Augsburg, 30.11.2016 (pca). Wenn man generationenübergreifend zusammenarbeitet, kann man nicht nur viel erreichen, sondern auch voneinander profitieren und lernen. Wie sehr, das durften 30 Bewohnerinnen des Caritas-Seniorenzentrums St. Antonius in Augsburg und 29 Schülerinnen und Schüler der Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg hautnah erleben.
Zusammen pflanzten sie im Garten von St. Antonius Tulpenzwiebel, Krokusse, Narzissen, Osterglocken, Fliedersträucher, Ziergräser und Erdbeeren. Die Gestaltung wurde durch Hochbeete zum selber ernten, eine Reihe von Gestaltungelementen wie Mosaikblüten, Spruchtafeln, Tier-und Kunsttafeln untermauert. Ziel der Aktion war „nicht nur die Verschönerung“ des Gartens, wie Susanne Hirschmann, Lehrerin und stellvertretende Schulleiterin an der Berufsfachschule, sagte. „Die damit verbundene Bewegung und frische Luft tat den Menschen gut. Sie hatten viel Spaß dabei und gleichzeitig wurden Erinnerungen an jene Zeiten in ihrem Leben geweckt, als sie noch selbst einen Garten pflegten.“
Im Unterricht hatte die Hirschmann die Schülerinnen der Altenpflegeschule auf dieses Projekt und den Sinn der Gartengestaltung vorbereitet. „In der Ausbildung oft sehr junger Menschen kommt es darauf an, theoretisches Wissen und Wissen aus vergangenen Zeiten auch erlebbar zu machen.“ Die Schüler müssten Techniken der Gesprächsführung und Betreuungskonzepte für demenziell veränderte Menschen beherrschen. Dazu gehöre auch das Erlebnis, aus den ausgetretenen Pfaden der Pflege herauszutreten, also die persönliche Lebensführung des Menschen in das Gesamtkonzept pflegerischen Handelns zu integrieren.
Jacqueline Schrupp macht die dreijährige Ausbildung zur Altenpflegefachkraft. Sie hat sich zweier Bewohnerinnen angenommen. Die eine sitzt im Rollstuhl, die andere stützt sich auf ihren Rollator. Schrupp kümmert sich um das Einsetzen der Zwiebeln für die Osterglocken und Krokusse in die Wiese. Sie könnte das alleine tun, fragt aber das Wissen der Bewohnerin ab: „Wo soll ich sie einpflanzen? Welche Farbe nehmen wir? Wie pflanze ich sie am besten ein?“ „Dort - und die anderen nicht so weit weg“, sagt die eine Bewohnerin im Rollstuhl. „Mir hat es schon immer gefallen, wenn die Farben durcheinander gemischt sind“, ergänzt die andere. Und sie fügt hinzu. „Da müssen‘s schon mit mehr Kraft die Schaufel in die Erde stecken.“ Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Jacqueline Schrupp macht der Tag Spaß. „Ich finde diese Aktion gut. Da steckt alles drin, was wir lernen.“ Sie lernt dabei auch zu begreifen, wie viel alte Menschen wissen, was vielleicht unter anderen Umständen gar nicht erkannt worden wäre.
Ihre Schülerkollegin Claudia Lutz hat sich einer Dame angenommen, die nicht nur im Rollstuhl sitzt, sondern auch eine Demenz hat. Die Dame versteht nur noch Italienisch - eine pflegerische Herausforderung, die nonverbale Kompetenz voraussetzt. Lutz fährt die Dame im Garten herum, weist auf die vielen Arbeiten ihrer Mitbewohnerinnen hin, zeigt ihr die Pflanzen und versucht mit ihr etwas auf Italienisch zu sprechen. Sie erhält keine Antwort, aber die gebrechliche Dame lächelt und ihre Augen glänzen. Das Gedächtnis kann man durch die demenziellen Veränderungen verlieren, nicht aber das Gefühlsgedächtnis. Die Schülerin schob nicht nur den Rollstuhl und kümmerte sich um die Dame. Sie hörte auch in sich selbst hinein: „Was empfinde ich, was läuft bei mir ab?“ Mit einem alten, gebrechlichen Menschen fachlich korrekt umzugehen, bedeutet viel mehr als nur mitzugehen, einen Rollstuhl zu schieben, hin und wieder etwas anzusprechen und die Zeit dazwischen in Stille auszuhalten – auch wenn es oberflächlich für einen Außenstehenden so wirken mag. Der Kern dieses Tuns liegt darin begründet, dass dadurch Lebensqualität erhalten wird.
„Es geschieht hier sehr viel, auch wenn es von außen so nicht aussieht“, erklärt die Lehrerin Susanne Hirschmann. „Wenn wir die Bewohner zu einer Aktion in dem Garten einladen und sie in den normalen Alltag holen, geschieht Aktivierung.“ Mit dem geweckten Interesse, der Bewegung, der wiederholt ausgesprochenen Einladung sich zu erinnern, werden die alten Menschen in ihren Sinnen stimuliert und gleichzeitig körperlich aktiviert. „So kann Altenpflege ganz „nebenbei“ prophylaktisch wirken, indem sie einen weiteren körperlichen und geistigen Abbau zumindest zu verlangsamen hilft“, so Hirschmann. Der Verlust der Persönlichkeit durch zu wenig soziale Kontakte kann so vermieden werden.
Besonders freut es die Altenpflege-Lehrerin, dass die Pflanzaktion im Caritas-Seniorenzentrum St. Antonius bei den Bewohnerinnen und Bewohnern so gut angekommen ist. Die Menschen baten am Ende der Veranstaltung, dass die Schülerinnen bald wiederkommen und wieder so ein herrliches Angebot machen sollten. Eine Bewohnerin hatte mit einer Gruppe Senioren aus Dank für jede Schülerin ein Stofftier gestrickt. Auch die Schülerinnen blicken dankbar zurück und sind froh über ihre dabei gemachten Erfahrungen. „Wir haben viel gelernt“, sagten sie alle bei der Auswertung der Pflanzaktion.
Pressemitteilung
86152 Augsburg
Altenpflegeschule: Wie Altenpflege ganz nebenbei prophylaktisch wirken kann
Erschienen am:
30.11.2016
Herausgeber:
Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V.
Auf dem Kreuz 41
86152 Augsburg
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Beschreibung