen Freiheiten, die er inzwischen sich erworben hat – nicht in Frage. „Arbeiten muss schon sein, damit Geld aufs Konto kommt“, betont er.
Noch viel länger als Keller arbeitet Wolfang Sammüller für die UWA. Er ist 60 Jahre alt und schon 42
Jahre dabei. Er hat verschiedene Arbeitsstellen bekleidet. Er war schon in der Montage-, dann in der Metallgruppe, bevor er zur Wäscherei wechselte. Menschen mit Behinderungen dürfen eigentlich schon nach 20 Arbeitsjahren in die Rente gehen. Das wollte Sammüller nicht. Er schätzt das Arbeitsklima in seiner Abteilung. Und in die Rente will er erst mit 64 oder 65 Jahren gehen. „Ich arbeite gerne hier.“ Fit hält er sich durch Sport bei der VSG Haunstetten-Königsbrunn, dem integrativen Sportverein für Menschen mit oder ohne Behinderung. Auch zum Schwimmen geht er und macht darüber hinaus auch Kneipp-Übungen. Ähnlich geht es der 59-jährigen Rita Schneller. „Es macht mir Spaß und ich freue mich auf die Arbeit. Was würde ich sonst machen, wenn ich den ganzen Tag zuhause wäre?“
Florian Reinschlüssel ist erst 27 Jahre alt und hat ein langes Arbeitsleben noch vor sich. Er gehört zu den Frohnaturen und arbeitet in einer Montagegruppe. „Ich find’s einfach wunderschön hier, es macht mir
Spaß“, sagt er. „Ich habe etwas zu arbeiten. Nur zuhause wird es mir langweilig. Wenn man viel zu tun hat, hat man auch Bewegung“, ergänzt er. Mit seiner fröhlichen Arbeit steckt er die anderen an. „Ich helfe den anderen auch gerne.“ Die Arbeit genügt ihm allerdings nicht ganz. Er ist Teil der Fußballmannschaft, einer Sportneigungsgruppe der UWA Augsburg, unter Leitung des Sportpädagogen Christian Küster. Schneller, Reinschlüssel, Keller und Samüller – sie freuen sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen auf den Besuch des Augsburger Bischofs und den Tag der offenen Tür. Damit die Besucher die Arbeitsplätze wirklich kennen lernen können, werden sie alle am Samstag an ihrem Arbeitsplatz sein und arbeiten.
Das gilt auch für Siegfried Beilig, Textilreinigungsmeister und Leiter der Wäscherei und Reinigung. Er arbeitet in der UWA schon 25 Jahre lang und hat bis heute keinen Tag bereut. „Wir sind hier eine Familie“, schwärmt er, „denn wir alle, Beschäftigte und Mitarbeiter begegnen uns auf Augenhöhe.“ Wenn er am Morgen zur Arbeit komme, „da geht’s einem mit jeder Begegnung besser.“ Die UWA, „die erfüllt mich, hier weiß, dass ich gebraucht werde.“ Seine junge Kollegin und Gruppenleiterin einer Leichtmontagegruppe, Sabine Pfeil, pflichtet ihm bei. „Ich schätze hier meinen lebendigen Arbeitsalltag. Er birgt so viel Abwechslung in sich. „
Die wichtigsten Eckdaten der UWA Augsburg:
- Ulrichswerkstätte Augsburg am Hanreiweg 9, Augsburg:
Insgesamt 640 Beschäftigte, davon 85 Menschen mit Schwerstmehrfachbehinderung in der Förderstätte und 44 Bildungsteilnehmer im Berufsbildungsbereich. - Die größten Kunden: Washtec, BMK, Dr. Grandel, CAB-Altenhilfe, UPM.
- Die wichtigsten Kooperationspartner beim Thema Inklusion: KUKA, IKEA, RENK, Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V.
Die Werkstätten der CAB Caritas-Augsburg Betriebsträger gGmbH – Ressort Behindertenhilfe:
- Die Werkstätten der CAB, d.h. die Ulrichswerkstätten Augsburg am Hanreiweg in Augsburg, Augsburg-Hochfeld, Schwabmünchen und Aichach und die Außenstelle „St. Franzsikus“ in Mering haben derzeit 2.670 Beschäftigte mit Behinderungen und 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Mitarbeiter in dem Wohnbereich sind hier nicht mit enthalten.
- Zur CAB – Behindertenhilfe gehören des Weiteren Wohnheime und betreute Wohnangebote, weitere Förderstätten und Montagebereiche, der Fachbereich Unterstützte Kommunikation, das Kompetenzzentrum Leichte Sprache, das Café Am Milchberg und das Café Samocca.