Heute sind die Erwartungen und Ansprüche noch höher
Nach über 40 Jahren pädagogischer Arbeit im kirchlichen Dienst wurden die Leiterin Maria Hörauf und ihre Stellvertreterin Barbara Ollek im Kinderhaus Jakubetzstift in Wittichenau feierlich verabschiedet. Für die Sozialcourage beantwortet Frau Hörauf einige Fragen.
Frau Hörauf, warum haben Sie sich vor über 40 Jahren für den Beruf der Erzieherin entschieden?
Ich glaube, schon in meiner Kindheit liegen die Wurzeln für diesen Berufswunsch. Kleinere Kinder lagen mir irgendwie am Herzen. Nach der Schule zum Beispiel war ich als Kindermädchen engagiert und hatte in drei Familien auf deren Kinder aufzupassen. Die Beschäftigung mit ihnen machte mir Spaß, ich entdeckte dabei die Liebe zu den Kindern.
Später, als der Berufswunsch "Erzieherin" für mich feststand, war mir bewusst, dass dieser Beruf nicht nur Freude, sondern auch eine große Verantwortung mit sich bringt. Man ist an der Erziehung von Menschen beteiligt, kann ihnen christliche Werte und gegenseitige Achtung vermitteln und ihnen dabei helfen, den Anderen so anzunehmen, wie er ist.
Der Umgang mit Menschen und dabei selbst ein Vorbild zu sein, waren mir immer wichtig.
Wo und wie gestaltete sich damals die kirchliche Ausbildung?
Nach dem Abschluss der 8. Klasse ging ich für ein Jahr in die Aspirantur nach Altdöbern und arbeitete ein Jahr im dortigen Kinderheim. Im Anschluss daran, ich war 17 Jahre alt, leitete ich als ungelernte Kraft ein Jahr lang eine Gruppe von 20 Kindern im katholischen Kindergarten. In Schöneiche bei Berlin folgten der Abschluss der 9. und 10. Klasse und anschließend die Ausbildung zur Erzieherin über zweieinhalb Jahre in Michendorf.
Mein Anerkennungsjahr leistete ich von April bis Oktober 1971 im St. Wenzeslaus-Stift Jauernick in der Familienerholung und ab Oktober dann im Kinderhaus Wittichenau.
Was hat sich im Jakubetzstift und an der pädagogischen Arbeit in den vier Jahrzehnten verändert?
Ein wichtiger Bestandteil war und ist für uns und auch die Eltern, die uns ihre Kinder anvertrauen, die religiöse Erziehung der Kinder.
In der Vergangenheit standen monatliche Schwerpunkte und Wochenpläne bei der pädagogischen Erziehung im Mittelpunkt. Sie wurden ausgearbeitet, durchgeführt und ausgewertet. Bei einer Gruppenstärke von 20 bis 25 Kindern gab es täglich zwei Beschäftigungen, wöchentliche Spaziergänge, Kreisspiele. Die Kinder mussten beschäftigt werden.
Die Einführung des Qualitätsmanagements Ende der neunziger Jahre befähigte uns, die eigenen Ziele zu dokumentieren, nachvollziehbar für alle zu machen und sie zu verwirklichen.
Der Situationsansatz und der Beobachtungsbogen zeigen uns neue pädagogische Herangehensweisen auf. Wir nehmen jedes Kind mit seinen Stärken wahr, beobachten und erkennen, was die Kinder brauchen. Der neue Bildungsplan ist eine Herausforderung für die Erzieherinnen. Um dem gerecht zu werden, besuchen die Erzieherinnen regelmäßig Fortbildungen. Besonders hervorzuheben in unserem Kinderhaus ist die Zweisprachigkeit. Bedingt durch die Ansässigkeit und das Leben der sorbischen Bevölkerung in unserer Umgebung sprechen wir sorbisch und deutsch.
Welche Veränderungen brachte die politische Wende 1989 für das Kinderhaus?
Neu waren für uns die Beantragung einer Betriebserlaubnis für unsere Einrichtung und für die Erzieherinnen der Erwerb der staatlichen Anerkennung. Bauliche Maßnahmen folgten, wie der Umbau des Sanitär- und Küchenbereichs. Brandschutztechnische Gründe erforderten den Bau eines zweiten Treppenaufgangs. Der Dachausbau und die Spielplatzerneuerung standen an.
Die Kapazität der Platzzahl in der Kita lag vor der Wende bei 150 bis 180 Kindern. Eine Meldung der Belegungszahlen war nicht erforderlich. Kontrollen gab es nur durch die Hygiene.
Bedingt durch die vorhandenen Raumgrößen reduzierte sich nach der Wende sofort die Belegungszahl auf 130 Kinder. Mitte der neunziger Jahre war ein Rückgang der Kinderzahl zu verzeichnen. Krippen- und Hortkinder wurden ab jetzt aufgenommen. Besondere Beachtung galt dem Personalschlüssel, Erzieherstunden wurden reduziert.
Welche Entwicklungen bei Kindern und Familien in den Jahrzehnten als Pädagogin fallen Ihnen besonders auf?
Eltern arbeiteten damals meist ganztags. Ein Kindergartenplatz war selbstverständlich. Kinder sollten auch damals schon viel lernen. Heute sind die Erwartungen und Ansprüche noch höher. Es bleibt weniger Zeit zum Spielen. Möglichst viele Angebote sind gefragt. Neben der sorbischen Sprache wünschen die Eltern für die Kinder das Erlernen der englischen Sprache, musikalische Früherziehung, sportliche Betätigung und die religiöse Erziehung.
Kinder sind teilweise selbstständiger, selbstbewusster, aufgeschlossen für Neues und fordern ihre Bedürfnisse ein. Dagegen treten Sprachschwierigkeiten und Hyperaktivität häufiger auf. Sicher spielt hier die Einwirkung der Medien eine nicht unwesentliche Rolle.
Welchen Rat geben Sie jungen Leuten, die heute Erzieherinnen und Erzieher werden wollen?
In jedem Falle sollten sie die Liebe zum Kind, Geduld und Zeit mitbringen. Es ist ein schöner Beruf, in dem die Entwicklung der Kinder mitgestaltet werden kann. Ein Stück des Weges sind wir Erzieherinnen die Wegbegleiter und geben dem Kind Orientierung mit auf den Weg. Man sollte bereit sein, Verantwortung für andere zu übernehmen. Vor allem Kinder danken es einem.
Was wollen Sie in Ihrem Ruhestand tun?
Ich möchte reisen, Zeit mit der Familie und dem Enkelkind verbringen. Vorstellen kann ich mir eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Pfarrgemeinde und nicht zu vergessen, ab und an das Kinderhaus besuchen.
Vielen Dank für das Gespräch!
IINTERVIEW: ANDRÉ SCHNEIDER; MANUELA JAUNICH