Nicht nur die Energiekrise belastet die stationäre und ambulante Pflege - Caritas fordert Sofortprogramm
Augsburg, 27.09.2022 (pca). Die stationären Pflegeeinrichtungen und die ambulanten Dienste steuern auf eine Krise zu, deren Entwicklung und Ausgang heute noch niemand abschätzen kann. Vier Faktoren sind hierfür entscheidend. Der Wegfall des Erstattungsverfahrens für die pandemiebedingten Kosten seit dem 30.6.2022, der massive Anstieg der Sachkosten, vor allem die Lebensmittel- und Energiekosten, die anstehenden Tariferhöhungen sowie Minderbelegungen aufgrund von Personalmangel. Darauf weist nun Eva-Maria Schädle-Rosculet, Leitung der Stabsstelle Pflegesatz und Entgeltwesen im Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V. hin.
Wegen der Corona-Krise wurden den stationären Einrichtungen und ambulanten Pflegedienste pandemiebedingte Mehrkosten z.B. für Hygieneschutzmaßnahmen sowie für durch Personalausfälle bedingte Überstunden erstattet. Ebenso erhielten diese Dienste Ausgleichszahlungen für Mindereinnahmen bzw. Einnahmeausfälle, wenn z.B. eine Einrichtung geschlossen werden musste. Diese Regelung war zum 30. Juni 2022 ausgelaufen. Doch die Krise ist nach wie vor nicht zu Ende. D.h. die Kosten fallen nach wie vor an - aber es gibt keinen finanziellen Ausgleich. Eine Finanzierung dieser Kosten aus den Pflegesätzen ist vielfach nur sehr eingeschränkt möglich.
Welche Folgen der massive Anstieg der Energiekosten haben wird, ist noch nicht absehbar. Bei den Pflegesatzverhandlungen mit den Kostenträgern (Bezirk Schwaben bzw. Bezirk Oberbayern und die Pflegekassen) muss immer eine Annahme im Hinblick auf die Energiekostenentwicklung im Voraus vorgenommen worden. Es wird nämlich immer der Pflegesatz für das jeweils kommende Jahr verhandelt. Da aber im Augenblick jeder von einer massiven Kostensteigerung ausgeht, deren Höhe aber niemand definieren kann, gehen die stationären wie auch die ambulanten Dienste davon aus, dass sie wegen der Energiepreise in eine deutliche Unterfinanzierung geraten. Die Kostenträger fordern, wie es auch das Gesetz will, dass die Einrichtungen und Dienste in der Altenhilfe geeignete Nachweise und Belege für die beantragten Steigerungsraten vorlegen. Doch das ist derzeit äußerst schwierig, da die Energieanbieter ihrerseits keine klaren Aussagen machen und sich nicht auf verbindliche Steigerungen festlegen.
Der dritte Faktor liegt darin begründet, dass u.a. auch bei der Caritas die Tarifverträge für die Bezahlung des Personals zum 31. Dezember 2022 auslaufen. Bei der Caritas ist man skeptisch, ob die, für die Pflegesatzverhandlungen derzeit prognostizierten Lohnsteigerungen in Höhe von fünf Prozent eigentlich nicht zu niedrig angesetzt sind. Der Blick auf aktuelle Tarifverhandlungen sowohl in der Pflegelandschaft als auch in anderen Branchen zeigt teilweise höhere Personalkostensteigerungen über 5,0% für die Zukunft.
Zur Kompensation dieser Belastungen müssten die stationären Altenpflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste ihre Preise erhöhen. Doch auch das wird in der Brache als derzeit utopisch bewertet. Die fortschreitende Personalknappheit verschärft nämlich im Pflegebereich durch die hohen Corona-bedingten Personalausfälle nochmals. Da in der Pflege das zur Verfügung stehende Personal die Möglichkeit zur Versorgung pflegebedürftiger Menschen rechtlich und faktisch begrenzt, können nicht so viele pflegebedürftige Menschen versorgt werden wie es aktuell aufgrund der akuten Bedarfssituation notwendig wäre. Dies bedeutet, dass in stationären Einrichtungen teilweise keine neuen Bewohner*innen aufgenommen werden können. Der Caritasverband in Augsburg beobachtet derzeit eine Minderbelegung in der stationären Altenhilfe von durchschnittlich zehn bis 20 Prozent. Auch ambulanten Pflegedienste müssen Anfragen nach Pflegeleistungen ablehnen. All dies führt, nachdem die Fixkosten der Einrichtungen ja weiter anfallen (z.B. Gebäudekosten), zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen der Einrichtungen.
Der Caritasverband für die Diözese Augsburg ist deshalb voller Sorge für die anstehenden Monate. "Wird kein Ausgleich für all diese finanziellen Mehrbelastungen gefunden, steuern die Altenpflegeeinrichtungen einer starken Unterfinanzierung entgegen. Ohne ein Sofortprogramm zur Stützung der Pflege z.B. aus Haushaltsmitteln der Politik können wir nicht ausschließen, dass Einrichtungen vor der Entscheidung stehen können, ganz zu schließen", heißt es besorgt bei der Caritas. Wird hier keine Lösung gefunden, werden die anfallenden Mehrkosten von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Pflegeheime getragen werden müssen. Ohnehin sind die Eigenanteile für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Angehörigen in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die aktuellen Belastungen werden dazu führen, dass diese Anteile weiter steigen werden.