Was ist uns Engagement in Deutschland wert, fragt der Deutsche Caritasverband, und fordert anlässlich des 60-jährigen Bestehens des FSJ einen Rechtsanspruch auf Förderung für alle Freiwilligendienste.
"Erst ein Rechtsanspruch kann eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung der Freiwilligendienste garantieren, unabhängig von Sparhaushalten", sagt Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. "Ohne eine verlässliche Finanzierung ist die notwendige Struktur in den Einrichtungen und Diensten der Träger auf Dauer nicht zu halten."
Sobald es einen gesetzlichen Rechtsanspruch gibt, können Träger, Einrichtungen und Freiwillige sicher sein, dass jeder einzelne Freiwilligendienst vom Bund mit einem gesetzlich gebundenen und verpflichtenden Kostenzuschuss finanziert wird. Das gibt Einrichtungen Planungssicherheit z.B. im Hinblick auf die Finanzierung der pädagogischen Begleitung. Und auch diejenigen, die den Freiwilligendienst leisten, können sich auf die Finanzierung ihres Taschengelds für ihren meist 12-monatigen Einsatz verlassen.
Eine Erfolgsgeschichte mit 100.000 Freiwilligen pro Jahr
Die Freiwilligendienste sind eine Erfolgsgeschichte in Deutschland. Das Interesse an diesem freiwilligen Engagement wächst von Jahr zu Jahr. Das zeigen die Teilnehmendenzahlen. Im Startjahr 1964 machten rund 1500 Teilnehmer*innen ein FSJ. Im Jahr 2022 waren es rund 46.830 junge Menschen, die ein FSJ absolvierten. Insgesamt engagieren sich heute rund 100.000 Freiwillige pro Jahr im BFD, FSJ, FÖJ und den internationalen Freiwilligendiensten.
Eine von ihnen war Schwester Christina Eßer von den Servitinnen in Düsseldorf. Sie absolvierte vor 55 Jahren ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Krankenhaus. Bei den "Helferinnentagen" in der Jugendbildungsstätte in Düsseldorf lernte sie die Ordensgemeinschaft der Servitinnen kennen. Ein Jahr später trat sie diesem Orden bei. An die Zeit erinnert sie sich gerne zurück: "Ein Leben lang im Büro, das kann nicht sein, dachte ich damals. Im Rückblick war das FSJ für mich ein Orientierungsjahr und eine große Bereicherung für meine Persönlichkeitsentwicklung. Da ist für mich eine völlig neue Welt aufgegangen. Wir waren bei der täglichen Arbeit in vielen Situationen mittendrin. Das war sehr spannend." Den Einsatz im freiwilligen Engagement empfindet sie als ganz große Chance: "Nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft."
Zusammenhalt der Gesellschaft fördern
Die Wurzeln des freiwilligen sozialen Jahres sind bei den beiden christlichen Kirchen zu finden, die Mitte bis Ende der 1950er Jahre das Konzept der freiwilligen Hilfsdienste entwickelten. Im Februar 1963 brachte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres in den Bundestag ein. Das Gesetz trat am 1. April 1964 in Kraft, und damit dessen institutionelle Förderung.
"Freiwilligendienste ermöglichen einen Perspektivwechsel, persönliche Bildung, gesellschaftliches Engagement und auch berufliche Orientierung. Sie sind für junge Menschen ein Geschenk", so Eva Maria Welskop-Deffaa. "Anstelle der erprobten Freiwilligendienste einen Pflichtdienst einzuführen, wie es immer wieder diskutiert wird, halte ich für falsch. Wir müssen das Erfolgsmodell der Freiwilligenjahre ausbauen und mit einem Rechtsanspruch weiterentwickeln. Ein Rechtsanspruch, zu dem die Schüler und Schülerinnen rechtzeitig beraten werden, ermutigt die Entscheidung für ein freiwilliges Gesellschaftsjahr und erleichtert die Wahl zwischen zivilen Freiwilligendiensten, Katastrophenschutz und Bundeswehr. Vor allem: Er respektiert die Selbstbestimmung der jungen Menschen. Denn Zusammenhalt lässt sich nicht verordnen."