Altenhilfeeinrichtungen, Sozial-Beratungsstellen, Kitas oder Jugendhilfsdienste haben in der Corona-Pandemie eng und gut mit den Kommunen zusammengearbeitet und beklagen zugleich eine starke Bürokratie-Last. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Caritasverbands (DCV) zu den Folgen und Folgerungen der Corona-Pandemie in seinen Einrichtungen.
Corona-bedingte andauernde Erschöpfung
Eine große Mehrheit der teilnehmenden Führungskräfte halten Digitalisierung für entscheidend zur Stärkung der Resilienz ihrer Organisation in Krisenzeiten. Gleichzeitig sind die Spuren der Pandemie bis heute deutlich spürbar: In der Umfrage vom Januar 2025 sagen 82 Prozent der Teilnehmenden, dass sie Corona-bedingt eine andauernde Erschöpfung ihrer Mitarbeitenden beobachten.
Für Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa zeigen die Ergebnisse: "Ein verlässliches belastbares Miteinander von Wohlfahrtsverbänden und Kommunen trägt zur Krisenresilienz unserer Gesellschaft entscheidend bei. Risiken können dynamisch abgefedert werden, wenn freie und öffentliche Wohlfahrtspflege ihre Leistungen partnerschaftlich und in subsidiärer Aufgabenteilung erbringen."
Wohlfahrtsverbandliche Strukturen als Krisenmanager
"Den Caritas-Trägern ist es gelungen, freiwillig Engagierte einzubinden, wo die beruflichen Strukturen allein überfordert gewesen wären", so Welskop-Deffaa weiter. "Gut die Hälfte der Führungskräfte betonen, dass ehrenamtliches Engagement für ihre Einrichtung wichtig oder sehr wichtig war, um die Krise bewältigen zu können. Wohlfahrtsverbandliche Strukturen haben sich als Solidaritätsstifter und kreative Krisenmanager bewährt." Die Rettungsschirme, die von der Politik speziell für die soziale Infrastruktur ausgespannt wurden, werden rückblickend als wichtig und hilfreich bewertet, um die Arbeit für die Menschen so ungehindert wie möglich fortsetzen zu können.
In der Umfrage wurden Mitarbeitende der oberen und mittleren Führungsebene aus Einrichtungen der verbandlichen Caritas in ganz Deutschland befragt. 685 Personen nahmen teil. Die nicht-repräsentative Befragung diente dazu, die Resilienzfaktoren der Caritas-Dienste und Einrichtungen zu bewerten und liefert Hinweise, wie die gesellschaftliche Krisenresilienz insgesamt gestärkt werden kann.
Digitaler Ausbau und Abbau der Bürokratie
Für 47 Prozent der Teilnehmenden der Befragung gehörte der Ausbau digitaler Ausstattung und Formate wie z.B. Online-Beratung zu den wichtigsten Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie. 92 Prozent sehen digitale Kommunikationstools und -plattformen als wichtig oder sehr wichtig für die künftige Resilienz der eigenen Organisation in Krisenzeiten. Als Hindernisse zur Einführung digitaler Tools werden vor allem finanzielle (81 Prozent) und personelle (42 Prozent) Kapazitäten genannt.
"Die schlechte Liquiditätslage, die die Situation unserer Einrichtungen gerade auch in der Altenhilfe kennzeichnet, nachdem Sozialämter und andere Leistungsträger immer häufiger mit Verzug zahlen, verzögert notwendige Investitionen nicht nur, aber auch in digitale Infrastruktur. Die Folgen für eine effiziente und attraktive Leistungserbringung im Sozialen sind offenkundig," mahnt Eva Welskop-Deffaa. Die Koalitionsverhandler von CDU/CSU und SPD sollten, so die Caritas-Präsidentin, nicht zuerst darüber sprechen, ob es ein eigenes Digitalministerium braucht, sondern darüber, wie es gelingt, auch im Sozialsektor die digitale Transformation wirksam zu fördern.
94 Prozent der Befragten nannten bürokratische Hürden in der Krise als besonders belastend. Von 77 Prozent der Befragten wurden die Dokumentations- und Nachweispflichten bei der Krisenbewältigung als hinderlich empfunden. Dies erklärt den Wunsch von mehr als drei Viertel der Befragten (77 Prozent) nach einer gründlichen Reform der öffentlichen Verwaltung, "damit staatliche Stellen in Krisenzeiten effektiv handlungsfähig sind". Innerhalb des Caritasverbandes wurde die Zusammenarbeit mit gut bis sehr gut bewertet (93 Prozent). Verbandliche Austauschformate waren hilfreiche Maßnahmen der kollegialen Zusammenarbeit. Sie machten die verbandliche Organisationsform der Caritas zu einer Ressource der Krisenbewältigung.
Kaum Nachwirkung der heftigen Diskussionen um eine Impfpflicht
Zu den Fragen, die die innerverbandlichen Austauschformate während der Pandemie stark gefordert haben, gehört die Debatte um die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Glücklicherweise nehmen 71 Prozent der Befragten in der Altenhilfe Nachwirkungen der Diskussionen um die Impfpflicht nicht mehr oder kaum noch wahr. Allerdings gibt etwas mehr als ein Viertel der Befragten aus der Altenhilfe an, dass sich die Grippe-Impfquoten seit der Pandemie reduziert haben.
"Für eine prosperierende Wirtschaft braucht es einen funktionierenden resilienten Sozialstaat. Die Corona-Krise hat die Bedeutung der sozialen Dienste für die Alltagsbewältigung überdeutlich werden lassen. Ihr Anteil an der gesellschaftlichen Krisenfestigkeit wird bis heute ungenügend anerkannt, obwohl die soziale Infrastruktur häufig die Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit der Privatwirtschaft schafft. Kitas, Betreuungsangebote für Kinder von Mitarbeitenden und Unterstützung bei der Sorge um pflegebedürftige Angehörige sind Beispiele für die Systemrelevanz der sozialen Dienstleistungen, an die uns die Befragungsergebnisse zur Corona-Pandemie mit Nachdruck erinnern," so Welskop-Deffaa.
"In der Altenpflege arbeiten großartige Menschen!"
Die Umfrage zeigt vor allem, wie groß die Leistung der Mitarbeitenden war, die unter Ausnahmebedingungen verlässlich die zugesagten Leistungen für pflegebedürftige, kranke und hilfesuchende Menschen erbracht haben, ohne zu wissen, welche Abenteuer und Risiken morgen auf sie selbst zukommen würden.
"Unsere Mitarbeitenden waren großartig. Sie hatten Stofflappen zum Schutz und Angst und sterbende Bewohner_innen, und sie sind zum Dienst gekommen. In der Altenpflege arbeiten großartige Menschen! Weiß das die Gesellschaft wirklich?" - ist einer der berührenden Kommentare, die von den Befragten abgegeben wurden. Interne Krisenstäbe, Vertrauen im Team, Wertschätzung und Anerkennung, aber auch gute Führung im Krisenmanagement, Information und Kommunikation waren wichtige Resilienzfaktoren.
Gefragt nach Änderungen, die anders und besser als in der Corona-Zeit die Krisenresilienz stärken könnten, dominiert der Wunsch, eine Kultur des Vertrauens - wider die Angst und wider die Ohnmacht - zu etablieren. "Offenkundig ist im Nachhinein bei mehr als 60 Prozent der Befragten das Gefühl lebendig, durch Angst und Ohnmachtserfahrung daran gehindert worden zu sein, bestmöglich für die Klientinnen und Klienten im Einsatz zu sein," so Welskop-Deffaa. "Weil nächste Krisen offensichtlich nahen, ist es dringlich aus diesen Corona-Erfahrungen zu lernen."