Christen und Christinnen gestalteten damals wie heute in Gemeinden und Caritas-Einrichtungen Orte der Gemeinschaft, des Zusammenhalts und der Hoffnung. Inmitten eines geteilten Deutschlands waren sie Brückenbauerinnen, die Halt und Orientierung gaben und Menschen über Grenzen hinweg verbanden.
Solidaritätsaktionen zwischen Ost und West, gemeinsame theologische Initiativen und die Begleitung Ausreisewilliger hielten die Idee der Einheit wach. Besonders in Regionen wie dem Eichsfeld, der Rhön oder bei den Sorben spürt man bis heute die kraftvolle religiöse Verbundenheit.
Gegen Abschottung und Bespitzelung
"Die Verbindungen zwischen Ost und West, die gelebte Nächstenliebe und das gegenseitige Vertrauen gaben Hoffnung und waren ein Gegenentwurf zu Abschottung und Bespitzelung." beschreibt Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa die Erfahrung in den Gemeinden und Einrichtungen der Caritas in der DDR. "Gerade durch das Engagement der katholischen und evangelischen Fürsorgerinnen und Fürsorger, durch das Zeugnis der Caritas haben Christen und Christinnen mitten im Unrechtsstaat Mut und Heimat gefunden. Klara Ullrich, die in diesem Jahr verstorbene Namensgeberin des Hauses der Deutschen Caritas in Berlin, gehörte zu den prägenden Zeitzeuginnen einer diakonischen Kirche im Überwinterungsmodus. Als Caritas-Mitarbeiterin in Ost-Berlin setzte sie sich für die Menschen ein, die stark unter den Repressionen des DDR-Regimes litten. Besonders in den 1980er-Jahren stand sie hunderten DDR-Bürger_innen bei, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten. In einem Berliner Hinterhof schenkte sie ihnen ein offenes Ohr und begleitete sie durch die schwierigen Zeiten des Wartens und der Schikanen."
Friedliche Revolution
Während der friedlichen Revolution waren die Kirchen nicht nur Rückzugsorte, sondern Orte der Meinungsbildung, der freien Rede und der demokratischen Bestärkung. Bis heute leben sie diesen Geist der Begegnung: Altenhilfeeinrichtungen, Kitas oder Migrationsberatungsstellen mit dem Flammenkreuz sind "Motorräume des sozialen Friedens", so Welskop-Deffaa.
"Der 9. November, als Tag des Mauerfalls, erinnert uns immer wieder an den Mut der Bürgerinnen und Bürger und daran, dass Abschottung und Exklusion keine Friedenswege sind," betont die Caritas-Präsidentin. "Unser demokratisches Miteinander lebt von Menschen, die Verantwortung übernehmen für ihr eigenes Wohlergehen, ebenso wie für das Gemeinwohl. Caritas bleibt Mutmacherin - auch dort, wo sie als Kirche nicht direkt erkennbar ist - für eine Zukunft des Friedens und des Miteinanders über Grenzen hinweg."
1945 bis 1989: Die Caritas in der DDR
Der kirchliche Wiederaufbau im Bereich der Sowjetischen Besatzungszone wäre ohne die Hilfe des Deutschen Caritasverbandes aus dem Westen nicht möglich gewesen. Er leistete finanzielle und materielle Hilfe für die Caritasarbeit in der DDR. Bis 1989, kurz vor dem Mauerfall, haben sich jährlich über 300 Menschen in einem Berliner Hinterhof zur Ausreise aus der DDR beraten lassen. Nach dem Mauerfall setzten sich die Leiter der Berliner Hauptvertretungen in Ost und in West insbesondere für die Anerkennung der in der DDR erzielten Berufsabschlüsse und für eine Zusatzversorgung für Mitarbeitende der Caritas in der DDR ein.