Jesuitenpater solidarisiert sich mit Klimaaktivisten
Jörg Alt kann witzig sein und herzhaft lachen. Diese Eigenschaften wird er erst später offenbaren. Zur Begrüßung sagt er: "Je früher wir anfangen, desto eher sind wir fertig" und führt in den Konferenzraum. Vom Fenster blickt man auf den Nürnberger Stadtpark und den Garten des Zentrums der Jesuiten für die sozialökologische Transformation. Das Zentrum soll Thinktank und spirituelles Zentrum für soziale und ökologische Gerechtigkeit sein, der sich der Orden verschrieben hat - und Anlaufstelle für Aktivistinnen und Aktivisten, die diese Ziele verfolgen. Hier arbeitet und lebt Jörg Alt mit drei anderen Jesuiten und neun syrischen und ukrainischen Geflüchteten unter einem Dach.
Für Gerechtigkeit zu kämpfen ist seine Motivation
Sein Leben ist durchgetaktet. Seit er sich für die Letzte Generation engagiert, ist die Taktzahl nach oben geschnellt. "Deshalb versuche ich alles, um eingesperrt zu werden. Ein regelmäßiger Alltag, drei Mahlzeiten und Zeit zum Entspannen", sagt er in einer Mischung aus Sarkasmus und Sehnsucht nach Ruhe. Warum aber klebt sich der 61-Jährige fest und riskiert Gefängnisstrafen? Eine Antwort darauf hat mit seiner Vita zu tun. "Ich bin 1981 dem Jesuitenorden auch beigetreten, weil der Dienst am Glauben schon damals den Einsatz für Gerechtigkeit beinhaltete. Dazu wollte ich beitragen", erklärt er.
Er hat Kampagnen gegen Landminen, für die Rechte von Migranten und für Steuergerechtigkeit vorangetrieben, als Wissenschaftler das "Manifest unerlaubte Zuwanderung" verfasst und eine Transformations- Trilogie mit den Titeln "Handelt!", "Einfach anfangen!" und "Widerstand!" geschrieben. "Schon lange quält mich die Frage, wie man wachsender Armut, Ungleichheit oder der Klimakatastrophe begegnen kann", sagt er auf seiner Website. Den Ursprung all der Krisen sieht er in einem ungebremsten, neoliberalen Kapitalismus, der Armut, Umweltzerstörung und Ausbeutung befeuert. Er fordert eine sozial-ökologische Marktwirtschaft. Und weiß den Jesuiten Papst Franziskus hinter sich, der in seiner Öko-Enzyklika Laudato si’ Neoliberalismus und Ausbeutung anprangert. Der Klimawandel wird Armut und Flucht verschärfen. Zeit also, den Einsatz zu erhöhen.
Der Hungerstreik eines jungen Mannes gab den Ausschlag
Den letzten Stoß hat ihm der Hungerstreik versetzt, den Henning Jeschke und sechs weitere Mitglieder der Letzten Generation im Bundestagswahlkampf 2021 begonnen hatten. Sie wollten ein Gespräch mit den Politikern Armin Laschet, Annalena Baerbock, Robert Habeck und Olaf Scholz über den Klimanotstand erzwingen. Henning Jeschke hungerte 27 Tage und verweigerte am Ende auch das Trinken, bis sich Olaf Scholz zu einem Gespräch bereiterklärte.
"Ich dachte, er stirbt", sagt Jörg Alt, und seine damalige Sorge um den jungen Mann füllt den Raum für einen Moment. Mit ihm hat er während der Aktion viel telefoniert. Inzwischen kennt er viele Aktivistinnen und Aktivisten persönlich und kommt zu einer gänzlich anderen Einschätzung als der CSU-Politiker Alexander Dobrindt, der von einer Klima-RAF sprach, was Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang kurzerhand als "Nonsens" einordnete. "Ich bewundere die Aktivisten für ihre Selbstlosigkeit, die um des Überlebens der Menschheit willen auf Geld und Karriere verzichten, die ihre Aktionen sehr ernsthaft planen und lieber was anderes machen würden, als auf der Straße zu sitzen - oder im Gefängnis", sagt er. Ihre Konsequenz hat ihn bewegt. "Ich habe mich gefragt: Halte ich weiterhin Vorträge oder muss ich mehr machen?"
Seitdem blockiert er Autos, die Symbole des fossilen Weiter-so. Oder er klebt sich zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Scientist Rebellion auf Straßen fest. Einige der Teilnehmenden hat die bayerische Justiz nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz in Präventivgewahrsam genommen - zum Teil bis zu 30 Tage. "Statt die offensichtliche Klimanotlage zu konstatieren und Schritte einzuleiten, kriminalisiert der Staat jene, die auf diesen Notstand hinweisen. Das macht mich fassungslos", sagt er ruhig. Aber natürlich brodelt es in ihm. Mehr Bürgerbeteiligung wäre aus seiner Sicht ein wichtiger Schritt. Menschen wüssten sehr wohl, was zu tun sei. Als Beispiel nennt er die Ergebnisse des Bürgerrats Klima, in dem 160 ausgeloste Bürgerinnen und Bürger in zwölf Sitzungen 80 Empfehlungen ausgearbeitet haben, von denen sich einige mit denen der Klimaaktivisten decken. "Vor jeder Protestwelle fordert die Letzte Generation Maßnahmen, die in der Bevölkerung populär und einfach umsetzbar sind, zum Beispiel ein Tempolimit", sagt Jörg Alt.
Klimaschutz ist wieder im Fokus
Für ihre Aktionen erntet diese trotzdem harsche Kritik. 81 Prozent der im November vom Marktforschungsinstitut Civey Befragten kritisieren die Proteste, nur 14 Prozent stimmen diesen zu. Jörg Alt sieht in den 14 Prozent ein ermutigendes Zeichen. Wichtiger ist ihm: Die Aktionen haben dazu geführt, dass das Thema Klimaschutz wieder auf der politischen Agenda steht, trotz Corona, Ukraine-Krieg und Inflation. Das ist für ihn ein Erfolg. "Wenn Polizistinnen und Polizisten mich wegtragen, gibt es regelmäßig welche, die sich bei mir für unsere Aktionen bedanken, weil auch sie Kinder haben." Mit seiner Präsenz als Jesuitenpater erschwert er es der Politik, die Aktivistinnen und Aktivisten in die gewaltbereite Ecke zu schieben.
Mit jedem zusätzlichen Strafverfahren wächst aber der Druck aus den eigenen Reihen - auf ihn und seinen Provinzial, der ihm die Teilnahme verbieten könnte. Der lässt ihn gewähren. Noch. Also engagiert sich Jörg Alt weiterhin. Sein Glaube verleihe ihm einen Extraschub Zuversicht, sagt er. Aber er hofft auch schwer darauf, "dass Gott bei der Schöpfung die Dummheit der Menschen berücksichtigt und ein paar zusätzliche Sicherheiten eingebaut hat". Ob das der Menschheit nützen wird, steht auf einem anderen Blatt.