Dringend erforderlich sei die Erhöhung der Regelbedarfe, die bessere Nutzung der Fördermöglichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe und die Verbesserung von Arbeitsmarktchancen durch den Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung.
Der Bericht enthält eine umfangreiche Analyse der Armutsrisiken im Lebensverlauf, die Grundlage einer fundierten Debatte werden muss. Erneut zeigt sich der enge Zusammenhang von schlechten Bildungschancen und Armut. Aus dieser seit langem bekannten Tatsache müssen politisch endlich die richtigen Schlüsse gezogen werden. Menschen, die Unterstützung brauchen, müssen frühzeitig erreicht werden. Notwendig sind insbesondere der Ausbau und die bessere Vernetzung niedrigschwelliger präventiver Angebote für Familien und Kinder, die Ausweitung der Schulsozialarbeit und die frühzeitige und flächendeckende Förderung von Schülern, bevor sich am Schuljahresende abzeichnet, dass eine Klasse wiederholt werden muss. Verhindert werden muss auch, dass beispielsweise junge Menschen den Anschluss verlieren, weil sie aufgrund harter Sanktionen in Wohnungslosigkeit geraten und den Kontakt zum Jobcenter abbrechen. Die Sondersanktionen für Jugendliche müssen abgeschafft werden.
Verdeckte Armut wird kaum thematisiert
Kritisch sieht Neher, dass das Thema der verdeckten Armut nicht ausreichend behandelt wird, obwohl es sich um ein weit verbreitetes Phänomen in Deutschland handelt. „Nach wie vor fehlt eine offensive Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass viele tausend Menschen keine Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, obwohl sie ein Anrecht darauf haben." Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass zwischen 34 und 43 Prozent der Menschen keine ergänzende Grundsicherung beantragen, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Besonders häufig nehmen ältere Menschen ihnen zustehende Grundsicherungsleistungen nicht in Anspruch, da sie fälschlicherweise die Sorge haben, dass auf das Einkommen der Kinder zugegriffen wird. Nach der Reform der Grundsicherung im Alter ist dies jedoch aufgrund der Freibeträge von 100.000 Euro für die Allermeisten nicht mehr zu befürchten. Hier ist Aufklärung über Leistungsansprüche und Voraussetzungen dringend geboten.
Neher fordert zudem, dass die Erfahrungen der von Armut betroffenen Menschen explizit im Bericht dargestellt werden müssen, was leider nicht geschah. Während der Erarbeitung des Berichts hatten Betroffene in einem Workshop des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Möglichkeit, ihre Perspektiven und Einschätzungen staatlicher Unterstützung darzustellen. „Die Menschen und deren Bedürfnisse zu kennen, ist ganz entscheidend, um die notwendigen Hilfen zu organisieren", macht Neher deutlich. Diese Erfahrungen müssen unbedingt in Zukunft in die Berichterstattung einfließen und im Bericht dargelegt werden.