Augsburg, 15.01.2021 (pca). "Was machen Hospizdienste eigentlich genau?" - Diese Frage hört Gabriele Luff, Leitung des Fachgebiets Hospiz und Palliative Care des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e. V., öfter. Sie ist es gewohnt, dass sich breite Teile der Gesellschaft erst mit Hospizarbeit beschäftigen, wenn es sein muss. Doch schlimmer noch ist für Luff, dass die Hospizdienste zu Beginn der Corona-Pandemie regelrecht "untergegangen" sind. Täglich ist zu hören, dass Menschen an oder mit dem Corona-Virus verstorben sind. Sollte es nicht gerade da eine Selbstverständlichkeit sein, den Sterbenden eine professionelle Begleitung zu bieten und der Gesellschaft klar zu machen, was Hospizarbeit wirklich leistet?
Gerade in der Corona-Pandemie sei es wichtig, dass die Hospizarbeit nicht vergessen wird, so Luff. Freilich statteten sich alle Hospizdienste im Frühjahr mit Masken und Schutzausrüstung aus, dennoch erhielten die meisten Hospizdienste keinen Zutritt zu Senioreneinrichtungen. Erst ab Mai änderte sich die Situation. Im Sankt-Vinzenz-Hospiz in Augsburg ist derzeit ein Besucher im Zimmer eines Hospiz-Bewohners erlaubt. Jedoch gibt es für jeden Bewohner einen eingetragenen Personenkreis mit insgesamt drei Personen, die dann abwechselnd zu Besuch kommen dürfen, erzählt der stellvertretende Stationsleiter des stationären Hospizes im St-Vinzenz-Hospiz, Markus Ruff. "Wenn der Zeitpunkt des Sterbens bevorsteht, sind Besuche besonders für die Angehörigen wichtig", so Ruff. "Wenn ein Mensch dann wirklich im Sterben liegt, sehen wir deshalb bei uns im Hospiz auch davon ab, nur eine vorgegebene Anzahl an Angehörigen am Sterbebett zuzulassen." Ruff sagt, er und sein Team tue das vor allem für die Angehörigen.
Hospizbegleiter hören zu, begleiten, fühlen mit, nehmen sich Zeit, lassen nicht allein
Viele Angehörige fangen eben erst dann an, sich mit Hospizarbeit zu beschäftigen. Häufig denken die Menschen, dass Hospizarbeit vor allem zuhören bedeutet. "Das stimmt auch", so Luff, doch gehöre da noch viel mehr dazu. "Ich wünsche mir mehr Bewusstsein in der Gesellschaft darüber, welche Unterstützung und Hilfe Hospizarbeit sein kann. Da, wo Bekannte und Freunde möglicherweise beginnen, sich zurückzuziehen, fängt Hospizarbeit an. Mitarbeiter*innen eines Hospizdienstes haben zusätzlich eine beratende Position inne und bieten eine umfassende palliative Beratung. Wir sind geschult darin, zu merken, wenn Sterbende so starke Schmerzen haben, dass ein Arztbesuch nötig ist." Hospizarbeit ist also weit mehr, als einen unbezahlten Zuhörer am Sterbebett zu empfangen. Hospizarbeit will den Menschen in Not spüren lassen: "Ich lasse Dich nicht allein, ich bin bei Dir absichtslos, weil Du mir wichtig bist. Deshalb darf diese Arbeit nicht angesehen werden als ‚Zuckerl‘, auf das man jetzt gerade auch verzichten kann", sagt Luff.
Für Luff persönlich, die lange Jahre selbst als professionelle Sterbebegleiterin tätig war, ist Hospizarbeit auch alles andere als ein "Zuckerl". Im Gegenteil, Tode hautnah mitzuerleben ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Seit sechs Jahren arbeitet sie nun beim Diözesancaritasverband als Leitung des Fachgebiets Hospiz und Palliative Care. Nach einem abgeschlossenen Studium absolvierte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester. In der ambulanten Krankenpflege wurden ihr die Grenzen ihrer Tätigkeit bald bewusst: "Als Krankenschwester musste ich nach meiner Behandlung bei den Patienten immer wieder gehen. Das hat mich in einen Konflikt gebracht", sagt Luff. "Ich wollte immer bei den Menschen, denen es schlecht ging, bleiben, aber ich wusste zugleich, dass noch zehn andere warten." In der Zeitung las Luff damals eine Anzeige des St. Vinzenz-Hospizes für eine Schulung zur Hospizhelferin (heute: Hospizbegleiter*in). Für sie stand fest: "Das ist mein Weg."
Dabei ist es jedoch nicht geblieben. Ab 2002 baute Luff zusammen mit anderen den Hospizverein Christrose in Königsbrunn mit auf und war dort lange Jahre im Vorstand und als Einsatzleitung ehrenamtlich tätig, zuletzt auch mit der erforderlichen Weiterbildung zur Koordinatorin. Heute kann sie zurückblicken auf 14 Jahre der aktiven Hospizbegleitung. "Hospiz bedeutet für mich, die grundlegende Offenheit zu besitzen, das Sterben anzunehmen und als Teil des Lebens zu akzeptieren. Ganz wichtig ist außerdem, dass die Sterbenden den Weg vorgeben. Ich bin nur eine Begleiterin und niemand, der vorausgeht.", so Luff.
In dieser Zeit ist sie dem Tod zwar freilich nie selbst begegnet, dennoch hat sie das intime und individuelle Sterben immer ganz nah miterlebt. "Mir hat bei der Hospiz-Arbeit geholfen, auf mich selbst zu achten und mich zu schützen. Ich verinnerlichte mir immer wieder, dass ich nicht Betroffene, sondern Begleitende bin. Die Situationen, die ich erlebt habe, waren nicht mein Schicksal. Natürlich fühlt man mit, aber man leidet im Idealfall nicht mit", so Luff. Für sie ist diese Achtsamkeit mit sich selbst eine Voraussetzung für gute Hospizarbeit. Doch natürlich war das auch für sie ein Lernprozess. Die 14 Jahre, die Luff als Hospizbegleiterin gearbeitet hat, leistete sie ehrenamtlich. Anders als Palliative Dienste leisten Hospizdienste also unbezahlte Arbeit ohne Erwartung einer Gegenleistung.
Dass in der Corona-Pandemie so wenige ambulante Hospizdienste angefragt werden - die sich bei den Sterbenden zu Hause ehrenamtlich Zeit nehmen - bedauert Luff sehr. Daher möchte Luff den Ehren- und Hauptamtlichen in den Hospizdiensten ein großes Kompliment aussprechen, für die Art und Weise, wie sie durch diese Zeit kommen und alle Herausforderungen bei all den Corona-bedingten Einschränkungen meistern. (Text: Karin Pill)