Um das Thema "Zwang in der Psychiatrie" drehte sich das zweite "Trialogische Gespräch", zu dem der Sozialpsychiatrische Dienst des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg in seine Räume in Günzburg eingeladen hatte. Ziel dieser Gesprächsreihe ist es, so Wolfgang Mohr, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes, "die Sichtweise des anderen einmal kennen zu lernen". So trafen sich in dieser Runde Menschen mit einer psychischen Erkrankung, Angehörige, professionelle Helfer und Interessierte.
"Sie hatten Angst, dass ich mir etwas antun würde", berichtete einer der Betroffenen, der wusste, was es heißt, in der Psychiatrie fixiert zu werden. Seit einer Gesetzesänderung im Januar 2013 wurde die Zwangsbehandlung von psychisch kranken Patienten neu geregelt. Danach sind Zwangsbehandlungen nur noch als "allerletztes Mittel" möglich und unter engen Voraussetzungen. Wo aber verlaufen die Grenzen? "Es ist eine Zwickmühle", beschreibt ein Berater die Situation. Wenn er vor sich einen Menschen habe, der meint, nichts essen zu müssen, der sich verletzt oder andere bedroht, dann frage er sich schon: "Was muss eigentlich noch an Schrecklichem geschehen, ohne dass ich eingreife?"
Die Teilnehmer der Runde suchten zu unterscheiden. Einig waren sie sich darin: Wenn ein psychisch Erkrankter in einem veränderten Bewusstseinszustand über Grenzen geht, wenn er womöglich auffällig und aggressiv wird, müsse es auch als Teil der Behandlung möglich sein, ihm die Grenzen aufzuzeigen. Das müsse nicht unbedingt durch eine Fixierung oder schwere Medikamente geschehen. Es wurde auch von anderen Lösungen erzählt - etwa von Snoezelen-Räumen (Räume zur Tiefenentspannung) in psychiatrischen Einrichtungen oder von der Praxis in England, einen Klienten, der außer sich ist, professionell "festzuhalten", um die Situation zu deeskalieren. Arno Gutmair, Genesungsbegleiter im Bezirkskrankenhaus Günzburg, hob auch die Möglichkeit einer Behandlungsvereinbarung zwischen Klinik und Patient hervor. Darin könne der Patient bei vollem Bewusstsein mit der Klinik vereinbaren, wie gehandelt werden könne, falls er nicht einsichtsfähig sein sollte. Es könne sogar sein, dass der Patient selbst als "ultima ratio", etwa "wenn’s gefährlich wird für sich und andere", einer Fixierung zustimmt.
Psychiatrieerfahrene Gesprächsteilnehmer wiesen auf den Aspekt hin, dass es Patienten auch gut tun könne, sich in einer Psychiatrie umsorgt und sicher zu wissen. Vor allem dann, wenn der seelische Druck durch die Erkrankung zu hoch geworden ist. "Dann spiele ich gerne mit", sagte einer. Was heißen könne: Um seine eigene Freiheit wieder herzustellen, kann diese Freiheit unter gewissen Umständen auch eingeschränkt werden. Voraussetzung dafür sei eine gute Kooperation mit den Ärzten - und vor allem Zeit.
Als nicht akut behandelnde, sondern beratende Einrichtung verstehen sich die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes in der Günzburger Zankerstraße 1a, verwies der Psychologe und Leiter der Einrichtung Wolfgang Mohr auf den Auftrag seiner Einrichtung.
INFO
Die Reihe "Trialogische Gespräche" wird fortgesetzt am 2. Juni mit dem Thema "Stigma unheilbar krank"; am 7. Juli geht es um die "Sozialpsychiatrische Versorgung". Die Gespräche finden von jeweils 18 Uhr bis 19.30 Uhr in den Räumen des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Günzburg, Zankersraße 1a, statt.
Menschen, die an einem Beratungsgespräch Interesse haben, können unter der Telefonnummer 08221-32150 einen Termin vereinbaren.