Wenn das Fernsehen kommt
Seine Gitarre hat er auf der Schulter: Marco Lombardo hat sich auf den Weg zu einem ungewöhnlichen Besuch gemacht. Der Moderator der ARD-Unterhaltungssendung "Live nach neun" ist guter Dinge. Vor ihm liegt einer der Live-Besuche, für die die Moderatoren der Sendung bekannt sind. Diesmal hat er allerdings ein sehr ungewöhnliches Ziel: die Caritas-Senioren-WG Am Alten Markt in Attendorn. Dort leben Menschen mit Demenz. Hausleiterin Doris Maiworm und ihre Mitarbeiter haben dem Fernseh-Team die Türen zu einem ganz persönlichen Blick hinter die Kulissen der Demenz-WG geöffnet - mit Einverständnis der Bewohner, die dem Besuch mit Spannung entgegensehen. "Natürlich waren wir alle ein bisschen nervös und haben uns rausgeputzt", erzählt WG-Bewohnerin Frau K. "Ja, wenn schon mal das Fernsehen kommt."
Zwei Tage lang ist das Fernsehteam zu Gast. Und Moderator Marco Lombardo schläft sogar als "Sofa-Surfer" in einem Zimmer der WG. "Es ist schon so, dass wir da Neuland betreten", sagt der Moderator nachdenklich. Die Caritas Olpe unterhält in dem Gebäude in Attendorn zwei Demenz-WGs. Zu Gast ist das Fernsehteam in der WG im Obergeschoss. Dort leben Menschen, bei denen die Krankheit gerade erst begonnen hat. "Ich bin ein bisschen nervös", gesteht der Moderator im später gesendeten Beitrag. "Bei Demenz hat man eine Ungewissheit, wo komme ich da jetzt rein, wie sind die Menschen, wie muss ich mich verhalten." Schließlich möchte er niemandem auf die Füße treten. Doch beim Kaffeetrinken kommt man sich ganz unkompliziert näher. Bewohner Jürgen erzählt, dass es ihnen dort gut gefällt - ergänzt aber mit einem guten Schuss Ironie: "Es bleibt uns aber auch nichts anderes übrig."
Oftmals ist es ein schleichender Prozess, erfährt der Moderator, ein Prozess, der die Krankheit langsam einziehen lässt - in Körper und Geist, in das eigene Zuhause, die lieb gewonnene Umgebung und das Miteinander in der Familie. Einer, der letztendlich ein Leben in den eigenen vier Wänden unmöglich macht. Marco Lombardo zeigt sich tief beeindruckt. "Ich bin sehr erstaunt, wie offen, herzlich, familiär und selbstbestimmt das Leben in dieser Ambulant Betreuten Wohngemeinschaft stattfindet. Teilhabe und Teilnahme an Aktivitäten und dem Stadtgeschehen inklusive." "Alles findet bei uns Raum", betont auch Pflegeleiterin Renate Föhrdes, die das Fernsehteam begleitet.
Bewohnerin Christel freut sich über den jungen Besucher und zeigt ihm ihr Zimmer. Fotos ihrer Familie stehen auf der Anrichte. Als Marco Lombardo nach der Zahl ihrer Enkelkinder fragt, ist Christel unsicher. "Ich glaube, neun", sagt sie und klagt über ihre schwindenden Erinnerungen. Ähnlich ergeht es Waltraud. Was sie gestern gemacht hat, weiß sie nicht mehr, hat allerdings keine Probleme, sich an ihr Hochzeitsessen vor 70 Jahren zu erinnern.
Immerhin: "Nicht allein zu sein, ist etwas sehr Wertvolles", ist die Erkenntnis von Lombardo, als er abends in der WG zu Bett geht. Beim Frühstück wird er schon gespannt erwartet. Zu Gast ist da auch ein neues Gesicht, Herr Vollmecke aus der unteren WG. Auch er hat einmal in der oberen WG gewohnt, das weiß er allerdings nicht mehr. Sein Tischnachbar erinnert ihn: "Da, wo die Gertrud sitzt, da war dein Platz. Weißt du nicht mehr?" "Nein", kommt es prompt zurück. "Musst du auch nicht", wird er getröstet. Gegen das Vergessen hilft Singen. Alle sind gespannt, was der Fernsehmoderator mit der Gitarre zu bieten hat. "Die Gedanken sind frei", stimmt er an. "Kein Mensch kann sie wissen." Und: Kein Mensch könne wissen, ob ihn im Alter die Demenz ereilt, ist das Fazit des Besuchers. "Ich möchte nicht allein sein, wenn ich alt bin. Alters-WG statt Pflegeheim - das kann ich mir nach diesem Erlebnis gut vorstellen. Es ist ja nie zu früh, darüber nachzudenken."
Info
Der Besuch von Marco Lombardo und seines Teams der TV-Sendung "Live nach neun" kann noch bis 12. Oktober 2023 in der ARD-Mediathek unter dem Titel "Die LNN-Sofa-Surfer: Marco und die Demenz-WG" angeschaut werden.