Zurück ins Leben
Den Umzug in ein Altenheim als ein „Zurück ins Leben“ zu empfinden, könnte man als eine „steile Hypothese“ sehen, findet Burkhard Baumann, verantwortlich für mehrere Altenhilfeeinrichtungen der Caritas im Kreis Steinfurt. Aber es gebe gute Gründe dafür und er selbst habe ein gutes Beispiel dafür erlebt. Eine 90jährige, deren Kinder in England und Süddeutschland leben, wohnte im dritten Stock und wurde langsam etwas „tüddelig“. Es habe sich herausgestellt, dass sie seit drei Jahren das Haus nicht mehr habe verlassen können. Der Einzug ins Altenheim sei für sie ein Segen gewesen. „Zuhause wohnen ist nicht gleichzusetzen mit im Leben zu sein“, sagt Baumann. Landläufig bestehen jedoch viele Vorbehalte, wird der Umzug als „Abschiebung“ missbilligt, haben die alten Menschen angesichts einzelner Horrogeschichten Angst. Aber auch Markus Brinkmann, Leiter des Altenheims St. Lamberti in Münster und wie Baumann Sprecher der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft Stationäre Altenhilfe in der Diözese Münster, ist sich aus seiner langjährigen Erfahrung sicher, dass ein Altenheim eine gute Alternative ist, wenn das Leben zuhause zur Last wird.
Obwohl der Umzug eigentlich immer schwierig für die neuen Bewohner wie auch ihre Angehörigen ist. Margarete Möllers, Betreuungsassistentin in St. Lamberti, erlebt es jedes Mal mit. In den ersten Tagen besucht sie die „Neubürger“ im Haus täglich und begleitet die Trauer um den Verlust der gewohnten Umgebung. Dann versucht sie zu vermitteln, das Leben als Kette zu sehen, in die jeden Tag eine neue Perle eingereiht wird. Es sei klar, dass für fast alle Bewohner das Leben im Heim enden werde. Aber bis dahin werde alles getan, damit sie jeden Tag genießen könnten.
Gemeinschaft fördern
Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten und Angebote, die die Gemeinschaft fördern. Den Lamberti-Blumenmarkt beispielsweise, bei dem die Bewohner Sträuße binden und kranke Mitbewohner beschenken können. Oder die fahrbare Miniküche, wenn das Aufstehen aus dem Bett nicht mehr gelingt. Als Bereicherung empfindet Lina Berg (96) vor allem die Abendrunden, die vom Sozialdienst mit Ehrenamtlichen zusammen tägllich gestaltet werden, um gemeinsam zu singen, zu spielen oder auch mal das Gedächtnis zu trainieren.
Lina Berg wohnt seit 2008 in St. Lamberti. musste nach mehreren Operationen ihre eigene Wohnung aufgeben. Sie hatte schon frühzeitig beschlossen, den Kindern „nicht zur Last fallen zu wollen“, wenn sie mal pflegebedürftig werde und sich frühzeitig umgeschaut. Ihre Empfehlung aus dieser Erfahrung: „Ich kann nur jedem raten, sich rechtzeitig anzumelden, wenn er nicht mehr kann“. Jochen Albers, Heimleiter im Henricus Stift in Südlohn und ebenfalls DiAG-Sprecher, kann das nur bestätigen. Am besten sei es, sich rechtzeitig mehrere Heime anzuschauen und dann „nach dem Bauchgefühl zu entscheiden“. Er erlebe, dass nach wenigen Wochen praktisch alle Bewohner zufrieden seien und neue Bekannte gefunden hätten.
Voller Lebenswille
Bernd Balzereit hat das bei seiner Mutter vor drei Jahren so erlebt. Bis sie mit 95 Jahren für eine Operation ins Krankenhaus musste, „stand sie voll im Leben“. Dann war klar, dass sie nicht mehr zuhause bleiben konnte. Neun Heime besuchte er in drei Wochen, um schnell eine Lösung zu finden, Plätze waren rar. Dass seine Mutter jetzt in St. Lamberti in der Nähe seiner Wohnung untergekommen ist und er sie täglich besuchen kann, empfindet er als Glücksfall. Die gesundheitlichen Einschränkungen seien nicht zu ändern. Aber sie sei voller Lebenswille und gemeinsam hofften sie jetzt darauf, dass sie in zwei Jahren noch 100 werde.
Positive Geschichten aus und über Altenheime hält Anne Eckert, Referatsleiterin Altenhilfe im Diözesancaritasverband Münster, auch für die Gewinnung von Pflegemitarbeitenden sehr wichtig. Bei der derzeitigen Entwicklung immer mehr älterer und immer pflegebedürftigerer Menschen müsse eigentlich jeder vierte Schulabgänger eine Pflegeausbildung machen, um den Bedarf künftig zu decken. Das werde mit einem schlechten Berufsimage nicht gelingen, erklärt Eckert: „Wir brauchen soziale Anerkennung für diesen Beruf“.
Bei aller Diskussion über alternative Wohnformen sei klar, dass in verschiedenen Lebensphasen und je nach Pflegebedürftigkeit und persönlichen Wünschen, ein breites Angebot benötigt werde. Darin sei das Altenheim ein wichtiger Baustein und werde es auch in Zukunft bleiben. Günstig sei es, wenn Betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften oder altengerechte Wohnformen in der Nähe zu Altenheimen entstehen, meint Markus Brinkmann, denn dann könnten deren Angebote wie zum Beispiel ein Mittagstisch mitgenutzt werden.