Augsburg, 14.11.2013 (
pca
). Wer nichts zu sagen hat, der braucht auch nicht
mitreden. So eine gängige Meinung. Menschen, die sich aufgrund einer
Behinderung mit der Kommunikation schwer tun, waren und werden deshalb von
vornherein ausgeschlossen. Sie können nichts sagen, deshalb können sie auch
nicht mitreden. Ausgrenzung war und ist die Folge – im Alltag, bei Behörden, in
Firmen, in der Straßenbahn oder in der Kneipe. Und selbst die Gutwilligen, die
meinten, das Beste für die Menschen mit Behinderung zu tun, wussten letztlich
selbst nicht, ob das, was sie entschieden, das ist, was die Betreuten wirklich
wollen. Dank moderner Technik, neuer Ansätze, die sich unter dem Fachbegriff
Unterstützte Kommunikation bündeln lassen, bestehen nun die Möglichkeiten, auch
Menschen mit Einschränkungen besser mit einzubinden. Wie das geht, welche
Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen und was damit erreicht werden kann,
darüber informierte die Fachtagung Inklusion braucht Kommunikation, die die CAB
Caritas Augsburg
Betriebsträger
gGmbH
und die Stadt Augsburg gemeinsam im Rathaus
veranstaltet hatten.
Augsburgs Oberbürgermeister Dr.
Kurt
Gribl
will niemanden ausgeschlossen wissen. „Alle
sollen sich hier miteinander verständigen und besser miteinander reden können. Wenn
das gelingt, geht es uns allen besser“, unterstrich er in seiner Grußansprache.
Kommunikation mit Menschen mit Einschränkungen dürfe deshalb nicht nur ein
Thema entsprechender Fördereinrichtungen sein, „sondern muss in die
Öffentlichkeit getragen werden“, wie es der Geschäftsführer der CAB Caritas
Augsburg Betriebsträger
gGmbH
Franz Minnerrath unterstrich.
Dass die Beteiligung an der Kommunikation miteinander auf den
unterschiedlichsten Ebenen im alltäglichen und gesellschaftlichen Leben nichts
Besonderes sei, das unterstrich Christine Borucker. „Verstehen, mitreden und
dadurch mitbestimmen und teilhaben zu können, das ist ein zutiefst
demokratischer Gedanke. Sich mitteilen zu können, ist doch für jeden von uns
entscheidend für unsere Lebensqualität.“
Borucker leitet die Beratungsstelle Unterstützte Kommunikation der CAB.
Dass das Miteinander Reden gar
nicht so einfach ist, das zeigten schon die vielen Ausstellungsstände im
unteren
Flez
des Rathauses, die die
unterschiedlichsten Hilfsmittel und Methoden vorstellten, mit denen Menschen,
die aufgrund ihrer Behinderung nicht sprechen können, doch klar das sagen
können, was sie sagen wollen. Da gibt es das einfache Sprachausgabegerät, bei
dem man auf Piktogramme (Bilder also) drücken muss, damit das Gerät einen
hinterlegten Satz vorträgt, und das um vieles teurere komplizierte
Sprachausgabegerät, das mit den eigenen Augen oder mit einem Joystick gesteuert
wird. Zudem warben die CAB Caritas Augsburg Betriebsträger
gGmbH
oder das Dominikus-Ringeisen-Werk für ihre Fachzentren Leichte Sprache. Der
Bezirk Schwaben stellte an seinem Stand ihre Schriftenreihe in Leichter Sprache
vor.
Doch selbst diese Methoden
reichen nicht aus. Denn wenn man sich mit einem Menschen unterhält, der ein
Sprachausgabegerät nutzt, muss erst der Satz eingetippt werden. Man muss
geduldig warten können, bis der Satz dann vorgetragen wird. Klaus Kneißl, der
Sozialplaner der Stadt Augsburg, wies deshalb in seinem Plädoyer darauf hin,
wie wichtig die innere Haltung sei. „Wir können noch so viel von Inklusion
reden, über die verschiedensten Möglichkeiten, aber wenn die innere Haltung und
Bereitschaft dazu fehlt, tut sich nichts“, sagte er. „Barrierefreiheit auch in
der Kommunikation fängt im Kopf an“, sagte Augsburgs Sozialreferent Maximilian
Weinkamm
. Die Fachtagung lade zur „Selbstbesinnung“ ein.
Man müsse sich selber entsprechend schulen, auch wenn die aufwendig und mühsam
sei. Sabrina Scholl, selbst behindert, wünscht sich mehr Achtsamkeit von den
Mitmenschen, „dass man halt mal nachfragt, warum man sich schwer tut, und einfach
hilft.“
Den Organisatoren der CAB gelang
es schon im Einführungsvortrag die Teilnehmer der Fachtagung gedanklich und
emotional auf einen Weg mitzunehmen, der dazu einlud, seine eigene Haltung zu
überdenken. Schauspieler der Akademie für darstellende Kunst in Ulm
unterbrachen immer wieder den Einführungsvortrag, liefen durch die Reihen und
sprachen komplizierte Sätze im Stakkato nach, um so die Unverständlichkeit des
kompliziert Gesagten zu unterstreichen. Ein eigens produzierter Film wurde zum
Thema Inklusion in Augsburg vorgestellt. Beeindruckend waren auch die Beiträge
von Sonja
Lyapina
und Peter Nusser. Beide sind
spastisch gelähmt und sind deshalb nicht in der Lage, verständlich zu sprechen.
Aber sie beteiligten sich mit selbst formulierten ausführlichen Sätzen am
Einführungsvortrag.
Peter Nusser aus Friedberg
verfasste mit seinem augengesteuerten
Talker
, einem
computergestützten Sprachausgabegerät, eine klare Botschaft an alle Teilnehmer:
„Wir wollen uns als Menschen mit Behinderung in der eigenen Gesellschaft nicht
fremd fühlen.“ Die 22-jährige Sonja
Lyapina
,
schwerstbehindert im Rollstuhl wie Peter Nusser, überraschte mit ihrer Aussage,
dass sie selbständig sein will, denn sie sei nicht dumm. Dank ihres
Talkers
, den sie mit einem Joystick steuert, hörten mehr
Menschen auf sie, sie sei besser integriert und könnte nun mit anderen Menschen
viel Spaß haben. Nachmittags sah man sie in einem Kreis interessierter
Teilnehmer, mit denen sie sich intensiv unterhielt. Hätten die Zuhörer keine
Geduld mitgebracht und sich vom äußeren Erscheinungsbild eines
schwerstbehinderten Menschen im Rollstuhl täuschen lassen, hätten sie niemals
erfahren, welche Gedanken Sonja
Lyapina
und Peter
Nusser sich zum Thema Inklusion machen.
Die Kosten für Sprachausgabegeräte,
wie sie
Lyanpina
und Nusser erhalten, werden von den
Krankenkassen getragen. Doch so einfach seien sie nicht zu nutzen, erklärte Borucker.
Sie müssten auf die einzelne Person eingestellt werden. Betroffene müssten
manchmal mühsam lernen, sie richtig zu nutzen. Die Kosten der Begleitung und
Beratung übernehme aber niemanden. Die Beratungsstelle der CAB für Unterstützte
Kommunikation werde bislang nur mit Mitteln der Aktion Mensch und aus
Eigenmitteln finanziert.
Augsburgs OB will es jedenfalls
bei der Tagung nicht belassen. Auch will er nicht mehr, dass die Stadt nur auf
entsprechende Anfragen und Bitten reagiert. „Dieser Mindeststatus reicht mir
nicht“, sagte er in der Pressekonferenz. „Wir müssen uns dieses Themas
grundhaft als Triebfeder annehmen.“ Die Stadt sieht er dabei auf einem guten
Weg. Bereits im Mai 2011 habe die Stadt ein Symposium zur Barrierefreiheit
durchgeführt. Der OB sieht die Fachtagung als Teil des Entwicklungsweges zur
inklusiven Stadt. „Es werden wohl immer kleine Schritte sein, die wir gehen,
aber wir dürfen nicht aufhören, diese Schritte zu gehen“, appellierte er. Die Inklusion
und die Barrierefreiheit in allen Bereichen gehe nämlich die ganze Gesellschaft
an.
Info:
Methoden und Hilfsmittel der
Unterstützten Kommunikation
·
Basale Kommunikation
·
Plan mit Bildern, Fotos und Schrift
·
Sprachausgabegeräte
·
Leichte Sprache
Barrieren der Kommunikation
können sich ergeben bei:
·
Informationen auf Plänen und Tafeln
·
Schriftlichen Mitteilungen
·
Mündlicher Austausch/Gespräch
·
Orientierung von Handlung durch Schilder