Niels Pruin, Suchtberater und Leiter des Fachgebietes Medien- und Internetsucht des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg, sorgte sich schon zu Beginn der Corona-Pandemie um seine Klienten, die beispielweise an einer Computerspielsucht leiden. Er befürchtete, dass Menschen mit Mediensucht nun erst recht in ihre digitale Isolation zurückgestoßen würden und ihr Weg aus der Sucht aktuell stagnieren könnte. Doch die Pandemie dauert an und so auch Pruins Befürchtungen.
"Die Gruppe ist jetzt komplett auseinander gebrochen"
"Es ist einfach sehr schwierig, nur durch Telefonate Kontakt zu den ‚Medienleuten‘ zu halten.", sagt Pruin. "Natürlich sprechen wir am Telefon darüber, wie es den Leuten geht, aber telefonisch kann ich keine therapeutische Arbeit leisten." Gerade Mimik und Gestik geben dem Berater Aufschluss über das tatsächliche Wohlbefinden seiner Klienten. Normalerweise leitet Pruin die therapeutische Selbsthilfegruppe für problematisch bis pathologische Internetkonsumenten "Ragequit IRL". Die feste Gruppe traf sich alle zwei- bis drei Wochen um sich mit anderen Konsumenten über ihre Mediensucht auszutauschen. "Das ist sehr wichtig für Menschen mit Mediensucht, denn oft ist es eins der wenigen Male im Monat, in der die Leute aus ihrer Wohnung, aus ihrer Isolation rauskommen.", sagt Pruin.
Doch in den vergangenen Wochen gab es leider nicht die Möglichkeit, Video-Konferenzen mit der Therapiegruppe durchzuführen. "Die Gruppe ist jetzt komplett auseinander gebrochen", bedauert Pruin. "Das ist echt schade. Ab und zu eine Video-Konferenz, das hätte die Gruppe sicherlich ein bisschen zusammengehalten." Video-Konferenzen sind zwar inzwischen Standard für die Caritas, doch mit Klienten Gespräche auf dieser Basis zu führen, bedarf digitaler Verschlüsselungssysteme. An diesen wird erst gearbeitet. Pruin vereinbarte stattdessen feste Telefontermine mit seinen Klienten. Pruin zufolge sind die Klienten mit Mediensucht sehr zuverlässig und melden sich dann tatsächlich auch. "Zwar kommen die Leute dann immer noch nicht aus ihrer Isolation raus, aber es ist besser als nichts."
"Anders ist das bei Menschen mit Drogensucht. Die sind oft noch sehr jung und fremdbestimmt. Sie rufen an, weil die Eltern das wollen oder weil das Gericht sie dazu verdonnert hat. Aber insgeheim finden sie es immer noch cool, am Wochenende mal was einzuschmeißen. Sie sehen deshalb nicht die Veranlassung, sich jetzt von sich aus bei uns zu melden.", erzählt Pruin. Das Café Connection, eine Anlaufstelle vor allem für Drogensüchtige, ist seit Beginn der Pandemie geschlossen. "Wir haben gar keinen Kontakt zu den Leuten, die sonst ins Café Connection kommen. Denn das ist ja genau das Konzept: Die Leute schneien rein, wenn sie uns brauchen. Aber wir haben von ihnen keine Handynummer oder ähnliches und können sie daher nicht kontaktieren. Vereinzelt treffe Pruin sich aber mit dem einen oder anderen Klienten an der frischen Luft, um dort Erstgespräche oder andere wichtige Gespräche zu führen.
"Die Digitalisierung ist zum Glück schon weit voran geschritten. Wenn wir jetzt schon auch noch die Möglichkeit zu klientensicheren verschlüsselten Video-Konferenzen hätten, wäre das super. Aber das dauert nicht mehr lange", sagt Pruin. Langsam bereiten sich Pruin und das Team des Cafe Connection darauf vor, die Beratungsstelle wieder zu öffnen. "Klar warten wir, bis es weitere Lockerungen oder Anweisungen gibt. Aktuell stehen wir zum Beispiel schon in den Startlöchern, eine Ambulante Therapie für Mediensucht anzubieten. Die wird in enger Zusammenarbeit mit der Suchtfachambulanz Augsburg stattfinden. Interessenten können sich dafür jetzt schon bewerben. Zusätzlich dazu möchten wir mit unserer Ragequit-Gruppe wieder starten und bereiten alles dafür vor. "Es ist wichtig, dass wir die Beratung bald wieder richtig aufnehmen können", findet Pruin.