Deshalb wagte sie den Schritt und ist aus Pakistan geflohen. In Großbritannien konnte sie nicht Fuß fassen, ihr Asylantrag wurde zudem abgelehnt. Sie musste schließlich zurück. Trotz ihrer vielen Angst vor ihrem Mann, ihrer Familie, dem gesamten sozialen Umfeld, das sie zuhause erwarten würde. Die junge Frau von nur 21 Jahren fand einen Weg. Aber dieser Weg war alles andere als einfach - weder für sie noch für ihre Berater in der Rückkehrberatungsstelle, die sie nach weiteren Umwegen in den Niederlanden aufgesucht hatte. Sie konnte heimkehren, nicht aber in ihren Heimatort, sondern ganz woanders, wo sie fachliche Unterstützung erhielt.
Dies ist ein Beispiel von vielen, die die Transnational Exchange III - Konferenz von Rückkehrberatungsstellen aus 16 Ländern in Augsburg thematisierte. Zentraler Ansatz bei allen Überlegungen war, dass es bei der Rückkehrberatung um viel mehr geht als nur um die Aufnahme von persönlichen Daten und der Abwicklung der Rückreise. Es müssen viel mehr Faktoren berücksichtig werden, damit sicher gestellt werden könne, dass die rückkehrwillige Person in ihrem Heimatland ein sicheres Leben mit Aussicht auf eine gute Zukunft führen kann. Es soll nicht wieder eine Situation entstehen, die zur Flucht bzw. Auswanderung führt.
Lenie von Goor vom "Flüchtlingswerk Niederlande" (VluchtelingenWerk Nederlands) betonte deshalb, wie wichtig eine umfängliche, nichts beschönigende Beratung sei. Diese müsse nicht nur die Person selbst mit ihren Stärken und Schwächen sowie ihrem Wissen und Können, sondern auch soziale und pädagogische Faktoren in den Blick nehmen. In welches Umfeld geht die Person zurück? Ist sie dort willkommen? Hat sie deshalb überhaupt eine Chance, dort neu anzufangen und auch beruflichen Erfolg zu haben? Welche Begleitung kann vor Ort geleistet werden? Auch die politische Situation vor Ort ist zu beurteilen. Wie bewerten sie die Regierungsbehörden des Ausreiselandes, wie schätzen sie die Partner der europäischen Beratungsstellen vor Ort ein? Welche Folgen hat die Rückkehr für eine Frau, wenn sie z.B. in ihr islamisch geprägtes Heimatland zurückkehrt? "Die Rückkehrberatung kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn wir vom Beginn der Beratung an, keine Mühen scheuen, alle möglichen Faktoren zu berücksichtigen", so von Goor.
Von Goors Kollegin Annet Ijff - vom "VluchtelingenWerk Nederlands" ging darüber hinaus. Sie hatte an dem europaweiten Projekt ERSO teilgenommen, das sich mit schutzbedürftigen Rückkehrern, insbesondere traumatisierten und psychisch kranken Personen beschäftigte. Ijff forderte, "genau hinzuschauen, was mit der Person los ist, die in die Rückkehrberatungsstelle kommt". "Wir dürfen die Menschen nicht in zu kleine Boxen stecken", fasste sie ihre Erfahrungen zusammen "Wir brauchen einen differenzierten Kriterienkatalog." Dieser müsse die persönliche psychische Verwundbarkeit (Vulnerabilität) eines Menschen genau unter die Lupe nehmen. Hinter so mancher Aggressivität im Gespräch oder scheinbarer Faulheit würde sich oft eine psychische Erkrankung verbergen. Die Niederländerin warnte auch davor, scheinbare psychische Stabilität im Beratungsgespräch als gegeben zu betrachten. "Wir müssen auch bedenken, dass es infolge der Rückkehr und der Situation zuhause zu einem Ausbruch einer späten Folge einer Traumatisierung kommen kann."
Während die beiden niederländischen Beraterinnen europäische Erkenntnisse vorstellten, erzählten Organisationspartner aus Ghana, dem Libanon und Pakistan von ihren Erfahrungen. Diese Organisationen besuchen, begleiten und unterstützen in der Regel Rückkehrer bis zu sechs Monaten. Manchmal sogar darüber hinaus.
Grace Kombian von der christlichen Nichtregierungsorganisation AGREDS (Assemblies of God relief and Development Services) in Ghana erzählte von Männern, die sich nach ihrer Rückkehr gar nicht trauten, ihrer Familie zu sagen, dass sie nun für immer dableiben würden. "Wie also wurde die Ausreise nach Europa finanziert, war die Rückkehr erzwungen oder freiwillig?" Antworten auf diese Fragen bedingen dann auch die Re-Integration in die heimatliche Gesellschaft. Der Rückkehrer habe sich oft innerlich davon auch entfremdet. Zuhause erwartet man aber von ihm, dass er wieder alles akzeptiert und in der Lage ist, eine Familie zu ernähren. So bestehe bei Rückkehrern nicht nur wegen einer anderen sexuellen Orientierung oder anderen Lebenseinstellung Angst vor Diskriminierung oder Ablehnung, sondern aus Gründen alltäglicher Zwänge, in die der Rückkehrer keineswegs wieder leicht hineinfinde.
Zia Ul Badar vom SSD Pakistan (Society for sustainable Development), sprach davon, dass die Rückkehr in die eigene Familie alles andere als einfach sei. Die Ausreise bzw. Flucht werde dort als Ablehnung der Familie verstanden. Ul Badar und seine Kollegen verwenden deshalb viel Energie darauf, diesen Familien zu erklären, dass sie nicht der Grund für die Ausreise bzw. Flucht gewesen seien, sondern die gesellschaftlichen Gegebenheiten und Zwänge, "das System". Frauen und Mädchen, die Angst vor einer Zwangsverheiratung hätten, würden sie auch beistehen und ihnen helfen. "Wir müssen gestehen, dass es auch vorkommt, dass einige Rückkehrer es bedauern zurückgekommen zu sein."
Eine besondere Situation besteht bei syrischen Flüchtlingen. Wegen der Kriegssituation in Syrien wird eine Rückkehr von keiner staatlichen Stelle unterstützt. Und dennoch wollen immer wieder, wenn auch vereinzelt, Syrer zurück zu ihren Familien, weil sie sich hier in Deutschland einsam fühlen. Bruno Atieh, Chef der Caritas Libanon, kennt das Problem. Er versteht den Wunsch, zur eigenen Familie zurückkehren zu wollen, ob sie in der Türkei, im Irak oder im Libanon sich derzeit aufhalten oder in noch sicheren Regionen in Syrien. "Hier sollte man sich etwas flexibler zeigen", meinte er.