Geschäftsführung der Caritas-Sozialstation korrigiert im Interview Aussagen der Deutschen Stiftung Patientenschutz
Schrobenhausen/Augsburg, 17.09.2018 (pca). Die ambulante Pflege bräuchte endlich klare Regeln wie die stationäre Pflege. Pflegeverträge müssten eingeführt werden genauso wie detaillierte Kostenvorschläge, so dass Patienten sich entscheiden könnten, welchen Pflegedienst und welche Leistungen sie sich wünschen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz machte mit diesen Forderungen im Sommer auf sich aufmerksam. „Wer so etwas sagt, schreibt und fordert, der hat keine Ahnung von unserer Arbeit“, sagt nun Annette Eisenmann. Sie ist die Geschäftsführerin der Caritas-Sozialstation Schrobenhausen. „Ich will mir das nicht mehr gefallen lassen, dass die Pflege so schlecht geredet wird.“
Eisenmann arbeitet nun seit 25 Jahren in der Altenpflege, war verantwortlich für die
Pflegedienstleitung und hat seit zehn Jahren die Gesamtverantwortung als Geschäftsführerin inne. Derzeit arbeiten insgesamt 40 Frauen und Männer für die Sozialstation Schrobenhausen mit ihren Außenstellen in Neuburg und Burgheim. Im Interview geht Eisenmann nun auf die Forderungen der Deutschen Stiftung Patientenschutz ein.
? Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch fordert Pflegeverträge für die ambulante Pflege und klarere Regeln. Wie stehen Sie dazu?
Eisenmann: Offensichtlich weiß dort niemand, wie wir in den Sozialstationen arbeiten. Das ärgert mich besonders. Da werden unser Beruf und unsere Arbeit schlecht geredet, ohne offensichtlich eine Ahnung von dem zu haben, wie vielen Regeln und Bestimmungen wir unterliegen. Wir regeln uns schon zu Tode.
? Wie sieht die Wirklichkeit aus?
Eisenmann: Seit über zehn Jahren gibt es Pflegeverträge. Die Pflegedienstleitung klärt beim Erstbesuch des Patienten, welche Pflegeleistungen benötigt und gewünscht werden. Dann stimmt sie diese gegebenenfalls auch mit dem verordnenden Arzt ab. Danach erhält der Patient einen detaillierten Kostenvorschlag, in dem aufgelistet wird, welche Leistung wie viel kostet. D.h. jeder Patient weiß zuvor genau, welche Kosten anfallen werden. Diese Kosten werden nach Abstimmung mit dem Patienten im Pflegevertrag festgehalten. Ändert sich der Leistungsbedarf dauerhaft, muss ein neuer Kostenvoranschlag erstellt werden.
? Wer legt die Preise fest?
Eisenmann: Die Gebühren, die wir für die Pflegeleistungen erheben dürfen, werden in Verhandlungen der Pflege- und Krankenkassen mit den Wohlfahrtsverbänden jährlich verhandelt und festgeschrieben. Dabei möchte ich unterstreichen, dass die Gebühren die Ist-Kosten unserer Sozialstation nicht decken.
? Wie sieht der Kündigungsschutz aus?
Eisenmann: Der Patient kann von sich aus, den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen. Es kam schon vor, dass ein Patient am Abend anrief und uns mitteilte, dass er am Tag darauf unsere Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen wollte. Das ist für uns bedauerlich, weil das so manche Planung durcheinander bringt, aber es ist dann so. Wir als Sozialstation, so die gesetzliche Regelung, können nur bis vier Wochen zum Monatsende kündigen. Nur in Ausnahmefällen – längere wiederholte Nichtanwesenheit des Patienten oder gar unflätiges Verhalten gegenüber unseren Mitarbeiterinnen – können wir eine Kündigung mit sofortiger Wirkung aussprechen.
? Stimmt es, dass Ihre Sozialstation nicht jeden aufnimmt, der bei Ihnen nachfragt?
Eisenmann: Das stimmt so nicht. Wir nehmen jeden an, der Unterstützung bei der Pflege braucht. Allerdings gilt auch, dass wir nicht mehr annehmen, als wir tatsächlich versorgen können. Diese Entscheidung machen wir uns nicht leicht und sie tut uns auch weh. Aber: Die Belastbarkeit des Pflegepersonals hat auch ihre Grenzen. Überschreitet man sie zu sehr und dauerhaft, leidet neben der Pflegequalität auch die Gesundheit unserer MitarbeiterInnen. Das kann und will ich niemandem, weder den Patienten noch unseren Pflegekräften, zumuten. So mussten wir in der Vergangenheit ein paar Personen ablehnen. Der Grund: Uns fehlt Pflegepersonal für derzeit 70 Wochenstunden.
? Liegt es an der Bezahlung, dass Sie nicht genügend Personal finden?
Eisenmann: Wohl nur teilweise. Die Caritas zahlt nach Tarif. Die Bezahlung ist gut. Es ist auch ein sehr schöner Beruf. Aber wenn ständig unser Beruf schlecht geredet wird, unsere Arbeit falsch dargestellt wird, dann braucht man sich nicht wundern, dass sich immer weniger Menschen bereitfinden, dauerhaft in der Pflege arbeiten zu wollen. Auch die Politik ist gefordert. Sie sollte nicht nur reden, sondern uns tatsächlich unter die Arme greifen. Wer miterleben darf wie ich, mit welcher Liebe, Achtsamkeit, Geduld, Ausdauer und einem über das normale Maß hinausgehendes Engagement unsere Pflegekräfte ihren Dienst ausüben, der wird mir zustimmen, wenn ich sage: „Man müsste denen, die in der Pflege tätig sind, täglich die Füße küssen.“