Düsseldorf - Die Caritas in NRW kritisiert die Gesetzespläne der Bundesregierung beim Sorgerecht. Danach soll in Streitfällen um das elterliche Sorgerecht zukünftig ein neues schriftliches Schnellverfahren eingeführt werden. Dabei kann es auch zu Entscheidungen nach Aktenlage kommen, ohne persönliche Anhörung von Mutter und Vater. "Die Caritas in NRW hält das geplante Schnellverfahren bei strittigen Sorgerechtsentscheidungen für ungeeignet", erklärte Heinz-Josef Kessmann, Sprecher der nordrhein-westfälischen Diözesan-Caritasverbände am Montag in Düsseldorf. "Beim Sorgerecht muss das Kindeswohl Vorrang haben", sagte er. Die besondere Situation einer Trennung der Eltern stelle häufig eine Stresssituation und Krise dar. "Daher bedarf es im Konfliktfall einer sorgfältigen Prüfung der Situation, um Kinder nicht zum Spielball elterlicher Interessen zu machen", betonte Kessmann.
Die Caritas in NRW fordere den Bundesgesetzgeber auf, das geplante schriftliche Verfahren, das ohne Anhörung der Mutter und des Jugendamtes auskommen soll, fallen zu lassen. "Bei einer gerichtlichen Entscheidung über das Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern ist eine echte Einzelfallprüfung vor Gericht unabdingbar, eine Entscheidung nur nach Aktenlage dient der Beschleunigung, aber ganz sicher nicht dem Kindeswohl", betonte Kessmann. "Der Gesetzgeber muss beispielsweise auch stärker berücksichtigen, dass in Familien, in denen Kinder Gewalt erleben und Mütter ins Frauenhaus fliehen, ganz besonders sorgfältig Umgangs- und Sorgerecht geprüft werden müssten. "Dies muss auch weiterhin im Rahmen einer individuellen Einzelfallentscheidung nach persönlicher Anhörung richterlich entschieden werden", unterstrich Kessmann, der Caritasdirektor für die Diözese Münster ist.
Hintergrund: Können sich nicht miteinander verheiratete Eltern nicht auf das gemeinsame Sorgerecht verständigen, kann der Vater bei Gericht beantragen, am Sorgerecht beteiligt zu werden. Der Gesetzgeber beabsichtigt, für diese Anträge ein neues schriftliches Schnellverfahren einzuführen: Innerhalb von sechs Wochen muss die Mutter schriftlich darlegen, wieso die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht. Bringt die Mutter keine überzeugende Begründung zu Papier oder verpasst sie die Frist, muss das Gericht ohne Kindeswohlprüfung nach Aktenlage auf gemeinsame Sorge entscheiden.
Der Bundesrat hat in einer Stellungnahme Ende September dieses geplante vereinfachte Verfahren massiv kritisiert. Mehrere Verbände und Alleinerziehenden-Vertretungen haben inzwischen die Online-Kampagne »Schriftliches Schnellverfahren - nein danke! Kindeswohlprüfung - in jedem Fall!« gestartet. Die zentrale Forderung der Verbände geht dahin, das geplante schriftliche Verfahren, dass ohne Anhörung der Mutter und des Jugendamtes auskommen soll, fallen zu lassen.