Der Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V. hatte Sammlerinnen und Sammler zu der Theateraufführung eingeladen. „Wir wollten Danke sagen für ihren so wertvollen Dienst“, sagte Bernhard Gattner, verantwortlich beim Caritasverband für die Caritassammlungsaktionen. „Das Theaterstück kann uns helfen, zu verstehen, was die Menschen dazu bringt, Zuflucht im Alkohol zu suchen, und darüber nicht zu vergessen, dass es Menschen sind, die von Gott einzigartig geliebt werden wie jeder von uns auch.“
Die Frauen und Männer, die auf der Bühne betrunken, wirr und vom Alkohol abhängig erscheinen, lösen zunächst Unverständnis aus. Da ist der Familienvater Eddy, gespielt von Klaus Hackenberg, der sich tagein tagaus vor der „Glotze“ zusammen mit seiner Frau Magda, gespielt von Sandra Müller, volllaufen lassen, weil sie das Leben, in dem sie gefangen sind, ankotzt. Ingrid (Alexandra Nummer), wirkt wie ein übriggebliebenes Blumenkind, das noch so verantwortungslos erscheint, regelmäßig am Abend Alkohol in großen Mengen zu konsumieren, obwohl sie verantwortlich ist für ihre jüngere Schwester, die an einer dreifach gespaltenen Persönlichkeitsstruktur leidet. Carla Blumenröther spielt ihre drei Rollen Nicki – Madeleine – Susi in Perfektion. Der junge Stan (Nico Bollwein) erscheint wie ein typischer Versager. Jenny (Mandy Stützer) und die „Leo“ (Maria Moschou) als Frauen, die sich ungeliebt fühlen und in Selbstmitleid ergehen. Und Lucia Di Ora (André Montalbano) tritt als schräger Transvestit auf. Das Geschehen wirkt auf die fast 100 Sammlerinnen und Sammler der Caritas irritierend. „Mit so was soll ich meinen Sonntagnachmittag verbringen“, fragte sich eine Sammlerin.
Doch die Geschichte geht auf der Bühne weiter. Im Lauf des eineinhalbstündigen Stücks entfalten die
„Alkoholiker“ ihre persönliche Geschichte. Dazu werden kurze eindringliche Filmsequenzen gezeigt, die dem Zuschauer einen Einblick in die Vergangenheit der Alkoholiker auf der Bühne gewähren. So erfahren die Zuschauer, warum Stan zum „Versager“ wurde. Sein Vater hat ihn bereits im Alter von elf Jahren abgefüllt. Missbrauch kam dazu. Jennys Mutter lehnte sie immer ab, weil sie „nie“ so gewesen sei wie ihre Schwester. „Leo“ wurde von ihrem Mann verlassen. Ein Schmerz, der sie in die Einsamkeit mit dem Alkohol trieb. Lucia Di Ora wurde von seinem Vater rausgeschmissen, weil er nicht so macho-männlich war, wie es sich sein Vater wünschte. Eddy und Magda lebten gemeinsam, aber waren zutiefst unglücklich. Sie wählten die falsche Strategie, den Alkohol. Ingrid stürzte ab, weil sie keine Hilfe hatte, nie mehr richtig schlafen konnte, weil sie völlig überfordert in ihrem Streben war, allen drei Persönlichkeiten der Schwester gerecht werden zu wollen. Ingrid und ihre Schwester, so erfahren die Zuschauer, waren von ihrer Mutter von einem Tag auf den anderen verlassen worden. Und weil der Vater dies nicht aushielt, erhängte er sich. Als die jüngere Schwester, damals noch gesund, nach Hause kam, entdeckte sie ihn - mit für sie dramatischen Folgen.
„Das arbeitet in mir, und das wird es noch länger tun“, sagte eine Sammlerin nach der Aufführung, als sie das Kolping-Haus verließ. „Ein starkes Stück, heftig, es bewegt mich“, kommentierte eine andere. Einzelne Gäste suchten auch noch das Gespräch mit den Schauspielern. Manche gestanden, ihren Blick auf Alkoholiker ändern zu müssen. Eine andere meinte, „ich verstehe das nicht, wenn der Alkohol einem nicht gut tut, warum es dann nicht sein lassen kann.“
„Wir hatten zu dem Theaterstück eingeladen, um dafür zu sensibilisieren, dass wir bei alkoholkranken Menschen nicht nur die Oberfläche, die Auswirkungen der Alkoholerkrankung anschauen, sondern auch das Schicksal dahinter betrachten“, hatte Gattner in seinen Schlussworten gesagt. „Eigenwillig, sonderbar, merkwürdig erscheinen die Menschen auf der Bühne – wegen des Alkohols. Doch sie erwachen im Lauf des Theaterstücks als Menschen, von denen jeder ein eigenes Paket an Problemen mit sich herumträgt, das nicht aufgearbeitet wurde. Ihre Situation wird nachvollziehbar, verständlich, auch wenn wir für uns andere Lösungen gewünscht hätten.“
„Auf jeden Fall“, so eine weitere Sammlerin beim Rausgehen, „werden wir davon erzählen müssen. Herzlichen Dank für die Einladung.“