„Ein Gespräch tut immer gut“
"Das Telefonguthaben ist jetzt um 20 Euro erhöht." Ingrid Link, Leiterin der Grünen Damen am Mainzer St. Hildegardis-Krankenhaus, muss sehr laut sprechen. Patientin Annemarie Seufert versteht sie sonst nicht. Ingrid Link blickt auf das Display des Telefons. Dort liest sie das Telefonguthaben der 87-Jährigen per Tastendruck ab. Zuvor hat sie die Telefonkarte von Annemarie Seufert, deren Name geändert ist, im Foyer des weit verzweigten Krankenhauskomplexes am Automaten aufgeladen. Allein wäre die alte, lungenkranke Frau dazu nicht in der Lage gewesen. Ingrid Link und ihre 29 ehrenamtlichen Kolleginnen im Krankenhausbesuchsdienst schon.
Fünf Grüne Damen, für jeden erkennbar am mintgrünen Kittel, sind montags bis freitags vormittags in dem 300-Betten-Haus unterwegs. Sie besuchen die Patienten, erkundigen sich nach ihrem Befinden, besorgen Zeitschriften oder Süßigkeiten aus dem Krankenhaus-Café. Vor allen Dingen aber nehmen sie sich Zeit. Sie hören den Patienten zu, nehmen Anteil an ihren kleinen und großen Sorgen. "Viele Leute wollen einfach nur reden, über familiäre Dinge, über vergangene Zeiten, gar nicht immer über ihre Krankheit", sagt Ingrid Link.
Hilflos im Bett zu liegen belastet Patienten
Später steht die Grüne Dame am Krankenbett von Siegfried Kratz. Der 81-jährige liegt seit einem Sturz auf der Geriatrie. Seit zwei Wochen hat er das Bett nicht verlassen. "Die Brötchen hier sind viel zu weich", verschafft er seinem Unmut Luft. Er erzählt der Grünen Dame von seiner Kontrastmitteluntersuchung am frühen Morgen und dem Sturz zu Hause in der Badewanne. Erst Stunden später sei ihm geholfen worden.
Kratz lebt allein, getrennt von Frau und Kindern. Noch bis Mitte der 1990er trieb er als Geschäftsführer eines großen Warenhauses Angestellte zu Höchstleistungen an, war ebenso unerbittlich zu sich selbst. Jetzt hilflos im Bett zu liegen belastet ihn sehr. "Ich kann und will nicht mehr. Ich will sterben", sagt er mit Tränen in den Augen. Ingrid Link hat ihm die ganze Zeit zugehört. Sie spricht ihm Mut zu und berührt kurz sein Bein.
Im Jahr 2004 hat die ehemalige Verwaltungsbeamtin erstmals den mintgrünen Kittel angelegt, 2009 die Leitung der Grünen Damen am St. Hildegardis-Krankenhaus übernommen. In der eigenen Familie sind der 67-Jährigen langwierige Krankheiten und eine aufwendige Pflege von Angehörigen erspart geblieben. Deshalb will sie "etwas zurückgeben". Sie hat festgestellt: "Wenn man im Krankenhaus liegt und es kümmert sich niemand um einen, ist man doch der ärmste Mensch."
Siegfried Kratz hat sich mittlerweile wieder gefangen. "Ein Gespräch tut immer gut", sagt er noch. Dann reichen er und Ingrid Link sich zum Abschied die Hände. Draußen schaut die Grüne Dame auf einem Zettel nach, welcher Patient im nächsten Zimmer liegt. Dort wird sie schon erwartet.
Wer sind die Damen in Grün?
In der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Katholische Krankenhaus-Hilfe der Caritas-Konferenzen Deutschlands engagieren sich heute 3500 Frauen und Männer in 200 Gruppen als Grüne Damen und Herren. Sie arbeiten ehrenamtlich im Krankenhaus, bieten Hilfe im Alltag und kooperieren eng mit hauptamtlichen Diensten wie Seelsorge oder Sozialdienst. Wie alle Krankenhaus-Mitarbeiter unterliegen sie der Schweigepflicht.
In der Arbeitsgemeinschaft Evangelische Krankenhaus-Hilfe besuchen bundesweit 11000 Helferinnen und Helfer Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen.