Zum Umgang mit Sterbewünschen
Es ist ein herausforderndes und heikles Thema, mit dem sich der Diözesane Ethikrat im Erzbistum Paderborn auseinandergesetzt hat: Wie sollen Mitarbeitende in katholischen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen mit Sterbewünschen der ihnen anvertrauten Menschen umgehen? "Aktuell ist diese Frage, seit das Bundesverfassungsgericht Anfang 2020 das strafrechtliche Verbot der geschäftsmäßigen Suizidassistenz für nichtig erklärt hat", sagt Ethikrat-Geschäftsführer Johannes Kudera. "Das zwingt nicht nur den Gesetzgeber zur Neuregelung der Grenzen legaler Suizidassistenz, es nötigt auch Mitarbeitende in kirchlichen Einrichtungen, ihren Umgang mit Sterbewünschen der ihnen anvertrauten Menschen kritisch zu reflektieren."
Aktuell gebe es "große Unsicherheiten" im Umgang mit Sterbewünschen, stellt der Diözesane Ethikrat fest. Es sei jedoch sehr wichtig, diesen die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken - was angesichts des enormen Zeitdrucks in der Pflege eine Herausforderung sei, zumal die Artikulation eines Sterbewunsches ganz unterschiedliche Funktionen haben könne und interpretationsbedürftig sei. So betont der Ethikrat, dass es sich bei Suizidalität und der Äußerung eines Sterbewunsches um zwei unterschiedliche Phänomene handele, die sich zwar überschneiden könnten, aber nicht miteinander identifiziert werden dürften.
Während Suizidalität sehr häufig mit psychischen Störungen, etwa einer Depression, einhergehe, treffe dies auf Sterbewünsche zumindest nicht im selben Umfang zu. So würden sogenannte hypothetische Sterbewünsche oft bei einer schweren emotionalen Belastung oder Überforderung geäußert, etwa als Reaktion auf die Diagnose einer schweren Erkrankung. "Der Sterbewunsch ist dann Symptom einer noch nicht bewältigten Anpassung an eine neue Situation, die als Katastrophe erlebt wird", erklärt Kudera. Auch angesichts einer als unerträglich erlebten Leidenssituation werde häufig ein Sterbewunsch geäußert. "Die betroffene Person möchte zwar eigentlich nicht sterben, sie kann und will aber so nicht weiterleben", betont Kudera. Einen Ausweg biete in dieser Situation die Palliativmedizin, bei der es aber noch immer große Versorgungslücken gebe.
Durch mitfühlendes Nachfragen könnten Mitarbeitende herausfinden, welche konkreten Belastungen, Ängste und Sorgen den Sterbewunsch zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgelöst haben könnten. "Mitarbeitende sollten dabei grundsätzlich - auch zum Schutz vor eigener Überlastung - die Grenzen der eigenen Zuständigkeit beachten und gegebenenfalls zeitnah Experten hinzuziehen", rät Johannes Kudera und betont, die Mitarbeitenden dürften mit komplexen moralischen Herausforderungen nicht alleingelassen werden. Zunächst seien deshalb die einschlägigen Verantwortlichkeiten auf der Ebene des Trägers einer Einrichtung zu benennen und klare Richtlinien für den Umgang mit Suizidwünschen zu kommunizieren. Nur so könne Handlungssicherheit in schwierigen Grenzfragen gewährleistet und eine Praxis der Doppelmoral verhindert werden, so der Diözesane Ethikrat.
Info
Die Empfehlung des Diözesanen Ethikrates im Erzbistum Paderborn steht als pdf-Datei zur Verfügung unter: www.caritas-paderborn.de/fuer-experten/dioezesaner-ethikrat/dioezesaner-ethikrat