Der Umgang mit der Corona-Krise in Frauenhäusern
Frauenhäuser bieten Frauen und Kindern Schutz vor häuslicher Gewalt in physischer und psychischer Form wie Bedrohung, Misshandlung, Demütigung oder Vergewaltigung. Durch die Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Krise warnen Politiker wie Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) nun davor, dass die Gewalt in Familien ansteigen könnte, Frauen und Kinder in den eigenen vier Wänden gefangen sind und ihrem Peiniger nicht so leicht entkommen können. Katja Mann ist die Leiterin des SkF- Frauenhauses Kaufbeuren-Ostallgäu. Sie erzählt, wie Bewohnerinnen und Betreuerinnen mit der Situation umgehen und ob auch sie feststellt, dass nun mehr Frauen in Frauenhäuser fliehen.
"Soziale Kontakte zu minimieren ist in unserer Einrichtung schwierig"
"Wir haben Plätze für fünf Frauen und fünf Kinder. Die sind zwar aktuell belegt, aber das waren sie auch schon vor Corona. Bei uns gibt es aktuell also keine Fluktuation und eine fast familiäre Atmosphäre, da die Frauen in der Regel zwischen drei bis sechs Monate bei uns sind.", sagt Mann. Natürlich hielten sich auch hier alle so gut es geht an die Vorgaben, soziale Kontakte zu minimieren, aber das sei nun mal nicht so leicht in einer sozialen Einrichtung mit Räumen zur Gemeinschaftsnutzung, fügt sie hinzu. "Unsere hauptamtlichen Mitarbeiterinnen haben die Berührungspunkte weitestgehend beschränkt. Sie schärfen immer wieder das Bewusstsein, damit die Situation nicht unterschätzt wird. Dadurch, dass hier alles so geschützt ist, könnte das Gefühl entstehen ‚Hier kann mir eh nichts passieren‘. Das wollen wir verhindern", so Mann.
"Wir versuchen alles, um den Lagerkoller zu vermeiden"
Da durch die Ausgangsbeschränkungen und das Kontaktverbot nun alle Angebote wegfallen, die es normalerweise gibt, versuchen die Betreuerinnen alles, "um den Lagerkoller zu vermeiden", sagt Mann. "Wir möchten Strukturen schaffen und Alternativen anbieten, wie z. B. Spielanleitungen für die Kinder oder Coachings für Mütter für einen besseren Umgang mit ihren Kindern. So versuchen wir, den Müttern etwas an die Hand zu geben, von denen sie auch nach ihrer Zeit im Frauenhaus profitieren können. Denn das ist ja das eigentliche Ziel: Ihr eigenes Leben führen, einen sicheren und gewaltfreien Alltag haben." Mann erzählt, dass sie und ihre Betreuerinnen anfangs versucht haben, die Zeit gemeinsam mit den Frauen zu gestalten. Doch die Frauen wollten schnell ihrem eigenen Tagesablauf nachgehen und sich im Umgang mit ihren Kindern ausprobieren. "Zu Beginn der Krise sind unsere Bewohnerinnen auch noch oft in kleinen Gruppen mit einer Betreuerin spazieren gewesen. Durch das Kontaktverbot ist es allerdings aktuell nicht mehr möglich, mit mehreren Personen spazieren zu gehen, auch wenn man in einer Wohngemeinschaft lebt, denn die soziale Kontrolle ist zu hoch und es ist nicht zumutbar, dass die Frauen sich rechtfertigen können. So bewegen sich die Mütter jeweils einzeln oder mit ihren Kindern lediglich in einem kleinen Radius ums Frauenhaus. Eine weitere Folge von Corona ist auch, dass Frauen, die eigentlich aus dem Frauenhaus ausziehen wollten und eine Wohnung in Aussicht hatten, nun nicht ausziehen können, da die Infrastruktur für einen Neueinzug in eine Wohnung momentan nicht vorhanden ist (Möbelbeschaffung, Baumärkte etc) .
Doch was tut man, wenn nun alle Plätze im Frauenhaus belegt sind und sich eine Frau meldet und aufgenommen werden möchte? "Wir weisen niemanden ab, sondern suchen gemeinsam mit den Frauen nach Alternativen. Es gibt einen Datenpool mit Frauenhäusern und deren Kapazität. Die können wir abrufen.", sagt Mann. Außerdem gibt es die Möglichkeit, dass nach dem Gewaltschutzgesetz der Mann der Wohnung verwiesen wird und ein zeitlich begrenztes Näherungsverbot durch die Polizei ausgesprochen werden kann. Dadurch gewinnt die Frau Zeit, kann sich beraten lassen und eventuell Alternativen suchen. Mann bestätigt, dass die bayerischen Frauenhäuser aktuell sehr ausgelastet sind, jedoch gibt sie zu bedenken, dass eine häusliche Gedrängtheit durch die Ausgangsbeschränkungen nicht automatisch zu Gewalt führe. "Vielmehr treten Konflikte jetzt dort verstärkt auf, wo ohnehin schon Gewaltstrukturen vorliegen. Wenn dann beide Elternteile vermehrt zu Hause sind, kann das zu Gewaltsituationen führen", sagt Mann.
Auch viele Ehrenamtliche Helferinnen arbeiten für das Frauenhaus. Sie übernehmen den 24-Stunden-Rufdienst. Das bedeutet, dass betroffene Personen in akuten Situationen 24 Stunden, sieben Tage die Woche eine telefonische Ansprechpartnerin haben diese sie bei Platzkapazität aufnehmen kann oder Möglichkeiten eines alternativen Verbleibs bespricht.
Telefonnummer des 24-Stunden-Rufdienstes: 08341-16616