Die geplante Entscheidung über ein verpflichtendes Monitoring hat nichts mit dem Ende der Ampel-Regierung und den damit verbundenen unklaren Mehrheiten zu tun. Der NIPT-Antrag kommt aus der Mitte des Parlaments, er ist ein dringend notwendiges Signal gegen eine schleichende Verselbständigung eugenischer Praktiken.
"Mit großer Sorge haben wir gesehen, dass der Ältestenrat des Deutschen Bundestages am Freitag den von Corinna Rüffer, Hubert Hüppe und vielen anderen Bundestagsabgeordneten eingebrachten Gruppenantrag zum nicht-invasiven Pränataltest kommentarlos von der Tagesordnung des Bundestags genommen hat. Die Entscheidung muss am Montag rückgängig gemacht und die Beratung des Antrags noch in diesem Jahr ermöglicht werden," fordert Eva M. Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. "Zwei Jahre nach der Kassenzulassung der Tests (NIPT) wird es höchste Zeit, sich auf ein verbindliches Verfahren der wissenschaftlichen und parlamentarischen Beobachtung im Bundestag zu verständigen."
Der NIPT-Test, ursprünglich als Untersuchung in klar definierten Risikoschwangerschaften gedacht und insoweit als Kassenleistung anerkannt, wird inzwischen routinemäßig bei mindestens jeder zweiten Schwangerschaft eingesetzt. Ab der 10. Woche gibt das Testergebnis Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit von verschiedenen genetischen Veränderungen und auf die Wahrscheinlichkeit einer Behinderung
"Mit der Kassenzulassung ist offenkundig ein Automatismus entstanden. Der teure, aber keineswegs treffsichere Test, wird im gynäkologischen Alltag fast so selbstverständlich wie ein Ultraschall eingesetzt. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Bei NIPT führt der diagnostische Befund anders als beim Ultraschall nicht dazu, therapeutische Entscheidung zu treffen, die helfen, während der Schwangerschaft, für die Geburt oder unmittelbar nach der Geburt zielgenau notwendige medizinische Maßnahmen zum Wohle des Kindes zu ergreifen. Stattdessen ist mit dem Test und seinem Ergebnis viel zu oft die implizite Erwartung verbunden, die Schwangerschaft bei einem positiven Befund zu beenden," beschreibt Welskop-Deffaa die Entwicklung.
Der Caritasverband unterstützt daher den fraktionsübergreifenden Antrag, der sich an einem einstimmigen Bundesratsbeschluss orientiert und der ein Monitoring zur Umsetzung und zu den Folgen der Kassenzulassung von NIPT fordert. Es sollen zeitnah belastbare Daten wissenschaftlich erhoben und in einem Bericht für den Bundestag ausgewertet werden.
Unterstützung für Eltern von Kindern mit einer Behinderung
"Als SkF Gesamtverein ist es uns wichtig," betont Yvonne Fritz, Vorständin des SkF, "dass die Inanspruchnahme von invasiven Testverfahren nicht dazu führen darf, den Druck auf Frauen unnötig zu erhöhen, alle diagnostischen Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um eine genetische Behinderung ihres Kindes auszuschließen."
"Die Entscheidung für ein Kind mit einer Behinderung und der gelingende Lebensalltag mit diesem Kind sind auf flankierende Unterstützung angewiesen. Durch den NIPT wird das Merkmal "Behinderung" Kriterium dafür, welches Leben "erwünscht" und welches "unerwünscht" ist. Wir brauchen dringend einen gesellschaftlichen Diskurs zur Frage, wo die Grenzen des medizinisch Machbaren zum Wohl eines menschenwürdigen Zusammenlebens gesetzt werden müssen." so Wolfgang Tyrychter, Vorsitzender des CBP
Psychosoziale Beratung nutzen
Caritas, SkF und CBP unterstützen die Forderung der Bundestagsabgeordneten Rüffer und Hüppe nach einem Monitoring. Dieses muss die Bedeutung psychosozialer Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik und deren Einbindung in das Zusammenspiel von Arztpraxen und Schwangerschaftsberatungsstellen beleuchten. "Moderne Medizin darf nicht zur Quelle von Ausgrenzung und Diskriminierung werden. Leistungen der Krankenkassen und medizinische Begleitung müssen darauf zielen, die Lebens- und Teilhabechancen von Kindern mit Behinderung und ihren Familien so umfassend wie möglich zu verbessern," unterstreicht Welskop-Deffaa.
Abbrüche aufgrund wahrscheinlicher Behinderung nehmen in den letzten Jahren deutlich zu, nicht selten basierend auf falsch-positiven Ergebnissen. So beträgt bei einer 30-jährigen Schwangeren die Wahrscheinlichkeit eines falsch-positiven Ergebnisses für Trisomie 21 fast 40 %, für Trisomie 18 etwa 80 % und für Trisomie 13 sogar 90 %.