Caritas-Drogenkontaktladen macht auf verstorbene DrogengebraucherInnen in Kemptener Fußgängerzone hin
Kempten, 20.07.2019 (pca). "Das ist echt krass, dass Ihr dieser Menschen gedenkt", sagte eine 16-jährige Jugendliche zu Gerhard Zech. "Das kann ich gar nicht glauben, dass es für verstorbene Drogenkonsumenten einen Gedenktag gibt", sagte sie weiter. Es hat sie aus einem ganz persönlichen Grund gefreut: Ihr Vater war drogensüchtig gewesen und letztlich daran gestorben.
Zech und seine Kolleginnen Maria Schmelz, Caren Arendt, Ingrid Köppl und Linda Greppmeir machten mit einem Infostand in der Kemptener Fußgängerzone beim Künstlerhaus auf den Internationalen Gedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen aufmerksam. "Das Thema ist uns wichtig, weil uns die Menschen wichtig sind. Wenn wir nicht auf sie aufmerksam machen, wer tut es denn dann?", sagte Arendt. "Es gibt hier in Kempten und Umgebung keine andere Stelle als uns, die sich der drogengebrauchenden Menschen annimmt."
308 drogengebrauchende Frauen und Männer waren in 2017 in Bayern verstorben. In der kreisfreien Stadt Kempten allein waren es fünf Menschen. 2018 waren es zwei Personen. 17 Rauschgifttote zählte das Polizeipräsidium Schwaben Süd-West in 2018. Wer glaubt, dass sich die Menschen in Kempten nicht dafür interessieren, der irrt sich. Zech, Schmelz, Arendt und Greppmeir verteilten weiße Rosen an die Fußgänger und sprachen dabei auch an, warum sie das tun. Viele der Frauen und Männer zeigten sich "ehrlich berührt", beobachtete Schmelz. Zech sprach mit "gar nicht wenigen", die jemanden kannten, die bzw. der drogenabhängig oder suchtkrank ist. Eine Frau aus Würzburg, die Kempten mit ihrem Mann besuchte, sagte: "Ich finde das ganz toll, dass Sie auf diese Menschen aufmerksam machen. Das ist ganz wichtig." Andere meinten zudem, dass diese Menschen Hilfe verdienen und sie nicht bestraft werden sollten.
Mit zwischen 80 und 100 drogengebrauchende Frauen und Männer kommen Arendt, Schmelz und Zech Monat für Monat in Kontakt. Sie kommen vorbei im Drogenkontaktladen in der Brennergassse 15, "wenn sie völlig am Boden liegen und völlig fertig sind", erzählt Arendt. Dann beginnt ein sehr intensives Krisen- und Case-Management, das uns jeden Tag stundenlang bindet. Andere schauen vorbei, weil sie Hilfe benötigen und sich die Fahrkarte zum Facharzt oder die Rezeptgebühr nicht leisten können. Andere haben schlichtweg Hunger. Jedes Mal ergeben sich daraus auch wieder wichtige Gespräche. Zudem sind die drei Caritas-MitarbeiterInnen in Kempten als Streetworker unterwegs und suchen die Plätze auf, wo sich drogengebrauchende Menschen in Kempten aufhalten. Oder sie besuchen die Drogengebrauchenden in ihren Wohnungen, weil diese psychisch derart am Boden liegen, dass sie es nicht mehr aus eigener Kraft schaffen, zum Kontaktladen zu kommen.
Seit einer Woche haben sie das Projekt "Kaffee und Keks" gestartet. Dazu fahren sie zu den Notunterkünften der Stadt Kempten im Stadtteil Bühl und bringen Kaffee und etwas zum Essen mit. Am Parkplatz stehen sie und bieten ihre Hilfen an. Dabei ergeben sich immer wieder Gespräche zur Beratung. Um dies auch im Winter in einem "wetterfesten Unterstand" tun zu können, sucht der Drogenkontaktladen nun einen gut erhaltenen Wohnwagen oder Kleinbus. "Denn der nächste Winter kommt bestimmt", so Arendt.
Info:
Die drogengebrauchenden Männer und Frauen in und um Kempten praktizieren zumeist einen Mischkonsum von Opiaten, Amphetaminen, Cannabis, Medikamenten wie z.B. starken Schmerztabletten, Beruhigungsmittel, Anti-Depressiva wie auch die neuen psychoaktiven Substanzen wie z. B. die sogenannten "Kräutermischungen" und "Badesalze".