Eigentlich sollte ein Berater für maximal 150 Klienten zuständig sein. „Bei meinen Mitarbeitern sind es aktuell zwischen 450 und 500“, berichtete Wolfgang D. Friedel, Leiter des Referates Migration und Auslandshilfe des Diözesan-Caritasverbandes, bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Auswirkungen der aktuellen Flüchtlingspolitik auf die Bevölkerung in Augsburg“, zu der die Bürgervereinigung Christlich Soziale Mitte (CSM) ins diako eingeladen hatte. Die bisherige Betreuungsintensität sei unter diesen Umständen nicht mehr zu gewährleisten, so Friedel weiter.
Die Stellen für Asylsozialberatung werden nur zur Hälfte vom Freistaat refinanziert. Die restlichen 50 Prozent müssen Träger wie die Caritas aus Eigenmitteln und Spenden aufwenden. „Hier muss der Freistaat nachlegen“, forderte Friedel. In die Asylsozialberatung, die üblicherweise ein Büro in den Gemeinschaftsunterkünften unterhält, kommen Menschen mit Fragen des alltäglichen Lebens. Bei vielen geht es um den Aufenthaltsstatus, aber auch nicht beglichene Rechnungen an Schlepper seien ein großes Thema. Viele berichten von ihrer langen Flucht, manche sind traumatisiert. Speziell für diese Flüchtlinge betreibt die Caritas gemeinsam mit dem Diakonischen Werk Augsburg und der Regierung von Schwaben das so genannte HIFF-Projekt (Hilfsnetzwerk für Flüchtlinge).
Auf dem Podium saßen neben Friedel und Kiefer auch Jürgen Ascherl von der Polizeigewerkschaft, Fritz Schmidt, Vorstand der Augsburger Tafel und Kinan Salameh. Der 20-Jährige, der im vergangenen Jahr für die CSM bei der Kommunalwahl kandidierte, ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, hat aber syrische Wurzeln. Von arabischsprachigen Freunden auf Facebook wisse er, dass die Bundeskanzlerin in Syrien wegen ihrer liberalen Flüchtlingspolitik als „Mama Merkel“ verehrt werde. Dennoch sei für viele, die voller Euphorie nach Deutschland gekommen sind, der größte Wunsch, in die Heimat zurückzukehren und dort zu leben, „wie sie vorher gelebt haben“.
Bei vielen jungen Flüchtlingen sei die Leistungsbereitschaft hoch, so Friedel. „Sie wollen hier ein Handwerk erlernen und etwas mitnehmen, falls sie zurückgehen.“ Die Integration älterer Zuwanderer in den Arbeitsmarkt sieht er dagegen als große Herausforderung. Als Beispiel nannte er den Versuch der Caritas im Allgäu, Flüchtlinge auf Baustellen in Arbeit zu vermitteln. „Den Versuch haben wir nach wenigen Wochen abgebrochen“, so Friedel. Der Grund: Der frühe Arbeitsbeginn und das andere Arbeitstempo in Deutschland hätten die Männer überfordert. Auch Kinan Salameh kennt die kulturellen Unterschiede aus eigener Erfahrung: „Wenn ich meinen Eltern sage, ich komme um 10 Uhr, fragen sie: arabische Uhr oder deutsche Uhr?“
Fluchtbewegungen hat es laut Friedel schon immer gegeben. Allerdings sei es leichter gewesen, z.B. Bosnier zu integrieren, da die kulturellen Unterschiede nicht so groß waren wie bei Syrern. Und er stellt sich weiterhin auf hohe Zahlen an Zuwanderern ein: „Was wir jetzt erleben, ist erst das Vorspiel.“