Hilfen scheitern nicht am Wissen, sondern an der Unterfinanzierung der Dienste
Augsburg, 29.03.2019 (pca). Die Politik macht es sich einfach. Pflegende Angehörige will sie mit dem Pflegestärkungsgesetz von 2017 besser unterstützen, als es zu vor der Fall war. Das behauptet die Politik zumindest. "Das Ansinnen ist gut, denn pflegende Angehörige brauchen Unterstützung. Sie leisten sehr viel", so Gudrun Jansen, die Geschäftsführerin der Sozialstation "Augsburg Hochzoll Friedberg und Umgebung Ökumenische Ambulante Pflege gemeinnützige GmbH". "Aber an der Umsetzung scheitert viel zu viel, weil die Finanzierung zu schlecht und die Vorschriften für die Umsetzung nur hinderlich sind."
Offizielle Daten sprechen davon, dass 70 Prozent der pflegenden Angehörigen sich gar nicht über die Unterstützungsmöglichkeiten informieren würden. Jansen kann dieser Zahl aber keinen so richtigen Glauben schenken. "Unsere Erfahrung sieht ganz anders aus. Die Betroffenen sind mittlerweile mürbe geworden und versuchen es erst gar nicht mehr, Unterstützung zu beantragen." Ein Grund hierfür ist die für Augsburg deutlich zu niedrige Anzahl von Kurzzeitpflegeplätzen. Auch einen Tagespflegeplatz zu erhalten ist mittlerweile schwierig. "Die Wartelisten hierfür belegen das."
Die Möglichkeit, pflegebedürftige Angehörige nach einem Krankenhausaufenthalt oder wenn man selbst in den Urlaub fahren, aber die pflegebedürftigen Eltern gut versorgt und untergebracht wissen will, steht zwar auf dem Papier, ist aber kaum realisierbar. Für die Großstadt Augsburg gibt es nur 40 Kurzzeitpflegeplätze. Ein Grund dafür ist die miserable Refinanzierung der sogenannten solitären Kurzzeitpflegeeinrichtungen, Einrichtungen also, die nur Kurzzeitpflegeplätze anbieten. Sie werden von den Kostenträgern, der Pflegeversicherung und den Krankenkassen wie stationäre Pflegeeinrichtungen eingestuft. D.h. sie brauchen eine nahezu durchgängige fast 100prozentige Belegung. "Das ist einfach nicht machbar, weil so nicht planbar", sagt Jansen. Kurzfristige Absagen von lange zuvor abgestimmten Buchungszeiten tragen ihren Teil dazu bei. Gleichzeitig kann man den Personalbestand nicht von der sich ständig wandelnden Belegung abhängig machen. "Die Insolvenz dieser Einrichtungen sind also von den Verantwortlichen in der Politik wie auch den Kostenträgern fest mit eingeplant", bringt es Jansen auf den Punkt. Stationäre Senioreneinrichtungen bieten zwar sogenannte eingestreute Plätze an, "aber nur dann, wenn diese Plätze im Moment des Bedarfs auch tatsächlich frei sind."
So wären bspw. auch die pflegerischen Betreuungsleistungen und Unterstützung in der Haushaltsführung sicherlich eine tolle Unterstützung für die Betroffen. Diesen Leistungen steht Jansen mehr als skeptisch gegenüber. 125 Euro sind dafür vorgesehen. "Aber allein der bürokratische Aufwand dafür frisst das Geld schon auf." Hinzu kommt, dass sie für die Sozialstationen mangelhaft finanziert sind. Die Leistungsstunde, so das Gesetz im Sozialgesetzbuch XI, wird dabei nur mit 24 Euro verrechnet. "Schulungen, notwendige Weiterbildungen, die gesamten Overhead-Kosten wie Ausstattung, Kleidung, Verwaltung und Fahrzeug sind darin nicht enthalten", erläutert die Geschäftsführerin der Sozialstation in Hochzoll.
Erschwerend kommt hinzu, dass mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs viel mehr Menschen durch den Pflegegrad I einen Anspruch auf diese Leistungen haben und aufgrund des Personalmangels Sozialstationen diese Leistungen nicht mehr anbieten können.
478 KlientInnen zählte die Sozialstation in 2018. Bei 150 wurden hauswirtschaftliche Leistungen erbracht. Anfragen wären für 300 KlientInnen vorgelegen. Doch die Sozialstation konnte nur die Hälfte bedienen. Und Jansen weiß nicht, ob sie dieses Angebot wird aufrechterhalten können. Zwar kann sie dafür noch auf Zuschüsse des Fördervereins Sozialstation Friedberg e. V., der Bürgerstiftung Friedberg und des Vereins Soziale Dienste Hochzoll zurückgreifen. "Aber dieses Angebot ist so defizitär, dass ich wirklich nicht weiß, ob wir es auch künftig vorhalten können und wollen."
Allein diese Fragen sich stellen zu müssen, tut Jansen weh. Sie ist überzeugt davon, dass der Bedarf an diesen Leistungen zunehmen wird. Schon jetzt gebe es viele Alleinstehende, deren Familienangehörige weiter weg wohnen und sich nicht um sie kümmern können. "Ihre Zahl wird zunehmen. Da können Angehörige noch so gut informiert sein, wenn es aber die nötigen Hilfen nicht gibt, weil sie nicht richtig finanziert werden, dann können sie noch so viel beantragen, Antworten werden sie genauso wenig erhalten wie Hilfen."