Notfälle werden im Krankenhaus an einer zentralen Stelle versorgt
Deutschland hat eines der besten und dichtesten Notfallversorgungssysteme der Welt. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland ein eigenes Notarztsystem. Ferner wird eine große Zahl an Rettungshubschraubern vorgehalten. Die Organisation und Planung der Notfallversorgung liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Neben dem kassenärztlichen Notdienst für die ambulante Versorgung existiert der Rettungsdienst für die Versorgung lebensbedrohlicher, unvorhergesehener Zustände.
Für Notarzteinsätze im Rettungsdienst bestehen Notfallindikationen. In der Regel sind dies fehlende oder deutlich reduzierte Vitalfunktionen der Patienten. In den Landesrettungsdienstgesetzen werden sowohl Vorgaben zu den Qualifikationen der Fahrzeugbesatzung als auch zu den Hilfefristen gemacht (Zeit zwischen Eingang eines Notrufs und dem Einsatz am Patienten). Neben dem Notarzt sind Rettungssanitäter (520-stündiger Lehrgang) und Rettungsassistenten (anerkannter zweijähriger Ausbildungsberuf) tätig. Bei Großveranstaltungen und bei Großschadensereignissen werden im Sanitätsdienst zudem überwiegend ehrenamtliche Kräfte eingesetzt.1
Der hausärztliche Notdienst verändert sich
Im hausärztlichen Notdienst gibt es derzeit Veränderungen: Notdienstbezirke werden zusammengefasst. Für Patienten entstehen zum Teil erheblich weitere Anfahrtswege, um den Notdienst zu erreichen. In der Folge wird es mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl für den Rettungsdienst als auch für die Krankenhäuser einen Anstieg an Einsätzen und Behandlungen geben, für die der Rettungsdienst eigentlich nicht eingerichtet ist. Zu erwarten ist, dass sich die Zahl der Patienten erhöhen wird, die mit Bagatellerkrankungen in die Notfallaufnahme kommen. Dies jedoch wird Ressourcen binden, die eigentlich für die Behandlung von Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen zur Verfügung stehen sollten. Das bedeutet, bestehende Prozesse in der Notfallversorgung werden an diese Entwicklung angepasst werden müssen.
Der Weg eines Patienten vom Unfallort bis in die Klinik
Im Anschluss an die Versorgung vor Ort wird der Notfallpatient in der Regel in ein Krankenhaus transportiert. In den meisten deutschen Krankenhäusern gibt es eine Vielzahl an Ambulanzen und Aufnahmebereichen, für jede Fachabteilung eine. Zumindest ist aber eine Aufteilung nach internistischen Erkrankungen und chirurgischen Fällen üblich. Neben den hohen Personal- und Sachkosten, welche die Bereitstellung mehrerer Ambulanzbereiche verursacht, ist die Aufteilung für die Patienten unverständlich und nicht immer nachvollziehbar.2 In einer Notfallsituation ist der betroffene Patient mit der Entscheidung überfordert, an welche der Fachabteilungen er sich wenden soll.
Es ist also aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll, mehrere Ambulanzen vorzuhalten. Daher werden aktuell in vielen Krankenhäusern zentrale Notaufnahmen eingerichtet. Damit soll die Patientenversorgung optimiert werden.
Es kommt ein Notfall und der Pförtner entscheidet
In vielen Krankenhäusern entscheidet für den sich selbst einweisenden Notfallpatienten der Pförtner, ob dieser in einer chirurgischen oder internistischen Fachabteilung erstbehandelt wird.
Nach der ersten Diagnostik in einer Fachabteilung muss der Patient gegebenenfalls auch von einer anderen Fachabteilung mitbehandelt werden. Das bedeutet, dass der Patient an einen anderen Ort gebracht werden muss oder in eine andere Abteilung geschickt wird. Bisher erhobene Befunde müssen an die nächste Fachabteilung weitergegeben werden. Dies führt, auch durch in der Regel nicht abgestimmte Aufnahme- und Diagnostikabläufe in den Fachabteilungen, regelmäßig zu Doppeluntersuchungen und Schnittstellenproblemen. Wichtige Informationen bleiben auf der Strecke.
Da die Ansprüche der Patienten bezogen auf Wartezeiten und auf die Kompetenz der Mitarbeiter(innen) steigen, ist die Einrichtung einer zentralen Aufnahme für Krankenhäuser wichtiger Bestandteil einer Prozessoptimierung. Ein weiteres wichtiges Argument für eine zentrale Aufnahme ist die nicht zu unterschätzende "Visitenkartenfunktion" des Aufnahmebereichs.
Der Patient ist an einer schnellen und adäquaten Schmerztherapie sowie an einer zügigen Diagnostik und Therapie seiner Erkrankung interessiert. Ob diese in der Ambulanz, einer Fachabteilung oder einer zentralen Aufnahme stattfinden, ist für den Notfallpatienten selbst eher sekundär.
Patienten wollen an der richtigen Stelle landen
Optimierte Abläufe sind das Merkmal, das dem Patienten am ehesten auffällt und das er beurteilen kann. Wie die Schnittstellen krankenhausintern organisiert sind, ist für den Patienten unwichtig. Sie sind dann gut geregelt, wenn sie dem Patienten gar nicht auffallen. Erwartet wird eine qualitativ hochwertige Versorgung durch das richtige Personal, das die richtigen Ressourcen einsetzt. Dies lässt sich intern am besten erreichen, wenn diese Ressourcen an einer Stelle gebündelt und vorgehalten werden und nicht über das ganze Krankenhaus verteilt sind.
Ziel für ein Krankenhaus muss es sein, eine schnelle und ressourcenschonende Diagnostik durchzuführen und den Patienten anschließend adäquat weiterzuversorgen. Das kann sowohl die Überweisung in eine ambulante hausärztliche Betreuung sein als auch eine stationäre oder intensivmedizinische Behandlung.
Für einen reibungslosen Behandlungsprozess sind bei Bedarf auch Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses mit einzubeziehen, beispielsweise der Sozialdienst oder die Überleitungspflege.
Patienten, die in der zentralen Aufnahme behandelten werden, sind sowohl "Selbsteinweiser" als auch vom Rettungsdienst eingelieferte Personen. Die medizinische Behandlung der Selbsteinweiser beginnt mit der Aufnahme im Krankenhaus. Bei den Patienten, die vom Rettungsdienst gebracht werden, ist mit der Behandlung und Diagnostik schon präklinisch begonnen worden. Die zentrale Aufnahme hat eine wichtige Schnittstellenfunktion. Die Weitergabe und Kenntnisnahme des aktuellen Patientenzustandes an dieser Stelle ist elementar. So können Informationsverluste und Unklarheiten in Diagnostik und Therapie vermieden werden.
Fachpersonal entscheidet, was mit Patienten geschieht
Die Dringlichkeit der Behandlung ist bei den Patienten vorgegeben, die durch den Rettungsdienst vorbehandelt wurden. Sie muss im Krankenhaus durch den Aufnahmearzt bestätigt werden.
Es muss jedoch auch für alle anderen Patienten in der Aufnahme eine sogenannte Triage geben. Der aus der Militärmedizin stammende Begriff meint eine Ersteinschätzung der Situation des Patienten sowie die Festlegung von Behandlungsprioritäten. Hierzu gibt es unterschiedliche Modelle, die an den Bedarf des jeweiligen Krankenhauses angepasst werden (z.B. Manchester-Triage)3.
Wichtig für ein Funktionieren der Abläufe in einer Notaufnahme ist die Schulung und Erfahrung des Personals: von Ärzten, Pflege- und weiterem Assistenzpersonal. Die Verantwortung für den Patienten und das weitere Vorgehen trägt der Aufnahmearzt, der durch die Ärzte der Fachabteilungen unterstützt wird. Der Aufnahmearzt behandelt Patienten aller Fachrichtungen, führt eine erste Diagnostik durch und erstellt einen Therapieplan. Danach wird der Patient einer Fachabteilung zugeordnet und dem entsprechenden Facharzt einer Station oder in die hausärztliche Betreuung übergeben.
Durch den Einsatz von standardisierten Symptom- und Diagnoselisten ist auch eine direkte Zuordnung des Patienten in eine Fachabteilung durch das Pflege- oder medizinische Assistenzpersonal bei der Aufnahme möglich.
Hier soll als Beispiel für den Aufbau und die Prozesse bei der Krankenhausaufnahme die Zentrale interdisziplinäre Aufnahme (ZiA®) der Raphaelsklinik Münster dargestellt werden:4 Als Grundlage für bauliche Veränderungen und zur Gestaltung von Organisationsabläufen dienten die Patientenwege.
Diese wurden in die Bereiche Notfall- und Elektivbehandlung (Behandlung mit planbaren Terminen, z.B. Sprechstunden, OP-Vorbereitungen) unterteilt, um Störungen zu vermeiden. Alle Termine der einzelnen Abteilungen werden an einer Stelle erfasst. Es werden alle Sprechstunden, Behandlungs- und Eingriffstermine, wie auch die Bettenplanung des Krankenhauses mit einem EDV-Modul geplant. Es gibt in der zentralen Aufnahme ein eigenes Team von Mitarbeiter(inne)n, das für die Bettenplanung und die Vereinbarung von Terminen verantwortlich ist. Es ist also nicht mehr notwendig, einen Arzt für die Bettenplanung abzustellen.
Alle Patienten, die keinen Termin im Planungstool haben, werden als Notfälle eingestuft und im Notfallbereich versorgt.
Hierdurch entfällt einerseits die Fachabteilungszuordnung an der Pforte, andererseits werden die geplanten Termine nicht gestört. Die Ersteinschätzung bei den Notfallpatienten findet im Notfallbereich der Aufnahme statt. Aufnahme und Erstdiagnostik werden anschließend durch den Aufnahmearzt durchgeführt. Bei Überlastung oder Abwesenheit des Aufnahmearztes wird der jeweilige Arzt der zugeordneten Fachabteilung hinzugerufen. Nachdem eine vorläufige Diagnose und ein Therapieplan erstellt wurden, wird der Patient in die Weiterversorgung übergeben.
Wenn der Patient ein stationäres Bett benötigt, wird dieses durch die Mitarbeiter(innen) der ZiA vergeben. Das zentrale Bettenmanagement hat klare Regeln zur Verteilung der Betten.
Der Patient wird, nachdem alle Schritte dokumentiert wurden, an die Fachabteilung übergeben, die für die Weiterversorgung zuständig ist. Im Fall der ambulanten Behandlung werden die entsprechenden Unterlagen (Befunde, Arztbrief) erstellt und dem Patienten mitgegeben. Bei unklaren Verläufen besteht die Möglichkeit, die Patienten in der angeschlossenen Aufnahmestation bis zu 24 Stunden zu versorgen. Sie dient also auch als Bettenpuffer.
Finanzen und die Patienten spielen eine wichtige Rolle
Die Notfallversorgung sowohl im Rettungsdienst als auch im Krankenhaus wird sich in ihren Prozessen den äußeren Gegebenheiten anpassen müssen. Dabei spielen Patientenerwartungen und die finanziellen Ressourcen die entscheidende Rolle. Welche Rolle die Notfallversorgung innerhalb eines Krankenhauses spielen wird, hängt vom Grad der Prozessorientierung ab.
Anmerkungen
1. Niehues, Christopher: Sektorale Trennung der Notfallversorgung. In: Eiff, Wilfried von et al. (Hrsg.): Management der Notaufnahme. Stuttgart : Kohlhammer, 2010.
2. Dodt, Christoph et al.: Notfallmedizin in Deutschland: Ringen um Besitzstandswahrung. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 107, Heft 30, 30. Juli 2010. www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&p=Notfallmedizin+in+Deutschland%3A+Ringen+um+Besitzstandswahrung.&id=77687
3. Mackway-Jones, Kevin et al. (Hrsg.): Ersteinschätzung in der Notaufnahme : Das Manchester-Triage-System. Bern : Verlag Hans Huber, 2006.
4. http://raphaelsklinik.de/raphaels/41.php