Caritasdirektor und Kemptens OB richten Blick auf Drogenkonsumenten
Kempten, 21.07.2018 (pca). "Ich bin tief berührt. Mich bewegt das immer, wenn ich höre, dass ein Mensch an seiner Drogensucht gestorben ist." Eine Frau im mittleren Alter sagt das. Sie weiß, was es heißt, suchtabhängig zu sein. Sie entschied sich ganz bewusst, am Samstag in Kempten am Gedenkmarsch für die in Kempten und im Oberallgäu verstorbenen Drogenkonsumenten teilzunehmen.
25 gingen mit von der Residenz, wo der Gedenkmarsch seinen Anfang nahm, durch die Fußgängerzone bis zum Künstlerhaus. Sie trugen einen schwarzen Banner voraus, mit dem sie auf den Anlass aufmerksam machten. Die Suchtfachambulanz und der Drogenkontaktladen der Caritas in Kempten hatten zum Internationalen Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher eingeladen. Am Samstagabend war der Gottesdienst in der OpenSky Kirche "Christi Himmelfahrt" den Drogentoten gewidmet. Diözesan-Caritasdirektor Domkapitular Dr. Andreas Magg war dazu nach Kempten gekommen.
Oberbürgermeister Thomas Kiechle hatte sich am Samstag trotz mehrerer anderer Termine sich die Zeit genommen, kurz vor Beginn des Gedenkmarsches vorbeizuschauen und seine Solidarität zu bekunden. Für ihn ist die Drogenproblematik "ein gesamtgesellschaftliches Problem". "Alle Bürger müssen sich nicht nur damit auseinandersetzen, sondern auch Betroffenen helfen", fordert er. Er sprach wohl auch betroffenen Angehörigen aus dem Herzen, als er sagte, "wir dürfen Drogenkonsumenten nicht ausgrenzen, nicht irgendwohin schieben und sie in eine Ecke treiben". Die Stadträtin Barbara Haggenmüller hatte sich die Zeit genommen, den Gedenkmarsch mitzugehen. Sie wollte damit den Betroffenen "eine Stimme geben", aufmerksam machen, "weil das Thema des illegalen Drogenkonsums in unserer Stadt zu sehr verschwiegen wird".
Der Augsburger Diözesan-Caritasdirektor Dr. Magg lud im Gottesdienst am Abend dazu ein, "unseren Blick auf die Menschen zu richten, deren Leben anders verlaufen ist, als wir uns das für uns selbst so planen". Jedes Leben sei einzigartig. "Wir dürfen auf die Drogenkonsumenten nicht verurteilend und herablassend auf sie hinunterschauen, sondern müssen in jedem das Wertvolle in ihm entdecken. Auch ein Mensch in Sucht hat eine Würde. Auch er verdient unsere Wertschätzung." Die Caritas habe deshalb Räume wie den Drogenkontaktladen "Talk Inn" geschaffen, wo sie angenommen werden, wie sie sind, wo man sich ihrer annimmt und ihnen beisteht, so dass sie zur Ruhe kommen und Kraft schöpfen können.
Als die doch relativ kleine Gruppe am Vormittag beim Gedenkmarsch durch die Fischerstraße gegangen war, hatte sie ein Ziel des Gedenktages erreicht, nämlich Aufmerksamkeit. Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder schauten auf. Erwachsene beantworteten die Fragen ihrer Kinder, was der schwarze Banner bedeute, warum die Menschen, die da demonstrierten schwiegen und sogar schwarze Kreuze mit sich trugen.
Am Künstlerplatz nachte ein Info-Stand auf den Gedenktag aufmerksam. MitarbeiterInnen der Suchtfachambulanz und des Drogenkontaktladens der Caritas verteilten dort weiße Rosen. "Wir wollen heute der verstorbenen Drogenabhängigen gedenken und auf sie aufmerksam machen", sagten sie jedes Mal, wenn sie eine Rose übergaben. Viele zeigten sich dankbar, einige wirkten verunsichert, als sie das Wort Drogen hörten, andere wiederum reagierten sehr gerührt und sagten, "ich stelle sie mir zuhause zum Gedenken an diese Menschen auf".
Andere blieben stehen und suchten das Gespräch am Info-Stand. Eine Dame wollte wissen, was denn der Drogenkontaktladen Talk Inn anbiete. "Was machen sie eigentlich dort?" "Illegale Drogen" - das war für sie ein Fall der Polizei. Maria Schmelz erklärte ihr dann, dass die Caritas mit dem Drogenkontaktladen Betroffenen ein Stück Zuhause geben wollen, wo sie alles aussprechen können, was sie bewegt. "Wir kümmern uns hier um den Menschen, beraten und helfen ihm." Eine Krankenpflegerin erzählte, dass auch sie in ihrem Beruf mit drogenkonsumierenden Menschen konfrontiert werde. Sie nahm sich Info-Flyer mit den Telefonnummern mit.
Der MPU-Berater Alfons Fischer - auch er hatte an dem Gedenkmarsch teilgenommen - unterstützte das Anliegen der Caritas, auf die Problematik des illegalen Drogenkonsums in Kempten und Umgebung aufmerksam zu machen. Er kennt verstorbene Drogenkonsumenten. Auch begegnet er in seinem Aufgabenbereich immer wieder Betroffene, weil sie ihren Führerschein wieder erlangen wollen. "Ganz wichtig" findet auch Ulrike Bölker, die Koordinatorin des Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV) - Kempten-Oberallgäu, den Gedenkmarsch und den Info-Stand in der Fußgängerzone. "Wir alle müssen uns dieser Menschen annehmen."
Bayer und ihre MitarbeiterInnen Caren Arendt, Maria Schmelz, Christine Kohler, Ingrid Köppel und Gerhard Zech wollen etwas mehr. "Wir wollen, dass wir alle in unserer Gesellschaft ganz selbstverständlich über die Drogenproblematik reden können, es völlig enttabuisieren", sagte Bayer. "Das Thema geht uns schließlich alle an", betont sie. Ihre Begründung ist einfach: "Auch der drogenkonsumierende Mensch gehört zu uns." Ingrid Hörmann aus Kempten gefällt dieser Gedanke. "Das ist wirklich gut, dass Ihr da was macht", sagte sie am Infostand.