Zwar gibt es sie schon seit dem August vergangenen Jahres, doch erst jetzt ist das Team aus Sozialpädagoginnen und Suchttherapeutinnen vollständig. So konnte der Caritasverband nunmehr am Dienstag zusammen mit dem Team und Ehrengästen, darunter der Bürgermeister, die Einweihung ihres Dienstes für suchtkranke Menschen und deren Angehörigen feiern. Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg war gekommen, um den Segen Gottes den Mitarbeiterinnen wie auch allen Klienten zu spenden, „die hier ein und ausgehen“.
Vor gut zehn Jahren befand sich in der Tigaustraße 1 in Marktoberdorf noch eine Spielothek. Für den Marktoberdorfer Bürgermeister ist die Errichtung der Caritas-Suchtfachambulanz „ein guter Tausch“. Sucht beziehe sich ja nicht nur auf Alkohol und Drogen, sondern auch auf Glücksspiele bis hin zur Computerspielsucht. Zwei der ersten Klienten von Ulrike Pahl, der Leiterin der Suchtfachambulanz, hatten schon eingestanden, die Spielothek von früher zu kennen. Heute befinden sich im gleichen Haus Ärzte und Psychotherapeuten. „Niemandem wird angesehen, wohin er geht, wenn er das Haus betritt“, so Pahl. Auch wenn eine Klientin oder ein Klient die Räume der Suchtfachambulanz betritt, wird er am Empfang wie in einer Arztpraxis begrüßt. Für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Ostallgäu freut sich Pahl mit ihrem Team. „Die Suchtfachambulanz hat eine gute, zentrale Lage und ist nicht weit weg vom Bahnhof.“
Bis 2017 war Marktoberdorf und der Landkreis Ostallgäu von der Suchtfachambulanz Kaufbeuren mitversorgt worden. Menschen mit einer Suchtkrankheit mussten deshalb dorthin oder zu der Außenstelle der Suchtfachambulanz in Füssen fahren. „Wir spürten damals, dass die Menschen im Landkreis eigentlich eine wohnortnähere Anlaufstelle bräuchten“, so Pahl im Gespräch. Das hat der Bezirk Schwaben offensichtlich auch so gesehen. Dieser hat seit Jahren den Ausbau der flächendeckenden Versorgung betroffener Bürgerinnen und Bürger durch Suchtfachambulanzen vorangetrieben. Er trägt auch den Großteil der Kosten der Suchtfachambulanz.
Soziale und berufliche Probleme, Gesundheitsschäden, Beziehungskonflikte, körperliche Verletzungen und Unfälle sowie Konflikte mit dem Gesetz und der Justiz können die Folgen einer Suchterkrankung bzw. Suchtabhängigkeit sein. Und das unabhängig vom Suchtmittel, die vom Alkohol über illegale Drogen, Tabak, Medikamenten, Essstörungen, Glücksspiel, Medien- und Computerspielsucht reichen. Wie wichtig das Beratungsangebot der Suchtfachambulanz sei, das war Bürgermeister Dr. Hell wichtig eigens hervorzuheben. In seiner Zeit als kurativer Mediziner in einer Klinik habe er suchtkranke Menschen mit einer schweren Leberzirrhose behandelt. „Das ist schlimm, was mit diesen Menschen passiert. Ganz schlimm ist es aber, was dabei mit dem Partner, der Familie, den Arbeitskollegen und der ganzen sozialen Umgebung tut.“ Er wünscht sich deshalb, dass Angehörige, Arbeitgeber und die Gesellschaft nicht einfach zuschaue, sondern entschlossen handele.
Dr. med. Dipl. Psych. Wolfgang Krahl, der schon seit 20 Jahren das Team der Suchtfachambulanz Kaufbeuren und damit auch die frühere Außenstelle in Marktoberdorf als Reha-Arzt und als Suchtmediziner stärkt, verwies in seinem Vortrag über die schweren und tödlichen Folgen der Suchtabhängigkeit. Er sprach in seinem Festvortrag über die „i-nez-Stiftung“, die vor allem in Afrika hilft, die Arbeit der Suchthilfen dort zu unterstützen und zu vernetzen. Jüngste Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Afrika über die sogenannten krankheitsbereinigten Lebensjahre hätten gezeigt, Menschen mit einer neuropsychiatrischen Erkrankung (depressive Erkrankungen und Suchterkrankungen z.B. ) durchschnittlich um 12,3 Jahre kürzer leben als der Durchschnitt. 13,8 Prozent aller dieser Erkrankungen seien auf eine Suchterkrankung zurückzuführen. Dr. Krahl zeigte sich dankbar für diese Untersuchungen, denn dadurch seien einigen Verantwortlichen die Augen aufgegangen.
„Suchtabhängige Menschen treffen in der Tigaustraße 1 auf die richtigen Menschen, die ihnen helfen können“, sagte der Augsburger Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg in seinem Impuls zur Segensfeier. Was das Team der Suchtfachambulanz dabei leisten kann, das zeigen die sogenannten „Waschbilder“ des Allgäuer Künstlers Willi Reiss. Er stellt sie in den Räumen der Suchtfachambulanz aus. Die besondere Maltechnik beruhe darauf, verschiedene Farben übereinander zu streichen und dann wieder abzuwaschen. „Dadurch kommen tiefer liegende Schichten und Verborgenes wieder hoch. Deshalb passen diese Bilder hier sehr gut rein.“ Auch Gabriela Klöck, Sozialpädagogin und Suchttherapeutin, kehrte eine Begabung für die Feier heraus. Sie umrahmte die Einweihungsfeier mit ihrem Zitherspiel.