"Ist es ok, wenn ich den Nächsten liebe?" steht über dem Plakat, aus dem die 44-jährige Irina den Betrachter anschaut. Rechts unten das Caritas-Logo und die Aufforderung "Jetzt informieren. www.caritas.jobs". Soweit, so unspektakulär. Tritt man näher an das Poster, wird es irritierend: "Irina ist von ihrem Mann geschieden und dennoch in festen Händen. Bei ihrem neuen Lebenspartner. Und seit sieben Jahren bei der Caritas als Pflegefachkraft." Ist es ok, wenn sie den Nächsten liebt? Für die Caritas schon.
Irina ist eine von zehn Caritas-Mitarbeitenden, die Gesicht zeigen für die Caritas. Denn die bekommt zunehmend ein Problem, wie der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V., Diakon Dr. Gerrit Schulte, erklärt: "Wir spüren wie viele andere den Fachkräftemangel. Der wird verschärft, weil sich viele, die uns eigentlich gut finden, nicht bei uns bewerben." Der Grund: "Viele halten uns für konservativ und meinen, dass wir das Privatleben kontrollieren." Man müsse katholisch und zudem fromm sein oder dürfe keine Scheidung hinter sich haben, sind einige der Vorurteile, die Schulte immer wieder zu hören bekommt.
Mitten im Leben
Dabei ist das schon lange anders. "Wir stehen als christlicher Verband mitten im Leben. Unser Auftrag ist natürlich die Nächstenliebe, die Botschaft Jesu. Damit muss sich jeder, der bei uns arbeitet, identifizieren", unterstreicht Caritasdirektor Franz Loth. "Die meisten unserer Mitarbeitenden sind Christen, die meisten davon Katholiken. Und wir haben auch Muslime, Juden, Konfessionslose in unseren Reihen. Genauso, wie wir Verheiratete, Ledige oder Geschiedene einstellen. Und auch Frauen und Männer, die ein zweites Mal geheiratet haben."
Um diese Botschaft zu vermitteln, hat die Caritas im Bistum Osnabrück die Osnabrücker Agentur Stiehl/Over beauftragt, eine Kampagne zu entwickeln, die mit den Vorurteilen aufräumt und die Vorteile des Arbeitgebers Caritas herausstreicht.
Motive wecken Neugier
Geschäftsführer Reinhard Stiehl und sein Team nahmen die Herausforderung an. Svenja Dierker, die als Agenturleiterin das Projekt verantwortet, erklärt: "Alle Motive erzählen laut und selbstbewusst die Geschichte unserer Testimonials - denn niemand kann die Vielfalt der Caritas besser kommunizieren als die Menschen, die dort arbeiten." "Die Fotos erzeugen Aufmerksamkeit, die Headlines machen neugierig", sagt Reinhard Stiehl und ergänzt: "Wir irritieren ganz bewusst oder spielen mit Worten." Schmunzelnd fügt er hinzu: "Und wir hatten einen Heidenspaß dabei!"
Herausgekommen sind überraschende Plakate, die vor allem von den eindrucksvollen Gesichtern echter Caritas-Mitarbeiter leben.
Caritas-Personalreferent Harald Langner, der das Projekt leitete, hat die Mitarbeitenden angesprochen. "Alle waren sofort oder nach kurzer Bedenkzeit dabei. Der Tag, an dem wir die Aufnahmen gemacht haben, war schon sehr besonders: Zehn Frauen und Männer, die voll von ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber überzeugt sind - was kann man sich mehr wünschen?" freut Langner sich über die Ausstrahlung der Kolleginnen und Kollegen.
Überraschen sollen auch die Überschriften: "Was dagegen, dass ich die Alten pflege?" fragt Nevin, die als gläubige Muslima einen Hijab trägt. "Die Caritas hat sich bei mir beworben", erklärt Kerstin. "Für mich zählt Profession, nicht Konfession" sagt Sandra, die konfessionslos ist. Über Ottmar steht die Überschrift "Ich gehe zur Arbeit und in die Kirche" - und er schaut Ulrike an, die sagt "ich gehe zur Arbeit, nicht in die Kirche." Damit wird Caritas-Realität abgebildet. Ulrike sind Glaube und Kirche nicht egal. "Aber ich muss das nicht jeden Sonntag im Gottesdienst ausdrücken", erklärt die Sozialarbeiterin, die in der Schwangerenberatung arbeitet. "Es ist gut, dass mein Arbeitgeber mir vertraut - Kontrolle käme für mich auch nicht in Frage."
Caritasdirektor Franz Loth, der rund 1.600 Mitarbeiter hat, bestätigt das: "Wir können unser christliches Profil anders ausdrücken. Unsere Mitarbeitenden machen das jeden Tag durch die Art, wie sie arbeiten. Und wir bieten ihnen dafür als Arbeitgeber auch einige Besonderheiten. Das verstehe ich unter einem christlichen Leitbild." Dazu gehören nicht nur ein tarifgerechter und im Vergleich überdurchschnittlicher Lohn und eine betriebliche Zusatzversorgung. Betriebliche Gesundheitsangebote, spirituelle Begleitung, Sonderurlaub bei besonderen Lebenssituationen und an manchen Einsatzstellen auch die Möglichkeit, Arbeitszeit und persönliche Lebenssituation aufeinander abzustimmen, sind für Loth Beispiele dafür, wie der katholische Wohlfahrtsverband sein Profil als Arbeitgeber schärft.
Ob die Kampagne zu mehr Bewerbungen führen wird? "Das hoffe ich sehr, aber darum geht es uns nicht allein," antwortet Personalreferent Langner. "Wir wollen ein wichtiges Signal geben: Kirche und Caritas sind modern."
Die Geschichten der zehn Frauen und Männer, die Besonderheiten der Caritas und vor allem alle offenen Stellen finden Interessierte im Internet auf der Seite www.caritas.jobs.