Ein Klick und schon ist die neue Jeans gekauft. Ich zahle auf Rechnung und muss das Geld erst in 30 Tagen überweisen. Wie praktisch - so kann ich schauen, ob mir die Hose auch wirklich passt und gefällt. Wenn nicht, dann schicke ich sie einfach wieder zurück. Vom Online-Shop werde ich automatisch zu Klarna weitergeleitet. Der Zahlungsanbieter schickt mir eine Übersicht mit allen wichtigen Informationen per E-Mail. Das klingt doch super, oder?
Jasmin Peil Ja, das klingt auf der einen Seite toll, auf der anderen Seite macht es die "buy now, pay later"-Methode den Menschen sehr leicht, mehr Geld auszugeben als er oder sie eigentlich hat. Am Monatsende zum Beispiel, wenn nicht mehr so viel Geld auf dem Konto ist. Durch "buy now, pay later" verlieren viele Menschen zudem ihren Überblick - vor allem dann, wenn man viel online shoppt.
Fakten: Onlineshopping boomt - und das nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. In der EU haben im Jahr 2023 insgesamt 75 Prozent der 16- bis 74-Jährigen angegeben, schon einmal online eingekauft zu haben. Deutschland liegt mit 82 Prozent auf dem achten Platz. Beliebt sind vor allem Kleidungsstücke (74 Prozent), gefolgt von Filmen, die online gekauft bzw. durch Abonnements gestreamt werden. (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Das stimmt. Wenn ich viele Sachen im Internet bestelle, verliere auch ich schon einmal den Überblick. Vor allem aber sind mir die Unterschiede bei den verschiedenen "Buy now, pay later"-Angeboten nicht zu 100 Prozent bekannt.
Jasmin Peil Das ist auch tückisch - vor allem für junge Menschen. Mit den vielen verschiedenen Finanzierungs- und Zahlungsmöglichkeiten der Anbieter verschwimmt die Grenze zwischen Rechnungskauf und Ratenfinanzierung. Die Zahlung läuft in den meisten Fällen über Drittanbieter, bei denen mit dem Kauf unter Umständen sogar ein Kredit abgeschlossen wird. Das heißt, man hat zwei Vertragspartner. Das wird meistens jedoch nicht klar und deutlich kommuniziert. Auch Angaben zu anfallenden Zinsen und Gebühren gibt es häufig nicht.
Fakten:
• Rechnung: Die Zahlung auf Rechnung ist für den Käufer/die Käuferin am sichersten. Er oder sie zahlt erst nach Erhalt der Ware. Wird der Vertrag widerrufen, muss man nicht auf die Rückzahlung des Geldes warten. Auch die Bankdaten müssen nicht offenbart werden. Einziger Nachteil: Eventuell müssen die Kosten für die Rücksendung übernommen werden.
• Kauf auf Rechnung bei einem Online-Bezahldienst wie Paypal, Klarna und Co: Bei Online-Bezahldiensten eröffnen Nutzer:innen zuerst ein Mitgliedskonto und hinterlegen dort persönliche Daten wie Name, Anschrift, E-Mail-Adresse und Mobilnummer. Zudem können Nutzer:innen dort zwischen einem Prepaid-Konto oder der Abbuchung vom Girokonto beziehungsweise der Kreditkarte wählen. Die Variante "Kauf auf Rechnung" suggeriert die Sicherheit eines Rechnungskaufs, obwohl es sich eher um eine Art Vorkasse handelt. Der Zahlungsdienstleister ist ein weiterer Akteur im Kauf- und Zahlungsprozess.
• Ratenzahlung bei einem Online-Bezahldienst: Der oder die Käufer:in zahlt den offenen Betrag über einen Zeitraum von bis zu 48 Monaten in kleinen Raten zurück. Vertragspartner ist in diesem Fall der Zahlungsdienstleister. Quelle: Verbraucherzentrale
Jasmin Peil, Mitarbeiterin in der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas Kleve, zeigt die Klarna-App auf einem Smartphone. Sie sagt: „Die jungen Menschen werden heute in einer anderen Konsumwelt groß.“Julia Lörcks
Kredit, Zinsen, Gebühren - das hört sich nach Bank an. Ich habe doch nur eine Hose im Internet bestellt.
Jasmin Peil Das ist es auch, was wir als Schuldner- und Insolvenzberater kritisieren. Onlineshops bieten den Kauf auf Rechnung häufig gar nicht mehr an, stattdessen verweisen sie auf die Bezahlangebote von Paypal, Klarna und Co. Die Webseiten und Apps sehen allerdings nicht nach Bank aus aus. Im Gegenteil: Die Daten sind schon voreingestellt, es muss nur noch geklickt werden und schon ist der Vertrag abgeschlossen. Die Hürde des Kaufs wird bewusst klein gehalten. Angaben zu anfallenden Zinsen und Gebühren gibt es häufig nicht. Allenfalls stehen diese im Kleingedruckten. Aber mal ehrlich, wer liest sich die allgemeinen Geschäftsbedingungen durch, wenn man eine Hose im Netz kauft. Die Onlineshops profitieren wiederum von der "buy now, pay later"-Zahlung. Denn diese steigert den Umsatz. Ich gebe Geld aus kann, welches ich erst in Zukunft erhalte.
Fakten: 27,7 Prozent der Online-Einkäufe wurden 2023 mit Paypal bezahlt. An zweiter Stelle folgt mit 26,7 Prozent der Rechnungskauf. An dritter Stelle steht das Lastschriftverfahren/Bankeinzug mit 16,7 Prozent und an vierter Stelle (11,4 Prozent) die Kredit- bzw. internationale Debitkarte. Zu den Aufsteigern des vergangenen Jahres zählt der Ratenkauf, der seinen Umsatzanteil im Vergleich zum Vorjahr auf 3,9 Prozent fast verdoppeln konnte. Quelle: EHI-Studie Online Payments 2024
Was sollte ich also beachten, wenn ich online shoppe, beziehungsweise mit welchen Nachteilen muss ich dort auch rechnen?
Jasmin Peil Kredite bei Banken scheuen Verbraucher:innen, Zahlungsoptionen wie "buy now, pay later" boomen hingegen. Das liegt daran, dass die Hemmschwelle niedrig gehalten wird. Ob ich mir still und leise Geld leihen kann oder einen Dritten danach fragen muss, das macht einen gewaltigen Unterschied. Doch hier ist absolut Vorsicht geboten. Vor allem beim Ratenkauf, der gerne auch beim Kauf auf Rechnung als eine spätere Option angeboten wird. Klarna zum Beispiel wertet diesen ab einer bestimmten Kaufsumme als Kreditanfrage und das wiederum kann sich negativ auf den Schufa-Score auswirken. Fest steht: Ein Ratenkauf ist ein Verbraucherkredit. Vielen ist das leider nicht bewusst, da man einen Kredit immer mit einer Bank in Verbindung bringt.
Fakten: Die Schufa stellt einmal jährlich eine kostenlose Selbstauskunft zur Verfügung. Online kann die Datenkopie unter: https://www.meineschufa.de/de/datenkopie abgerufen werden. Beim Bonitäts-Scoring geht es um die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person ihren Zahlungen nachkommt. Das ist für Unternehmen oder Banken eine sehr wichtige Information. Es hilft dabei, datenbasiert zu entscheiden, ob ein Kredit oder ein Kauf auf Rechnung zustande kommt. So wird das Risiko eines Zahlungsausfalls minimiert. Quelle: schufa.de
Es muss doch aber auch gute Gründe geben, warum so viele Menschen die Zahlungsart nutzen. Welche Vorteile haben diese Zahlungssysteme?
Jasmin Peil Ja, eindeutig. Ich speichere meine sensiblen Daten nur beim Zahlungsanbieter und muss diese nicht überall und bei jedem Onlinekauf angeben. Ebenso kann die spätere Zahlungsoption mich durch einen finanziellen Engpass retten - ähnlich wie bei einem Dispositionskredit bei der Bank. Bei Sofortkäufen spricht erstmal nichts dagegen. Allerdings sollte man sich dessen bewusst sein, dass man zwei Vertragspartner hat.
Gibt es Online-Bezahlmodelle, die mehr Sicherheit bieten?
Jasmin Peil Der Kauf auf Rechnung (Überweisung) nach Warenerhalt vom eigenen Konto zum Händler ist eine der sichersten Methoden. Es werden keine Bankdaten herausgegeben. Bei allen anderen Zahlungsmethoden gibt es verschiedene Risiken. Eine gute Übersicht zu den Risiken hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik auf seiner Internetseite erstellt.
Gibt es Forderungen seitens der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung, dem bekanntlich auch die Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas Kleve angehört?
Jasmin Peil Ja, wir fordern mehr Transparenz. Wenn Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit einem Onlinekauf entstehen, müssen sie für alle verständlich vor dem Bezahlprozess erfolgen. Wer einmal in die Schuldenspirale geraten ist, der sollte Zugang zu den Schuldnerberatungen haben. Um alledem vorzubeugen, ist eine präventive Arbeit unabdingbar.
Fakten: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. (BAG-SB) vertritt die Interessen der Schulden- und Insolvenzberatungspraxis sowie der ver- und überschuldeten Haushalte in Deutschland. Als bundesweit anerkannter Fachverband setzt sich die BAG-SB seit 1986 dafür ein, verbraucher- und schuldnerspezifische Themen nicht nur in der Bundespolitik voranzubringen, sondern auch in der Öffentlichkeit auf die Notlage der Ratsuchenden aufmerksam zu machen. Zusammen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband und den Wohlfahrtsverbänden engagiert sie sich in der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV). Quelle: bag-sb.de
Apropos Prävention: Du bist mit den Präventionsangeboten der Klever Caritas viel in Schulen unterwegs. Was brauchen Schüler:innen, um den aktuellen Entwicklungen standzuhalten?
Jasmin Peil Finanzielle Allgemeinbildung von klein auf und Selbstreflexion der jungen Menschen stärken. In einer auf Konsum ausgerichteten Welt muss der Umgang mit Geld, Handy und Internet gelernt werden. Hier sehe ich das private Umfeld, die Elternhäuser sowie Schulen mit in der Verantwortung. Die jungen Menschen werden heute in einer anderen Konsumwelt groß. Bedürfnisse (Belohnung) können sofort befriedigt werden und landen oft innerhalb von 24 Stunden im Briefkasten. Die Zahlungen (Strafe) kann man auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Leider geht dies lange gut, bis man Konsequenzen spürt. Es ist mittlerweile selbstverständlich mit Klarna, Paypal etc. zu zahlen. Früher war die Möglichkeit des Geldleihens und auch die Einkaufsmöglichkeit begrenzt. Daher ist es meiner Meinung nach wichtig, in den Familien offen über Geld und Konsum zu sprechen.
Fakten: Seit 2022 gibt es neue Verträge mit dem Kreis, seitdem können alle Bürger:innen im Kreis Kleve das kostenlose Angebot der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritasverbände im Kreis Kleve in Anspruch nehmen. Weiterer Pluspunkt: Kreis und Caritas setzen seitdem auch verstärkt auf das Thema Prävention. Quelle: Caritas Kleve
Vielleicht ein bisschen oldschool, aber gehört ein Haushaltsbuch vielleicht auch dazu…
Jasmin Peil Ein Haushaltsbuch bietet immer eine gute Übersicht über Einnahmen und Ausgaben. Das geht heutzutage auch digital. Wir empfehlen zum Beispiel die Haushaltsapp "Mein Budget - Ausgaben im Griff". Sie wurde von der Stiftung "Deutschland im Plus" entwickelt und steht kostenlos zur Verfügung. Auch die regionalen Banken bieten digitale Haushaltsbücher an. Hier lohnt sich ein Blick in die Serviceleistungen der kontoführenden Bank.
Info - Die Schuldner- und Insolvenzberatung vor Ort
Die Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas Kleve ist an der Arntzstraße 9 in 47533 Kleve ansässig und unter 02821 7209-220 oder schuldnerberatung@caritas-kleve.de zu erreichen. Das Angebot ist für alle zugänglich und kostenfrei.
Die Schuldner- und Insolvenzberatung bietet auch präventive Angebote für Schulen, Vereine und Institutionen an. Anlässlich der bundesweiten Aktionswoche zum Thema "Buy now, Inkasso später" sind die Kolleg:innen am Mittwoch, 12. Juni, von 9 bis 12 Uhr mit ihren Angeboten am Berufskolleg des Kreises Kleve zu Gast.