Unabhängig von spezifischen Diensten und Einrichtungen in der Behindertenhilfe
Friedberg, 25.07.2023 (pca). Anna L. und ihr Mann sind etwas ratlos. Ihr Sohn (15) hat eine Lernbehinderung und eine leichte spastische Lähmung. "Gibt es für ihn eine Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen? Wenn ja, wie kommt er dorthin? Er kann das nicht allein!" Sevde Baslik sind diese Sorgen nicht unbekannt. Jeden Tag spricht sie mit Menschen, die Hilfe und Unterstützung benötigen, weil sie eine Einschränkung oder eine Behinderung haben. "Das Gute ist, dass ich in den meisten Fällen helfen, neue Wege und Möglichkeiten aufzeigen kann", sagt Baslik. Sie arbeitet als Beraterin beim Caritasverband für den Landkreis Aichach-Friedberg e. V. für die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) in Friedberg. Ihr Zuständigkeitsbereich: Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen wie auch Lernbehinderungen.
Behindert, so das gesetzliche Verständnis nach der UN- Behindertenrechtskonvention, ist man nicht durch seine Behinderung, sondern durch die Barrieren, die in der Gesellschaft bestehen und die die Teilhabe der betreffenden Person behindern. Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedroht haben ein Selbstbestimmungsrecht, auch im Hinblick auf die Hilfen, die sie für sich wünschen bzw. nötig erachten. Als die EUTB 2018 ins Leben gerufen wurde, hatte der Gesetzgeber ihnen ins Buch geschrieben, nicht nur unabhängig von der Art einer Behinderung, sondern auch unabhängig von spezifischen Diensten und Einrichtungen in der Behindertenhilfe zu beraten. Es sollte keine Eigeninteressen im Raum stehen und so eventuell das Selbstbestimmungsrecht unterlaufen.
"Das ist in der Tat die Stärke unserer EUTB-Beratungsstelle", sagt Baslik. "Es macht auch meine Arbeit so spannend und vielfältig."
Baslik selbst hat Hörgeschädigten-Pädagogik studiert und sich in ihrer Ausbildung auf Gehörlose spezialisiert. Doch ihr Beratungsalltag hat nur in wenigen Fällen mit ihrer Ausbildung zu tun. Eltern kamen schon zu ihr, weil ihre Zwillinge eine Autismusspektrumsstörung haben. Geflüchtete suchten sie auf, weil sie nicht wussten, wo sie den Behindertenausweis für behinderte Angehörige bzw. Kinder beantragen können. Wo muss ich wie welche Anträge stellen? Erwachsene mit Behinderungen hatten Probleme mit Entscheidungen des Kostenträgers für die von ihnen beantragte Alltagsassistenz. Eine alte Frau konnte nicht mehr gehen und war auf den Rollstuhl angewiesen. Sie hatte keinerlei Hilfen. Die Stufe zum Balkon war zu hoch, um mit dem Rollstuhl herauszufahren. Auch die Treppe zum Erdgeschoß war für sie ein unüberwindbares Hindernis.
"Die meisten kennen sich im Hilfesystem eigentlich recht gut aus", sagt Baslik. "Das zeigt uns, dass Menschen mit Behinderungen gelernt haben, auch sich selbst um ihre Rechte und Teilhabemöglichkeiten zu kümmern." Die andere Frage sei allerdings, "wie sie an diese Hilfen kommen". Da gebe es manchmal ganz praktische Barrieren. So hilft Baslik beim Schreiben und Ausfüllen von Formularen. Gilt es, bei Behörden oder anderen Dienststellen persönlich vorzusprechen, ist sie oft dabei. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Anträge auf einen Platz im Ambulant Betreuten Wohnen, auf Arbeitsassistenz und bzw. oder auf Alltagsassistenz keineswegs einfach zu stellen sind."
Die Themen, die die Hilfe- und Beratungssuchenden ihr vortragen, sind in der Tat sehr vielfältig: Antrag auf medizinische Reha, Krankengeld, Arbeitslosengeld, Grundsicherung, Erwerbsminderungsrente, Wiedereinstieg in das Arbeitsleben, Haushaltshilfen, Landespflegegeld, Wohnberechtigungen, sozialpsychiatrisches Hilfesystem, Integration und Flüchtlingsrecht, Arbeitsrechte und Kündigungsschutz zum Beispiel.
"Bei uns schlägt das ganze Leben auf, nur mit der Besonderheit, dass Menschen mit einer Behinderung oder einer drohenden Behinderung unterschiedlicher Art dahinter stehen", so Baslik. Erfolg kann sie nur haben, weil die EUTB neben der Beratung, Begleitung und Unterstützung ein zweites Standbein hat. Das ist das Netzwerk mit den anderen, auch spezifischen Diensten und Stellen in der Behindertenhilfe und mit Kostenträgern, Behörden und Stiftungen. "Das ist das Gute an unserer Beratung", betont Baslik. "Ich kann Hilfen und verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten vermitteln. Ich kann mithelfen, dass sie die Unterstützungen erhalten, die sie für sich wünschen und die ihnen auch zustehen." Das könne wie bei der älteren Dame im Rollstuhl verschiedene Hilfen aus verschiedener Hand sein. Baslik half ihr einen Antrag auf das Landespflegegeld zu stellen, kümmerte sich um eine "Mobilitätshilfe" vom Bezirk Schwaben und um eine Haushaltshilfe.
Die EUTB-Beraterin der Caritas in Friedberg legt Wert darauf, dass all diese Hilfen und Unterstützungen für Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen ein selbstverständlicher Rechtsanspruch in einer teilhabegerechten und sozialen Gesellschaft sind. "Es gibt viele Hilfen. Man muss wissen, welche es gibt und an wen man sich wenden muss." Das erzählt sie auch an Info-Tagen der Berufsschule für lernbehinderte Schüler*innen. Sie sollen wissen, welche Rechte sie haben, auch dass es ein Gleichstellungsgesetz in Bayern gibt, welche besonderen Arbeitsrechte für sie gelten und dass sie einen besonderen Kündigungsschutz haben.
Informationen weiterzugeben, ist für Baslik ein täglicher Bestandteil ihrer Arbeit. "Darin erfüllt sich auch ein wichtiger Auftrag der EUTB, nämlich der Prävention." Wer die Hilfen erfahre, die er benötige, erhält die Chance auf eine Besserung seiner Lebenssituation. Nichts zu tun, verschlimmere sie nur. Und wer rechtzeitig lerne, welche Rechte und welche Hilfen und Möglichkeiten es für sie gibt, lerne rechtzeitig, z. B. die Hilfen beim Wohn- und Sozialamt und des Sozialpsychiatrischen Dienstes in den Blick zu nehmen und wie der Integrationsfachdienst auf dem Weg ins Arbeitsleben helfen kann. "So schafft die EUTB wichtige Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und teilhabegerechtes Leben auch von Menschen mit Behinderungen, egal welcher Art. Und das ist eine gute und schöne Aufgabe", sagt die EUTB-Beraterin Baslik.
Kontakt:
EUTB-Beraterin
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E-Mail sevde.baslik@caritas-aichach-friedberg.de
Internet www.caritas-aichach-friedberg.de