Kein Heimplatz, kein Personal
Pflegearbeit ist ein erfüllender Beruf. Doch zu wenige Menschen sind bereit, die damit verbundenen Bedingungen anzunehmen. Foto: Sieglinde Herrler
Das Telefon klingelt mehrmals täglich in der Verwaltung. Am Apparat: Angehörige mit fast identischen Geschichten. Mutter oder Vater geht es zunehmend schlechter, oftmals ist eine fortschreitende Erkrankung die Ursache. Es folgt eine Klinikeinweisung, die Behandlung ist beendet, die Entlassung steht an, die Versorgung zu Hause ist jedoch nicht mehr gewährleistet. Die Kinder gehen in die Arbeit oder wohnen weiter weg, und keiner kann sich um die Person kümmern. Ein Heimplatz muss dringend her! Sofort … am besten gestern.
Keine Mitarbeitenden
Die Anrufer, Angehörige oder aber auch der Sozialdienst des Klinikums, erhalten zurzeit in allen Seniorenheimen immer die gleiche Antwort: "Wir können niemanden aufnehmen." Die Situation in den Sozialstationen sieht nicht so viel anders aus. Grund hierfür ist der Personalmangel in der Pflege. Es gibt freie Plätze, jedoch nicht genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Immer wird gesagt, die schlechte Bezahlung sei schuld am Personalmangel. Für die Mitarbeitenden der Caritas, die nach dem Tarif der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) bezahlt werden, trifft das nicht zu. Als Einstiegsgehalt winken einer Fachkraft in Vollzeit 3053,48 Euro brutto, einer Pflegehilfskraft ohne Ausbildung 2.365,15 Euro. Dazu kommen Schicht- und Feiertagszulagen sowie diverse weitere Zulagen, eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge, 30 Tage Urlaub, Zusatzurlaub von bis zu vier Tagen bei entsprechendem Nachtdienst, eine Jahressonderzahlung im Januar, Fort-und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Einkaufs-Sonderkonditionen über "corporate benefits". Jährliche Gehaltssteigerungen von etwa 1,4 Prozent sind obligatorisch. Am 1. Januar 2022 hat die Caritas zudem ein sogenanntes Zeitwertkonto eingeführt, um damit eine bezahlte Freistellung finanzieren zu können.
Wenig Bereitschaft zur Pflegearbeit
Für diese Bedingungen sind allerdings nur wenige bereit, nach einem Dienstplan - auch am Wochenende, Feiertag und in der Nacht - zu arbeiten. Und so stehen wir vor dem Dilemma, dass wir zwar einen großen Bedarf an Hilfe- und Pflegebedürftigen und auch freie Betten haben, jedoch wenige Menschen zum Pflegen.
Da die Versorgung pflegebedürftiger Menschen jedoch an 365 Tagen rund um die Uhr stattfindet, und dies nicht nur zwischen 8 und 16 Uhr, ist es notwendig, Leute zu finden, die in diesem Bereich tätig sein möchten. Leider hat auch die neue generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann beziehungsweise zur Pflegefachfrau für uns bislang nur wenige neue Auszubildende gebracht. Wer einen Angehörigen hat, der womöglich bald pflegebedürftig ist, muss sich zwangsläufig frühzeitig Gedanken darüber machen, wie dieser einmal gepflegt und betreut werden kann.