Frauen mit Behinderung werden gestärkt für ihre Rolle als Frauenbeauftragte
Augsburg, 06.12.2018 (pca). Kein Mensch darf schlechter behandelt werden als ein anderer. Jeder Mensch ist gleich wichtig und hat die gleichen Rechte. So besagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es gilt für alle ohne Unterschied, unabhängig von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung oder Religion bzw. Weltanschauung. Die Wirklichkeit sieht bekanntlich anders aus. Frauen mit Behinderung. erfahren sehr oft eine doppelte Benachteiligung als „behindert“ und als Frauen in ihrem sozialen Umfeld, aber auch in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.
Die neue Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) sieht seit dem 1. Januar 2018 deshalb aus gutem Grund Frauenbeauftragte in den Werkstätten vor. Sie sind inzwischen auch gewählt. Damit sie ihr Amt gut ausüben können, bildet nun die CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH die gewählten Frauenbeauftragten fort.
21 Tage sind für die Fortbildung vorgesehen. Die Hälfte der Tage haben die acht Frauen schon hinter sich. Sie kommen nicht nur aus den Ulrichswerkstätten der CAB. Es nehmen auch Frauen von der Lebenshilfe Ingolstadt, der Integrativen Werkstatt Landsberg (IWL) und den Wertachtal-Werkstätten Kaufbeuren teil. Sie werden informiert, welche Rechte und auch Ansprüche sie als Frauenbeauftragte in den Werkstätten haben. Sie lernen aber auch die Gesetze kennen, die ihnen zur Seite stehen, um ihren Auftrag erfüllen zu können. Externe Fachleute wurden deshalb eingeladen. Sie kommen von den kommunalen Beratungsstellen wie z.B. der Gleichstellungsstelle der Stadt Augsburg, der Organisation Wildwasser, die sich für Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen einsetzt, von Frauenhäusern, der Polizei wie auch Rechtsberatungsstellen. Als „Trainerinnen“ kümmern sich Christine Borucker, die Leitung des Fachzentrums Leichte Sprache der CAB, sowie Patrizia Masch, Beschäftigte der Ulrichswerkstätten der CAB am Hanreiweg in Augsburg, um die Organisation und Begleitung der Fortbildungsmaßnahmen. Doch die jetzige Fortbildung ist nur ein Einstieg. In jeder Amtsperiode haben die Frauenbeauftragten Anspruch auf Fortbildung.
Dass es um keineswegs nur um ein Aushängeschild geht, das den gesetzlichen Vorgaben geschuldet ist, darauf macht Borucker aufmerksam. In ihren Augen haben die Frauenbeauftragten „ein großes Amt“ übernommen. Sie haben das Recht auf regelmäßige Besprechungen mit der Werkstattleitung haben. Diese sollte in der Regel einmal monatlich stattfinden, aber auch immer dann, wenn es die Frauenbeauftragte oder die Werkstattleitung es für nötig erachten. Zudem haben einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz mit Computer und Telefon.
„Ein großes Amt“ ist es bei den Ulrichswerkstätten auch, weil dort mehrere Hundert Frauen arbeiten. Die Frauen müssen sensibilisiert und gestärkt werden, denn auch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung gibt es Benachteiligung und Belästigung gegenüber Frauen. Boruckers Trainer-Kollegin Patrizia Masch kann ein Lied davon singen. Sie hat seit ihrer Geburt eine körperliche Einschränkung. Sie ist für Gleichberechtigung und setzt sich dafür auch schon immer für andere ein. Aus eigener Erfahrung weiß sie „Frauen werden benachteiligt.“
Dass Gewalt und Belästigung stattfinden, Frauen deshalb auch von Angst davor gepeinigt sind, „das ist leider bittere Realität“. Es ist Lisa Kühn, die das sagt. Sie weiß, um was es geht. Sie arbeitet als Juristin für die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe und für das Netzwerk Frauen in Bayern. Die Statistik belege, dass Frauen mit Behinderung öfter Gewalt ausgesetzt sind als Frauen ohne Behinderung.
Die Juristin freut sich aus gutem Grund mit den beiden Trainerinnen über das neue Amt der Frauenbeauftragten. Die acht Teilnehmerinnen würden eine „enorm wichtige Aufgabe“ erfüllen. Wenn Betroffene anderen betroffenen Frauen helfen, entstehe ein wichtiger persönlicher, aber auch gesellschaftlicher Entwicklungsprozess. Man lerne, sich selbst helfen zu können. „Und das ist ein großer Schritt und eine große Tat der Selbstbestimmung“, betont Kühn. „Es ist wirklich Zeit, dass auch Frauen mit Behinderungen diesen Schritt tun.“
Damit die Frauenbeauftragten in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen anderen helfen können, brauchen sie gewisse Grundkenntnisse. Zum Beispiel vom „Gewalt-Schutz-Gesetz“, wie das Gesetz zum Schutz vor Gewalt in der Leichten Sprache heißt. Darin geht es nicht nur um ausgeübte körperliche und verbale Gewalt, sondern es heißt darin auch, dass man niemandem Angst machen darf. Niemand dürfe eine Frauenbeauftragte einschüchtern und ihr Angst machen, nur weil sie sich für Rechte von Frauen einsetze. Auf jeden Fall dürfe man nicht schweigen, wenn gegen eine Frau, ob ohne oder mit Behinderung, Gewalt ausgeübt werde. Wenn Rechte verletzt werden, könne man sich im schlimmsten Fall an die Polizei wenden. Dort gebe es speziell geschulte Polizistinnen für Frauen. Kühn erzählte auch, wie ein Prozessverfahren aussieht, welche Rolle ein Beweis darin spiele.
Trainerin Patrizia Masch betont, wie wichtig es ist, sich einzumischen. „Wenn man ein bisschen Menschenkenntnis hat, weiß, was recht und unrecht ist, dann weiß man auch, wie weit der andere gehen kann und was ich dagegen tun kann.“ Entscheidend ist für sie: „Schaut nicht weg!“ Diesen Gedanken unterstützt auch die Juristin Kühn: „Seien Sie kritisch, wenn Sie das Gefühl haben, das etwas nicht stimmt.“