Kirche und Caritas aufgefordert, Zuversicht und Hoffnung zu vermitteln
Augsburg, 07.05.2022 (pca). Die Berliner Caritasdirektorin Prof. Dr. Ulrike Kostka befürchtet, dass der
Wunsch nach Suizid als eine weitere Folge des Ukraine-Krieges zunehmen werde. "Zu uns kommen viele Flüchtlinge, die durch Krieg und Flucht traumatisiert sind", sagte Kostka. Auch die Perspektivlosigkeit für viele Menschen, die Angst wegen des Krieges und der Klimakrise, wie auch die vielen Hoffnungslosigkeiten durch Armut machen ihr Sorge. Die Caritasdirektorin war die Hauptrednerin beim Begegnungs- und Fortbildungstag der Hospizgruppen im Bistum Augsburg am Samstag in Augsburg. Sie sprach per Video-Konferenzschaltung zu den insgesamt knapp über 100 Hospizbegleiter*innen über das Thema "Assistierter Suizid - Sachstand und ethische Diskussion für die Einrichtungen und Dienste der Caritas" nach dem entsprechenden, das Recht auf assistierten Suizid bejahenden Verfassungsgerichtsurteil vom Februar 2020.
"Unsere Kirche wie auch wir als Caritas müssen uns der Frage stellen, was wir tun können, um Zuversicht und Hoffnung zu vermitteln. Wir müssen unsere religiösen Angebote und Sinnangebote mehr ins Spiel bringen. Viel zu viele wissen nichts davon", beklagte Kostka. Mit Blick auf die Kirchenverantwortlichen sagte sie, dass ein Rückzug aus der Fläche nicht eintreten dürfe. Es könne auch nicht sein, dass Seelsorge und Beratungsangebote nur an bestimmten Orten vorgehalten werden. Ihr Appell an die Verantwortlichen der katholischen Kirche: "Unsere Kirche darf sich nicht in die Sakristei zurückziehen. Wir alle stehen in der Verantwortung, mehr für Prävention zu tun."
Vorgefertigte lehramtliche Positionen in Gesprächen über den Gedanken an einen Selbstmordwunsch zu vertreten und "die Frage nach Suizid aus unseren Räumen und Begegnungen zu verdrängen", sieht Kostka, die auch außerplanmäßige Professorin für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen
Fakultät der Universität Münster ist, als einen Fehler an. "Wir müssen darüber angstfrei sprechen können."
Ihre Position unterstützt Gabriele Luff, Leiterin des Fachgebietes Hospiz und Palliative Care beim Caritasverband für die Diözese Augsburg. "Wir dürfen diese Menschen nicht alleine lassen, wir müssen sie ernst nehmen und wir müssen da sein für sie. Nur so öffnet sich der Raum, in dem sie sich mit ihren Nöten, Fragen und Sorgen an jemanden wenden können, der sie in ihrer Situation sieht und ernst nimmt."
Diakon Winfried Eichele, Klinikseelsorger an den Wertachkliniken in Schwabmünchen und Bobingen, bedauert es, dass die Kirche zu schnell mit fertigen Antworten kommt. "Die Menschen wollen statt dieser Antworten eigentlich nur ein offenes Ohr, einen Gesprächspartner, vor dem und mit dem man offenen nachdenken und sprechen kann, um in ihrer Situation zu einer eigenen Haltung und Entscheidung zu kommen." Zu den Hospizbegleiter*innen, die an der Fachtagung teilnahmen,
sagte er: "Nicht wir müssen die Antworten kennen, unser Auftrag ist es, den Menschen in ihrer Not, die darüber nachdenken, dabei zu helfen, eine Antwort zu finden." Wo das geschieht, so seine Erfahrung, werde in den meisten Fällen der Gedanke an einen Selbstmord nicht weiterverfolgt.