Verein für ambulante Krankenpflege Holzen und Umgebung "Best-Practice-Beispiel" für ehrenamtliches Engagement für Mitmenschen
Holzen/Augsburg, 24.03.2019 (pca). Es war keine gute Zeit. Wer krank und alt wurde, auf Hilfe angewiesen war, der musste bis in die ersten Jahre es 20. Jahrhunderts jeden Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt aus der eigenen Tasche bezahlen können. Die Bauern, Knechte und Mägde auch im heutigen nördlichen Landkreis konnten sich das nicht leisten. Es war für sie unerschwinglich. "Sie siechten dahin", heißt es in einer Chronik. Sie bekamen auch kaum etwas zu essen, erhielt doch nur der etwas, der auch arbeitet.
1909 ergriffen dann der katholische Pfarrer Karl Mayer aus Allmannshofen, der Arzt Dr. med. Josef Fuchsberger sowie die Grafschaft auf Schloss Holzen die Initiative, um Abhilfe zu schaffen. Sie riefen am 11. Juli 1909 die Initiative und gründeten den Verein für ambulante Krankenpflege Holzen und Umgebung. Er war einer der ersten dieser Kranken- und Altenpflegevereine in ganz Bayern und sollte für viele andere ein Vorbild werden. Heute zählt der Verein knapp über 700 Mitglieder. Er gewann in den letzten Tagen erst 63 neue Mitglieder. In der Klosterkirche Holzen feierte nun der Verein am vergangenen Freitagnachmittag sein 110-jähriges Bestehen mit einem Gottesdienst und Festakt im Klosterrestaurant. "Wir sagen Danke für 110 Jahre segensreiches Wirken und einen wertvollen Dienst, für das viele Helfen, die viele Zeit und Zuwendung, die anderen geschenkt wurde und wird", sagte Augsburgs Weihbischof Florian Wörner beim Festgottesdienst. "Es ist der Geist des Vereins, dass er die Würde des Menschen hoch hält und die Menschen so behandelt, wie Gott sie behandelt."
Kurz nach der Gründung waren die Gemeinden Allmannshofen, Blankenburg, Druisheim, Ehingen, Ellgau, Hirschbauch, Holzen, Kühlenthal mit Fertingen, Anzenhof und Ahlingen, Langenreichen, Neuweiler, Nordendorf, Ortlfingen, Ostendorf, Waltershofen, Westendorf und Wortelstetten dem Verein sofort beigetreten. "Die Gemeinden erkannten damals ihre Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Bürgerinnen und Bürger. Dieses Beispiel ist uns heute Verpflichtung", sagte Helmut Wech, der erste Vorsitzende des Vereins heute, bei der Feier. In Manfred Brummer, dem Bürgermeister von Allmannshofen, findet Wech einen Mitstreiter ganz in seinem Sinn. Er sicherte in seiner Festansprache die Unterstützung der Kommunen auch für das neue Angebot des Vereins, einen Fahrdienst einzurichten, zu. Ihn überzeugt die Struktur des Vereins. "Bis heute ist dieser Verein einer der wenigen, die ohne Kirchturmdenken über die Grenzen der Gemeinden hinweg sich für kranke und alte Menschen einsetzt", lobte Brummer.
Für Weihbischof Wörner war die Grundüberzeugung, dass der Mensch seine unantastbare Würde von Gott her habe, die entscheidende Triebkraft des Vereins. Der Mensch mit allen seinen Grenzen, Anfälligkeiten und Krankheiten werde von Anfang von Gott geliebt. Dieser Blick auf den Menschen und seine Würde sei das "Programm des Vereins" von Anfang an gewesen. 110 Jahre Dienst im Verein sei so auch stets ein Dienst am Nächsten gewesen. "Wer sich zu den kranken, alten und hilfsbedürftigen Menschen begebe, dorthin, wo der Menschen "ganz unten am Boden des Lebens" ist, der begibt sich auf "Niveau Gottes". So ist für Weihbischof Wörner "jeder Besuch ein Zeichen dafür, dass mit Gott zu rechnen ist". Die 110 Jahre des Vereins sei ein "Zeugnis für gelebte Nächstenliebe ganz im Sinn Jesu Christi".
Dieses Engagement aus der Gesellschaft für die Mitmenschen in einer Zeit, in der ein selbstloses Füreinander weniger in Mode zu sein scheint, ist für den Augsburger Landrat und schwäbischen Bezirkstagspräsidenten Martin Sailer "ein Best-Practice-Beispiel" für ehrenamtliches Engagement. Vor dem Hintergrund der älter werdenden Gesellschaft brauche der Verein "viele Nachahmer" und müsse gestützt werden. Geht es nach Allmannshofen Bürgermeister Brummer, dann sollte die Tatsache, dass der Verein mit nur wenig bürokratischem Aufwand Hilfe leistet, Schule machen. Wenn ein Verein über 110 Jahre hinweg so lebendig sei, "dann muss die Idee, die dahinter steckt, großartig und sinnvoll sein", unterstrich der CSU-Landtagsabgeordnete Georg Winter in seinem Grußwort. Für seinen Kollegen von den Freien Wählern Johann Häusler müsse diese Idee und der Geist des Vereins auch dank dieser langen Kontinuität des Helfens insbesondere in den ländlichen Gebieten weitergetragen werden.
Das Jubiläum sollte keine "Musemsschau" sein, wie es Monsignore Karl Kraus, der langjährige frühere 1. Vorsitzende des Vereins, bereits bei der 100-Jahrfeier gesagt hatte. Hauptziel des Vereins sei es, so sein Nachfolger Wech, den Menschen es zu ermöglichen so lange wie möglich gut zuhause leben zu können. Dafür hat der Verein ein breites Spektrum an Hilfen aufgebaut. Es bietet Betreuung und Versorgung zu Hause, die Entlastung von pflegenden Angehörigen und viele einzelne Angebote vom Gespräch, der Begleitung zum Arztbesuch, Unterstützung im Haushalt sowie Besuch von Veranstaltungen und Gottesdiensten. 2017 wurde der Helferkreis ins Leben gerufen, der in enger Zusammenarbeit mit der Ökumenischen Sozialstation Meitingen und Umgebung gGmbH Betreuungs- und Hauswirtschaftsleistungen erbringt und inzwischen über 800 Stunden ehrenamtlich geleistet hat. Ganz neu auf dem Programm steht der kostenlose Fahrdienst, für den der Verein ein Auto kostenlos zu Verfügung stellt. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer werden dafür noch gesucht. Der Vorsitzende Wech sieht sich in der Pflicht gegenüber seinen Vorgängern und allen ehrenamtlichen Helfern auch in der Vergangenheit. "Wir müssen die Strukturen für heute so schaffen, dass die Menschen so lange wie möglich zuhause bleiben können." Man sieht ihm an, dass es ihm nicht nur Verpflichtung ist, sondern auch Freude.