Auch die Einrichtungen selbst, in denen erwachsene ältere Menschen mit Behinderung leben, sind wenig darauf eingestellt.
Das gilt allerdings nicht für die Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen in Günzburg, Offingen und Gundelfingen der CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH. Sie haben bereits 2012 angefangen, sich damit auseinandersetzen. Dazu gingen sie eine enge Kooperation mit dem Hospizverein St. Raphael in Günzburg und dem Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst des Caritasverbandes für den Landkreis Dillingen ein. Diese Kooperation ist selten. Als sie nun in Gundelfingen vertraglich festgeschrieben wurde, war es ein deshalb ein besonderer Anlass für die Partner. Christine Hermann, Einrichtungsleitung des Emmausheimes in Gundelfingen, konnte berichten, dass der Caritasverband für die Diözese Augsburg bei entsprechenden Anfragen aus dem Bundesgebiet, ausdrücklich auf diese Kooperation verweise.
Menschen mit Behinderungen wollen wie andere Menschen auch dort sterben, wo sie zuhause sind. Im Kreis ihrer Familie, dort wo sie sich wohl fühlen und sie sich aufgehoben wissen, weil sie gemocht und geliebt werden. Für sie ist das zumeist nicht die leibliche Familie, sondern die Wohngruppe, in der sie seit vielen Jahren und zuweilen auch schon seit mehreren Jahrzehnten leben. Wenn dieser Wunsch auch verständlich ist, so einfach kann er nicht erfüllt werden. Die pädagogischen Fachkräfte, die sie in den Wohneinrichtungen in den Wohngruppen betreuen und begleiten, sind nicht für eine hospizliche oder palliative Begleitung ausgebildet. Was darf oder muss man tun, wenn sich ein todkranker Mensch weigert etwas zu essen und gar nicht trinken will? Wird die Behinderteneinrichtung ihrem Versorgungsauftrag gerecht, wenn sie den sterbenskranken Menschen nicht in ein spezielles Pflegeheim oder in ein Krankenhaus überweist, damit die Fachleute dort sich um diesen Menschen kümmern? Doch die Betroffenen fühlten sich abgeschoben, herausgerissen aus ihrer vertrauten Umgebung. Auch die Mitbewohner litten unter dieser Trennung.
Diese Situation tritt erst seit wenigen Jahren verstärkt auf. Die Euthanasie im Dritten Reich löschte Generationen von Menschen mit Behinderungen aus. Hinzu kommt die medizinische Entwicklung, so dass Menschen mit Behinderungen auch ein relativ hohes Alter erreichen können. Der Caritasverband für die Diözese Augsburg hat sich seit 2009 dieses Themas angenommen, eine umfangreiche Umfrage unter Betroffenen erhoben, analysiert und Tipps und Ratschläge für eine gute hospizliche und palliative Begleitung in einem Handbuch veröffentlicht. Damit den Menschen von Behinderungen wirklich geholfen wird, startete der Diözesan-Caritasverband auch Implemtierungsprojekte zur Umsetzung der Hospiz und Palliative-Care-Kultur in den Einrichtungen. Daran haben sich die Wohneinrichtungen der CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH in Günzburg, Offingen und Gundelfingen von Anfang an beteiligt.
Hospizbegleiter können auf eine 120-stündige theoretische Ausbildung und 20 Stunden praktische Ausbildung zurückgreifen. Doch alles Wissen reicht bei Menschen mit Behinderung nicht aus. „Wer Vorurteile ihnen gegenüber hat, der darf diese Arbeit nicht tun“, sagt Christa Renner. Sie ist ehrenamtliche Hospizhelferin des Dillinger Hospizdienstes der Caritas. „Man muss einfühlsam sein und sich auf ihre besondere kommunikative Art einlassen können.“ „Ihre Aufnahmefähigkeit ist anders“, fügt Jeanette Simon, ehrenamtliche Hospizhelferin des Hospizvereins St. Raphael aus Günzburg hinzu. Geduld müsse man auf jeden Fall haben. „Das Vertrauen muss man aufbauen können. Wenn es aber gegeben ist, dann hat man es voll und ganz“, unterstreicht Ingrid Reimlinger, die Leitende Koordinatorin des Günzburger Hospizvereins.
Für Ronald Miller, den Gesamtleiter der Wohneinrichtungen und Offenen Hilfen der CAB, ist diese Kooperation ein besonderes Geschenk. Zum ersten Mal in der Behindertenhilfe hätte man nicht intern eine Insel-Lösung erarbeitet. „Stattdessen sind wir herausgegangen und holen uns das Fachwissen und die Fachleute in unsere Einrichtungen hinein“, sagte er. Die Kooperation mit den Hospizvereinen, die durch das Implementierungsprojekt entstanden ist, habe den Behinderteneinrichtungen ein Netzwerk auch mit Ärzten und Sozialstationen eröffnet. „Jetzt können wir so gut wie möglich dafür Sorge tragen, dass wir dem Wunsch der uns anvertrauten Menschen, in ihrem Zuhause in Würde sterben zu können, auch bestmöglich nachkommen können.“ Für die pädagogischen MitarbeiterInnen ist das eine „enorme Entlastung“. Wenn sie Rat oder Hilfe brauchen, können sie auch nachts bei den Hospizhelfern anrufen.
„Damit erfüllen wir einen Kernauftrag der Caritas, sich nämlich den schwierigen Fragen zu stellen und sich immer wieder neu zu überlegen, was für Menschen tun können, die unsere Hilfe brauchen“, unterstreicht Stephan Borggreve. Er ist Geschäftsführer des Caritasverbandes für den Landkreis Dillingen, zu dem der Ambulante Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst gehört. Für ihn war es deshalb eine Selbstverständlichkeit, als der Hospizdienst wegen einer Kooperation angefragt wurde, ja zu sagen.
„Wir unterschreiben diesen Vertrag aber nur, weil wir wissen, dass die Ziele der hospizlichen und Palliative-Care-Begleitung auch in diesen Einrichtungen tatsächlich gelebt wird“, betont Birgit Hofmeister, die Leitende Koordinatorin des Dillinger Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienstes. Zwei Mal im Jahr treffen sich die Einrichtungsleitungen und die Hospizvereine. Sie tauschen sich über ihre Erfahrungen bei Begleitungen aus. Neue HospizhelferInnen, die sich bereit erklären, in der Kooperation mitzuwirken und Menschen mit Behinderungen an ihrem Lebensende zu begleiten, werden eingeladen, die Häuser und die Menschen kennenzulernen.
Für Desirée Häusler, die offen sich zu ihrer Angst vor dem Tod bekennt, ist diese Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Hospizhelfern eine wirkliche Entlastung und eine echte Hilfe. Häusler ist Bewohnervertretung im Haus Auweg in Günzburg. „Solche Menschen sind für uns Menschen mit Behinderung wichtig. Denn viele wissen nicht, wie man mit uns umgeht.“