Augsburg,
11.3.2012 (pca). Herr U. kann nur noch mit künstlicher Ernährung überleben. Ein
Jahr bleibt ihm noch. Er nützt es, um dreimal in seine Heimat, in die Türkei,
zu fahren. "Heimat - das ist für mich Lebensqualität", meint der
Schwerkranke. Frau M. lebt allein in ihrem Haus, ihre Kinder wohnen weit
verstreut. Aber sie ist froh, noch im eigenen Haus wohnen zu können - auch wenn
ihr das Essen, das "auf Rädern" kommt, nicht schmeckt. In diesen
Beispielen werden unterschiedliche Vorstellungen von "Lebensqualität"
deutlich. Wie kann diese zum Hauptziel der Begleitung werden? Dies
fragte Dr. Hubert
Jocham
von der Health
Care
Academy
Tettnang, in seinem Vortrag beim Begegnungs- und Fortbildungstags der
Hospizgruppen an, zu dem der Caritasverband für die Diözese Augsburg ins Haus
St. Ulrich geladen hatte.
Als
Grundlage für die Begegnung mit einem Schwerkranken bzw. Sterbenden sprach
Jocham
an, dass jeder Mensch, ganz gleich, welche
körperlichen oder geistigen Einschränkungen er hat, "eine Ganzheit ist,
der meinen Respekt, meine Aufmerksamkeit und meine Liebe verdient". So sei
ein erster Schritt der Begegnung das "Sich Einlassen" auf den
anderen. "Er gibt uns die richtige Geschwindigkeit, Nähe und Distanz
vor." Dazu gehöre auch, sein Schweigen auszuhalten, das Aufbegehren, den
Widerstand. Nicht selten sei es für den Kranken oder Angehörigen ein
"Geschenk,
dass
jemand da ist, der das Schweigen
erträgt". In der Begleitung gehe es immer darum, im Gegenüber das
"Du" zu sehen und zu fragen: "Was kann ich für Dich tun?"
Die
Hospizbewegung, so
Jocham
, gehöre zu den größten
Bürgerbewegungen. Gerichtet an die Teilnehmer der Tagung meinte
Jocham
: "Sie sind vor Ort die einfühlsamen Partner in
dieser letzten Lebensphase." Im partnerschaftlichen Dialog werde nach
einem stimmigen Weg gesucht, dass die Würde der Person bis zuletzt gewahrt
bleibe. Die Angst vor der Einsamkeit sei bei Sterbenden oft größer als die
Angst vor Schmerzen. Wichtig war es
Jocham
, zu
betonen, dass die Hospizarbeit Teil eines Netzwerks von fairen Partnern ist,
die einem gemeinsamen Ziel verpflichtet sind. Der Referent erinnerte auch an
die Eckpunkte der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen,
in der noch einmal deutlich wird, dass die Individualität, die Würde und der
Wille des Schwerkranken höchste Beachtung verdiene. Und dass es neben der Hilfe
und Solidarität von Familie, Freunden und Ehrenamtlichen eine hochwertige
Pflege und Versorgungsangebote braucht, die
hospizliche
und
palliative
Gesichtspunkte berücksichtigt.
Caritasdirektor
Pfarrer Dr. Andreas Magg würdigte den Dienst der haupt- und ehrenamtlichen
Mitarbeiter in den Hospizgruppen. Für das, was sie tun, brauche es nicht nur
das richtige
Know
How
, um
die
Wünsche und Bedürfnisse, die Sorgen
und Ängste der ihnen Anvertrauten ernst zu nehmen. Bei der Frage nach der
Lebensqualität berufen sich die Christen auf "Gott, den ewig Guten".
Magg: "Als Christen sind wir berufen, das Gute zu tun und alles ins Gute
zu wenden". Dr. Margarethe Beck, Fachgebietsleiterin Hospiz bei der
Caritas, stellte in ihrem Rückblick die neuen Entwicklungen bei der
Hospizarbeit in den vergangenen Monaten vor. Ein Beispiel: Seit 1. März gibt es
für die Spezialisierte Ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV) in der Diözese
Augsburg drei
Palliativ-Care-Teams
- in Augsburg,
Kempten und Starnberg.